Forscher kritisieren Plagiatsverfahren Schavan erfährt Unterstützung
16.10.2012, 01:34 Uhr
Bundesbildungsministerin Schavan bekommt in der Plagiatsaffäre Hilfe aus dem Bereich der Wissenschaft. Führende Forscher sehen schwere Fehler in dem Verfahren. So habe die Öffentlichkeit vor Schavan von den Vorwürfen erfahren. Die Wissenschaftler verlangen ein Zweitgutachten.
In der Plagiatsaffäre erhält Bundesbildungsministerin Annette Schavan Unterstützung aus der Wissenschaft. Mehrere führende Forscher kritisierten in der "Süddeutschen Zeitung" den Verlauf des Plagiatsverfahrens und das , das der Politikerin vorwirft, in ihrer Doktorarbeit bewusst getäuscht zu haben. Rückendeckung erhielt die CDU-Politikerin zudem von .
"Es gab schwere Fehler in dem Verfahren - die Universität sollte nun eine zweite Person bitten, die Vorwürfe sachlich zu prüfen", sagte der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, der SZ. Es sei "skandalös", dass die Öffentlichkeit vor der Betroffenen von den schwerwiegenden Vorwürfen erfahren habe. Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, sagte, er sei "schon irritiert, dass in einem strikt vertraulichen, personenbezogenen Verfahren ein Gutachten an die Öffentlichkeit gerät, noch dazu bevor es von dem zuständigen Gremium bewertet wurde". Jürgen Mlynek, Chef der Helmholtz-Gemeinschaft, zeigte sich "verwundert, dass die Arbeit offenbar nur von einem Hochschullehrer geprüft wurde". Alle drei Organisationen zählen zu den großen Forschungsakteuren in Deutschland.
Das Gutachten war am Wochenende bekanntgeworden. Die Untersuchung wirft Schavan vor, in ihrer Doktorarbeit Textpassagen ohne sauberen wissenschaftlichen Beleg von fremden Autoren übernommen und dabei bewusst getäuscht zu haben. Schavan selbst hatte nach eigenen Angaben das Gutachten erst am Wochenende und auf Nachfrage von der Universität Düsseldorf erhalten.
"Handwerkliche Fehler, kein Plagiat"
Der frühere DFG-Präsident Wolfgang Frühwald sprach von einem "Skandal". Nach der Vorab-Veröffentlichung könnten die zuständigen Gremien der Universität nicht mehr frei entscheiden. "Sie stehen nun unter öffentlichem Druck", sagte er. Auch Frühwald forderte ein Zweitgutachten. Er griff zudem den Inhalt des 75-seitigen Berichts an. "Weder der Vorwurf des Plagiats noch der Vorwurf der bewussten Täuschung ist durch die Untersuchung gedeckt." Vielmehr gehe es um "handwerkliche Fehler", die nicht derart gravierend seien, dass man von einem Plagiat sprechen könne.
Ähnlich äußerte sich Dietrich Benner, emeritierter Professor für Erziehungswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin. Zwar gebe es in der Doktorarbeit offenbar mehr nicht gekennzeichnete Übernahmen als bisher bekannt; dennoch handele es sich "zweifellos um kein Plagiat". Der Vorwurf einer Täuschungsabsicht sei in diesem Fall "völlig abwegig, ja böswillig". Benner hatte Schavan bereits im Mai öffentlich verteidigt, nachdem erste Vorwürfe durch einen anonymen Blogger erhoben worden waren.
Grünen-Chefin Claudia Roth legte Schavan den Rücktritt nahe, sollte sich der Plagiatsverdacht bei ihrer Promotion bestätigen. "Sollten sich die Vorwürfe als zutreffend erweisen, frage ich mich, wie ausgerechnet die für Wissenschaft und Forschung zuständige Ministerin ihr Amt noch glaubwürdig ausüben will", sagte Roth dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Allein der Verdacht einer wissentlichen Täuschung wiege angesichts der Vorbildfunktion schwer. Schavan müsse "die von ihr selbst gesteckten Maßstäbe und die Kriterien seriöser Forschung besonders penibel erfüllen".
Quelle: ntv.de, wne/dpa