Politik

Neue Griechenland-Hilfen Schäuble entscheidet

Wessen Wort hat mehr Gewicht? Die Kanzlerin und ihr Finanzminister.

Wessen Wort hat mehr Gewicht? Die Kanzlerin und ihr Finanzminister.

(Foto: AP)

Am Freitag soll der Bundestag die Verhandlungen über ein neues Kreditpaket für Griechenland genehmigen. Doch vor allem bei CDU und CSU regt sich Widerstand. Die SPD steht geschlossener da, hat aber auch ein Problem.

Seinen Urlaub bricht niemand gern früher ab als nötig. Aber so gern SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer noch ein paar Tage am Bodensee bleiben würde - die Entwicklung des griechischen Schuldendramas lässt ihm keine andere Wahl. Pünktlich zu ihren Fraktionssitzungen müssen er und die 630 anderen Bundestagsabgeordneten am Donnerstag wieder in Berlin sein. Am Freitag steht dann eine Sondersitzung auf dem Programm. Dabei entscheidet der Bundestag, ob über ein drittes Kreditpaket für Griechenland verhandelt werden kann. In einigen Wochen soll das Parlament dann endgültig darüber abstimmen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder wirbt im Vorfeld der Sitzung bereits um Zustimmung zum Griechenland-Kompromiss. Doch vor der Abstimmung ist die Stimmung unberechenbar, vor allem in der Union. Die Zahl der Abweichler könnte noch größer sein als bei der bisher letzten Griechenland-Abstimmung im Februar.

Damals hatten 29 Abgeordnete die Verlängerung des zweiten Hilfspakets abgelehnt, 118 weitere stimmten zwar zu, dokumentierten in persönlichen Erklärungen aber teilweise heftige Bauchschmerzen (im Plenarprotokoll zu lesen ab Seite 104). Schon damals also gehörte fast die Hälfte der 311 Unionsabgeordneten zum Lager der Skeptiker. Und diesmal?

Was ist die neue Story?

Die Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Carsten Linnemann und Hans-Peter Friedrich erteilen einem neuen Griechenland-Paket bereits seit Wochen eine Absage. Der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach, der ebenfalls im Februar bereits mit Nein gestimmt hat, spricht von großer Skepsis in der Fraktion. "Die Bundesregierung glaubt, dass der Kompromiss gut für Griechenland ist und dass es mehr Vor- als Nachteile gibt. Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist", sagt er n-tv.de. Aus Sicht von Michelbach muss gewährleistet sein, dass Griechenland die Schulden zurückzahlen kann. "Ohne eine nachhaltige Schuldentragfähigkeit sollte man nicht zustimmen."

Auch sein Fraktionskollege Roderich Kiesewetter hat große Schwierigkeiten mit einem neuen Kreditpaket. "Ich halte die Griechen nicht für verlässlich", sagt der CDU-Mann. Doch das ist nicht sein einziges Problem. "Wie wäre die Wirkung auf Portugal, Irland und Spanien? Es wäre ein fatales Signal, wenn der Eindruck entstünde, dass man nur ordentlich Druck machen muss, um Hilfsgelder zu bekommen." Aus Fraktionskreisen hieß es schon in der vergangenen Woche, es brauche eine "neue Story", um die Abgeordneten von einem dritten Programm zu überzeugen.

Der CDU-Parlamentarier Armin Schuster erzählt von den vielen Briefen, die er in diesen Tagen erhält. 99,9 Prozent der Absender fordern: Raus aus der Eurozone mit den Griechen! Die Argumente kann Kiesewetter teilweise nachvollziehen: "Ein drittes Hilfspaket wäre so etwas wie eine Insolvenzverschleppung. Man kann nicht davon ausgehen, dass die Griechen in der Lage sein werden, das zurückzuzahlen." Dennoch neigt er zum Ja. Die Kanzlerin und der Finanzminister hätten in Brüssel herausgeholt, was möglich war. Für Schuster hat das Wort Wolfgang Schäubles Signalwirkung. Sein Abstimmungsverhalten sei am Ende entscheidender als das Werben der Kanzlerin.

"Wochenlang am Grexit besoffen geredet"

In der SPD ist die Situation anders. Auf die Sozialdemokraten kann sich die Kanzlerin verlassen – zumindest beim Thema Griechenland. Der Verlängerung der Hilfen stimmte die SPD im Februar im Gegensatz zur Union einstimmig zu. Fraktionsvize Schäfer rechnet fest damit, dass die SPD wieder "mit großer Geschlossenheit zustimmen wird". Es könne keinen Grexit geben, man dürfe die Griechen nicht aus dem Euro werfen. "Die Union hat sich mit Beteiligung von Herrn Schäuble wochenlang am Grexit besoffen geredet. Jetzt wachen sie mit einem Brummschädel auf und ärgern sich", sagt er n-tv.de.

Auch Parteichef Sigmar Gabriel bezeichnete die Beschlüsse des Griechenland-Gipfels in Brüssel als "ein faires Angebot". Doch gerade der Vizekanzler sorgte in den eigenen Reihen zuletzt für Unmut und Irritation. Am Wochenende erklärte er zunächst, das Grexit-Papier von Finanzminister Schäuble sei mit ihm abgesprochen. Später ruderte er zurück. Vielen Genossen missfielen zuletzt auch Gabriels scharfe Äußerungen zum Thema Griechenland. "Das waren politische Spielchen, die in der Fraktion nicht gut ankamen", sagt ein Abgeordneter. "Vor dem Referendum gab es die Ansage: Reihen geschlossen halten und nicht in die Mikrofone beißen, ich mache das auch nicht. Dann hat er es doch gemacht." Ob das Murren Gabriel langfristig schade? "Der ist doch rund, da rutscht das ab", scherzt er.

Der Finanzexperte Carsten Schneider geht davon aus, dass die SPD nahezu geschlossen zustimmt. "Es gibt noch ein paar offene Fragen wie beim Thema Brückenfinanzierung und Bankenrekapitalisierung, aber wir begrüßen die Einigung, denn wir wollen, dass Griechenland im Euro bleibt." Einen Seitenhieb auf den Koalitionspartner kann sich Schneider nicht verkneifen. "Viele Unions-Leute haben sich vor Wochen festgelegt, ohne dass schon irgendetwas klar war. Ich frage mich, ob diese Leute Vertrauen in die Kanzlerin haben oder woran es dann liegt, dass sie sie jetzt bei einer so entscheidenden europapolitischen Weichenstellung im Regen stehen lassen."

Quelle: ntv.de

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