Und nochmal mehr Druck Russland löst Sacharow-Zentrum auf
18.08.2023, 15:24 Uhr Artikel anhören
Wie zu Sowjetzeiten: Ein Bild des Friedensnobelpreisträgers Sacharow stand in dem Zentrum für Menschenrechte.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die meisten russischen Oppositionellen sitzen hinter Gittern oder sind außer Landes geflohen, führende Menschenrechtsgruppen sind verboten. Nun trifft es auch noch das Sacharow-Zentrum. Es hatte gewagt, die Kreml-Version zum Krieg in der Ukraine anzuzweifeln.
Die russische Justiz hat die Auflösung des renommierten Sacharow-Zentrums angeordnet. Zur Begründung führte ein Gericht in der Hauptstadt Moskau an, in dem Zentrum fänden nicht genehmigte Konferenzen und Ausstellungen statt. Das nach dem sowjetischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow benannte Menschenrechtszentrum war vor knapp drei Jahrzehnten gegründet worden. Es gehörte zu den wenigen Organisationen, welche die offizielle Sichtweise des Kreml infrage stellten, auch im Hinblick auf Moskaus Krieg gegen die Ukraine.
Bereits im Frühjahr war das Sacharow-Zentrum unter Verweis auf das Gesetz zu "ausländischen Agenten" gezwungen worden, seine historischen Räumlichkeiten in Moskau zu verlassen. Parallel zu seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nutzt die russische Führung ein Arsenal immer weiter reichender Gesetze, um jedwede Kritik von Einzelpersonen oder Organisationen am Kreml zu unterbinden.
Die meisten Oppositionellen sitzen hinter Gittern oder sind im Exil, führende Menschenrechtsgruppen wurden verboten. Im Januar hatte ein Gericht bereits die Schließung der ältesten Menschenrechtsorganisation Russlands, der Moskauer Helsinki-Gruppe, angeordnet. Die Menschenrechtsorganisation Memorial, die sich als wichtiger Pfeiler der Zivilgesellschaft etabliert hatte, war Ende 2021 von den russischen Behörden aufgelöst worden - nur wenige Monate bevor Kreml-Chef Wladimir Putin Truppen in die Ukraine schickte.
"Für eine offene demokratische Gesellschaft"
Ziel des Sacharow-Zentrums war es, die Erinnerung an "mehrere zehn Millionen Opfer politischer Unterdrückungen und Verbrechen begangen von dem Sowjetregime" wachzuhalten. Im Russland unter Wladimir Putin setzte es sich auch für die "Werte einer offenen demokratischen Gesellschaft und eines offenen demokratischen Staates, für die Sacharow eingetreten ist," ein.
Sacharow war ein sowjetischer Physiker, der 1970 das Komitee zur Durchsetzung der Menschenrechte gründete und sich unter anderem auch für das Selbstbestimmungsrecht der Krimtataren einsetzte. Im Jahr 1975 erhielt er den Friedensnobelpreis, durfte aber nicht nach Oslo zur Verleihung reisen. Für die Sowjetunion wurde er zum Staatsfeind, und nach Protesten gegen den Einmarsch in Afghanistan verhaftet und verbannt. Erst unter Michail Gorbatschow kam der "Vater der sowjetischen Wasserstoffbombe" wieder frei.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP