Regierungskrise in Österreich Wien klagt gegen EU-Renaturierungsgesetz - und eigene Ministerin
17.06.2024, 13:21 Uhr Artikel anhören
Gewesslers Ja zum EU-Renaturierungsgesetz löst in Österreich eine Regierungskrise aus.
(Foto: IMAGO/Alex Halada)
Das Gesetz war von Anfang an umstritten. Dennoch stimmt die Mehrheit der EU-Umweltminister für das Renaturierungsgesetz. Mit juristischen Folgen in Österreich: Wien klagt nicht nur gegen das Gesetz. Die regierende ÖVP zeigt auch die grüne Klimaschutzministerin an.
Die Verabschiedung des Renaturierungsgesetzes durch die EU-Umweltminister hat in Österreich eine Krise in der Regierung ausgelöst. Der konservative Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP kündigte nach dem Ja seiner grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zum Gesetz eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Nehammer hatte diesen Schritt bereits im Vorfeld angekündigt, sollte Gewessler mit Ja stimmen.
Das Votum Gewesslers "entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden", erklärte das Kanzleramt in Wien. "Niemand steht über dem Recht", hieß es unter anderem in der Erklärung.
Gewessler hatte zuvor bei der Abstimmung der Umweltministerinnen und -minister der Europäischen Union für das seit Monaten umkämpfte Renaturierungsgesetz gestimmt. Sie handelte damit gegen den Willen des Bundeskanzlers. Mit dem Gesetz will die EU die Umweltzerstörung in den Mitgliedstaaten zurückdrehen.
In der Erklärung des Kanzleramts heißt es, der Klimaschutz sei zwar "ein wichtiges Anliegen", die Verfassung gelte aber "auch für Klimaschützer". Es müsse nun die Entscheidung des EuGH abgewartet werden. "Wir gehen davon aus, dass der EuGH so rechtzeitig entscheiden wird", dass die nationale Umsetzung des Gesetzes "vorab nicht notwendig sein wird". Zuvor hatte das Kanzleramt die Entscheidung Gewesslers bereits als "nicht verfassungskonform" bezeichnet.
Zudem geht die ÖVP strafrechtlich gegen Gewessler vor. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker kündigte eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an. Durch ihre Zustimmung zu dem Renaturierungsgesetz habe die Ministerin mutmaßlich wissentlich Verfassungsrecht gebrochen, argumentierte der Parteimanager. "Leonore Gewessler stellt sich über die Verfassung, weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln", sagte Stocker.
Die ÖVP argumentiert, dass Gewessler an einen Einspruch der österreichischen Bundesländer gegen das EU-Gesetz gebunden sei. Gewessler ist dagegen überzeugt, dass dieses Veto nicht mehr gilt, seitdem Wien zuletzt den Länder-Konsens verlassen hat und das Gesetz unterstützt.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa