FDP-Parteitag Rösler schürt Angst vor Räuber Hotzenplotz
04.05.2013, 14:04 Uhr
Parteichef Rösler: "Die Grünen kennen nur einen Dreiklang: dagegen, dagegen, dagegen."
Rhetorische Kreativität beweist FDP-Chef Rösler auf dem Parteitag in Nürnberg nur bei einem Punkt: Bei Attacken auf den politischen Erzfeind der Liberalen. Inhaltlichen Kontroversen weicht er mit Floskeln aus - und zwar den allerabgedroschendsten. Eine Stilkritik.
Die Rede von Philipp Rösler auf dem Parteitag der FDP lässt sich mit einem Satz zusammenfassen. Über die Grünen sagt der Chef der Liberalen: "Sie sind gegen alles, was das Leben der Menschen schön macht." Noch dicker kann man kaum auftragen. Rösler nimmt sich trotzdem 45 Minuten lang Zeit, um diese Kernbotschaft zu sezieren. Warum? Damit sie auch der Allerletzte versteht? Tatsächlich offenbart sein Auftritt, dass er kurz vor den Abstimmungen über das Wahlprogramm der FDP einer inhaltlichen Debatte um jeden Preis ausweichen will.
Themen für Röslers Rede hätte es genug gegeben. Er hätte auf den Streit um einen Mindestlohn eingehen können. Während die Parteispitze sich für eine vorsichtige Öffnung der Liberalen bei diesem Punkt einsetzt, bangen mehrere Landesverbände um den Markenkern der FDP. Doch Rösler handelt die Mindestlöhne mit ein paar Sätzen ab, die sich so fast wortwörtlich im Entwurf des Wahlprogramms wiederfinden. "Wir sind, wir bleiben gegen einen flächendeckenden, einheitlichen Mindestlohn in Deutschland – jetzt und in aller Zukunft", sagt er. In Regionen, in denen es keine starken Tarifpartner gibt, die faire Löhne aushandeln können, sieht er allerdings Handlungsbedarf. Zur Not soll eine Kommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und unabhängigen Experten einen Kompromiss finden – auf keinen Fall der Staat. So weit, so alt.
Auch bei der Gleichstellung von Mann und Frau lässt er einen echten Impuls vermissen. Es gebe enormen Nachholbedarf – auch in der FDP, sagt er vage. Doch mit Symbolpolitik sei da nichts zu machen. Auf den (zumindest für Liberale) radikalen Antrag des Bundesvorstands der Liberalen Frauen geht er mit keinem Wort ein. Die Vereinigung, der eine reihe prominenter Politikerinnen angehört, fordert eine 40-Prozent-Frauenquote für Parteiämter.
Genauso bei der Steuerpolitik: Rösler weicht einer Kontroverse aus und versucht lediglich, mehr Vernunft zu demonstrieren. Eine vielleicht überfällige Reaktion, nachdem die "Mehr-Netto vom-Brutto"-Strategie der Bundestagswahl 2009 in der Schulden- und Finanzkrise fatal floppte. Der Haushaltskonsolidierung räumen Rösler und andere in der Parteispitze nun oberste Priorität ein. Manch ein Liberaler pocht aber noch immer auf schnelle Entlastungen. In Nürnberg ruft Rösler aber vor allem wieder einmal in Erinnerung, dass Schwarz-Gelb für 2014 erstmals einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat.
Die alte Leier von "Freiheitsgegnern" und "Tugendwärtern"
In Röslers Rede steckt nichts Nachdenkliches, keine Denkanstöße, nicht mal eine Spitze gegen die Quertreiber in den eigenen Reihen. Der Parteichef geht über alle umstrittenen Themen mit Floskeln hinweg, sagt Sätze wie "die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht". Selbst die Losung "Leistung muss sich lohnen" erspart er seinen Zuhörern nicht.
Was ist davon zu halten? Rösler setzt alles daran, für Harmonie und Zusammenhalt zu sorgen: Schließlich hat die Partei den Streit um ihre Führungsspitze gerade erst einigermaßen verkraftet. Zudem reißt die FDP auch vier Monate vor der Bundestagswahl in Umfragen immer wieder die Fünf-Prozent-Hürde, einen heftigen Richtungsstreit kann sich die Partei einfach nicht leisten. Also beschwört Rösler den gemeinsamen Feind. Rhetorische Raffinesse zeigt er allein bei seinen Hasstiraden gegen die Opposition. Vor allem die Grünen trifft es, schließlich bieten die mit ihrem Wahlprogramm, das eine kräftige Umverteilung fordert, Angriffsfläche.
Grünenchef Jürgen Trittin sei nicht der Robin Hood für einige wenige, "sondern er ist der böse Räuber Hotzenplotz für alle in Deutschland", sagt Rösler. Er warnt vor Raubzügen gegen den Mittelstand und prophezeit, was geschieht, wenn die Grünen weiter erstarken. Dann nämlich würden "Tugendwächter", "Fortschrittsfeinde" und "Freiheitsgegner" das Land regieren – und einen "rot-rot-grünen Spuk" veranstalten. Ein Hauptkritikpunkt: Laut Rösler kennen die Grünen nur ein Credo: "Dagegen, dagegen, dagegen." In Nürnberg fällt ihm selbst nichts anderes ein.
Quelle: ntv.de