Politik

Trump löst "Kernschmelze" aus Republikaner auf dem Weg in den Abgrund

Donald Trump zeigte sich am Samstag kurz vor dem Trump Tower in New York. Ansonsten ließ er sich öffentlich nicht blicken.

Donald Trump zeigte sich am Samstag kurz vor dem Trump Tower in New York. Ansonsten ließ er sich öffentlich nicht blicken.

(Foto: REUTERS)

Das Video mit vulgären Sprüchen von Donald Trump versetzt die Republikaner in helle Aufregung. Sie befürchten, dass Trump nicht nur seine eigene Wahl verlieren wird.

"Da steht ein Elefant im Raum", sagt Paul Ryan bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Wisconsin. Die Redewendung meint, dass es ein Thema gibt, an das alle denken, aber keiner spricht darüber. Eine misslungenere Metapher hätte Ryan kaum wählen können. Seit Freitag spricht im Präsidentschaftswahlkampf in den USA niemand mehr über ein anderes Thema.

Paul Ryan ist Sprecher des Repräsentantenhauses und damit der Republikaner mit dem höchsten politischen Amt in den USA. "Es ist eine besorgniserregende Situation", fährt er fort. "Ich habe gestern Abend dazu eine Erklärung abgegeben." Mehr wolle er dazu nicht sagen.

Der "Elefant im Raum" ist ein Video aus dem Jahr 2005, in dem der heutige Präsidentschaftskandidat Donald Trump mit vulgären Worten darüber spricht, wie er Frauen behandelt. Es hat dazu geführt, dass selbst engste Verbündete sprachlos geworden sind. Sein Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence teilte mit, "als Ehemann und Vater" fühle er sich von Trumps Worten beleidigt. "Ich billige seine Worte nicht und ich kann sie nicht verteidigen."

Mehr als 30 Republikaner riefen Trump dazu auf, aus dem Rennen auszusteigen. Dazu ist er nicht bereit. Es gebe "null Chancen, dass ich aussteige", sagte Trump dem "Wall Street Journal". Trotzdem fordern einzelne Republikaner, dass Pence aufrückt und kandidiert. Doch das ist nur noch theoretisch möglich. Mehr als 34.000 republikanische Wähler haben ihre Stimme bereits abgegeben, in einigen Bundesstaaten ist die Frist für die Anmeldung von Kandidaten schon abgelaufen, die meisten Stimmzettel dürften längst gedruckt sein – es sind ja auch nur noch 30 Tage bis zur Wahl.

Heute Abend findet in St. Louis die zweite von drei TV-Debatten zwischen Trump und der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton statt. Trump dürfte dabei über Bill Clintons Eskapaden sprechen, vor allem über den Verdacht, Hillary Clinton habe geholfen, sexuelle Übergriffe ihres Mannes zu vertuschen. Dieser Vorwurf ist nicht neu. Trumps Versuch, die öffentliche Debatte zu seinen Gunsten zu drehen, dürfte daher scheitern.

Wie 1996 – nur schlimmer

Selbst auf konservativen Nachrichtenseiten finden aktuelle Enthüllungen über Reden von Hillary Clinton vor Wall-Street-Bankern nur weiter unten statt. Die linksliberale "Washington Post" hat Zitate aus Interviews zusammengestellt, die der Milliardär dem Radio-Moderator Howard Stern gab. Unter anderem sagte Trump dort, dass es "Zeit auszuchecken" sei, wenn Frauen 35 Jahre alt geworden seien. Niemand würde sich wundern, wenn in den nächsten Tagen weitere Mitschnitte von Trump-Obszönitäten auftauchen.

Damit befinden sich die Republikaner in einer dramatischen Krise. CNN spricht von einer "Kernschmelze" der Partei, selbst das rechte Nachrichtenportal Breitbart machte mit der Meldung auf, dass ein NBC-Moderator den Präsidentschaftswahlkampf für "gelaufen" erklärt hat. So etwas habe es in US-Wahlkämpfen seit Menschengedenken nicht gegeben, schreibt Statistik-Guru Nate Silver. Er vergleicht die Situation mit 1996. Damals war den Republikanern klar, dass ihr Kandidat Bob Dole verlieren würde – übrigens gegen Bill Clinton. Sie konzentrierten sich daher darauf, ihre Mehrheit im Kongress zu verteidigen. Jetzt sei es sogar noch schlimmer, denn damals hätten die Republikaner nicht 30 Tage vor der Wahl gefordert, dass Dole aus dem Rennen aussteigt, so Nate Silver.

Statt über Trump sprach Ryan in Wisconsin über "unsere Lösungen" (hier ein Video des Auftritts). Eigentlich hätte Trump neben ihm stehen sollen, doch dessen Auftritt wurde abgesagt. Stattdessen warb Ryan "für unsere Kandidaten". Denn am 8. November wird nicht nur der Präsident gewählt, es finden auch Gouverneurswahlen statt, ein Drittel des Senats sowie das gesamte Repräsentantenhaus muss sich zur Wahl stellen. Genau hier liegt das zentrale Problem für die Republikaner. Sie haben Angst vor der anderen Seite des Trump-Effekts. Trump hat zwar eine breite Anhängerschaft mobilisiert und, wie er immer wieder betont, in den Vorwahlen mehr Stimmen bekommen als je ein Republikaner vor ihm. Aber zugleich ist er der unbeliebteste Präsidentschaftskandidat, seit entsprechende Umfragen erhoben werden. Viele Republikaner fürchten, mit ihm in den Abgrund gerissen zu werden.

Der Kongress könnte kippen

Senator John McCain, vor acht Jahren Präsidentschaftskandidat der Republikaner, hatte sich bisher dazu durchgerungen, Trump zu unterstützen. Das fiel ihm schwer genug: Im Vorwahlkampf sagte Trump, McCain sei kein Kriegsheld. "Ich mag Leute, die nicht gefangen genommen wurden." McCain war im Vietnam-Krieg schwer verletzt worden und verbrachte fünfeinhalb Jahre in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft. Trump dagegen entging dem Kriegsdienst mit Hilfe eines Attests.

Am Samstag zog McCain seine Unterstützung zurück. Er werde nicht für Trump stimmen, sondern den Namen eines "guten konservativen Republikaners" auf den Wahlzettel schreiben. Umfragen zeigen, dass er sicher sein kann, als Senator für Arizona wiedergewählt zu werden. Diese Sicherheit hat längst nicht jeder Republikaner.

1996 gelang es der Partei, Senat und Repräsentantenhaus zu behalten. In diesem Jahr könnte das schwierig werden. Dem Statistik-Blog Fivethirtyeight zufolge ist es wahrscheinlich, dass die Demokraten den Senat zurückerobern. Dass dies auch im Repräsentantenhaus gelingt, galt vor ein paar Monaten noch als extrem unwahrscheinlich – unter anderem, weil die Republikaner vor sechs Jahren die Wahlbezirke nach ihren Vorstellungen zuschneiden konnten. Mittlerweile klingt Ryan so beschwörend, dass man annehmen darf, er mache sich ernsthaft Sorgen.

Trumps Anhänger beeindruckt das nicht. Noch während Ryan sprach, kamen in Wisconsin aus dem Publikum Rufe wie "Gott segne Trump" und "Hau ab, Paul! Esel!" Die Blase, die Trump sich aufgebaut hat, glaubt nach wie vor an einen Sieg.

Quelle: ntv.de

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