GroKo Reloaded? Schicksalswochen für die SPD
27.11.2017, 13:55 Uhr
(Foto: picture alliance / Christian Cha)
Die SPD stünde wohl bereit für eine Große Koalition. Die Sozialdemokraten sind trotz schlechtem Wahlergebnis in einer guten Verhandlungsposition. Trotzdem birgt der Weg noch einige schwierige Hürden.
Glaubt man Karl Lauterbach, dem SPD-Politiker mit der Fliege, dann stehen die Chancen für eine Große Koalition "50 zu 50". Eine Formel, die man während der Jamaika-Gespräche vor allem von Politikern der FDP oft gehört hat - was kein schlechtes Omen sein muss. Tatsächlich dürfte die Regierungsbildung jedoch noch eine ganze Weile dauern. Auf dem Weg dahin warten vor allem aus Sicht der Sozialdemokraten noch einige Hindernisse.
SPD-Vizefraktionschef Axel Schäfer will sich von der Union nicht unter Druck setzen lassen. "Wir haben eine so lange demokratische Tradition, dass wir uns von niemandem drängen lassen, uns schnell zu entscheiden. Wir stehen objektiv vor einer Zerreißprobe", sagt Schäfer n-tv.de. "Am Ende kann nicht stehen: Koalition gut, SPD tot." Zumindest der Anfang ist gemacht. Vor einer Woche hatte SPD-Chef Schulz noch seine Absage an ein Bündnis mit CDU und CSU erneuert. Am Freitag war davon nicht mehr viel übrig. Es gebe keinen Automatismus, so Schulz. Im Falle einer möglichen Regierungsbildung werde er die Mitglieder darüber abstimmen lassen.
Das aktuelle Stadium lässt sich als eine Art inoffizielle Vorsondierung beschreiben. Vor allem die Sozialdemokraten treten dabei offensiv auf. Der einflussreiche SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen formulierte in einem Schreiben an die Parteispitze selbstbewusst Bedingungen. Neben der Bürgerversicherung wird darin die Anhebung des Rentenniveaus, höhere Steuern auf große Vermögen, eine Reform der Einkommenssteuer und umfangreiche Investitionen in Bildung und Wohnung gefordert. Wenn die aktuelle Lage aus SPD-Sicht ein Gutes hat, dann das: Trotz des schlechten Wahlergebnisses ist die Partei in einer guten Verhandlungssituation. "Billig ist die SPD nicht zu haben", erklärt Vize Ralf Stegner.
Der Union dürfte klar sein, dass eine Große Koalition ohne große Zugeständnisse kaum zu haben sein wird. Fraktionschef Volker Kauder mahnte am Wochenende zur Zurückhaltung: "Wir sind hier jetzt nicht auf dem Jahrmarkt, wo es darum geht, herauszuschreien, was man möchte." Derweil halten einige Sozialdemokraten weiterhin andere mögliche Szenarien im Gespräch. Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken, sprach sich im Interview mit n-tv.de für eine Minderheitsregierung aus. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer wiederholte am Sonntag die Möglichkeit einer Duldung - was die Union jedoch ablehnt. Einige linke SPDler veröffentlichten ein Papier, in dem sie sich für eine Zusammenarbeit mit Grünen und Linken aussprachen. Die drei Parteien haben im Bundestag allerdings keine Mehrheit mehr.
SPD-Anhänger: 42 Prozent für Große Koalition
Tatsächlich sind die Lockerungsübungen für eine Große Koalition vorangeschritten. Die Rechtfertigungen sind vielfältig. "Die haben es nicht hinbekommen, deshalb müssen wir ran", heißt es. "Wir haben eine neue Situation" oder "Wir mögen die Große Koalition zwar nicht, aber in einer solchen Ausnahmesituation braucht es einen verantwortungsvollen Umgang." Intern ist die Marschroute klar: Wenn viele SPD-Inhalte umgesetzt werden, kann man kaum Nein sagen. Viel Dankbarkeit von den übrigen Parteien darf die Partei dabei kaum erwarten. "Im Falle von Schwarz-Rot wird die SPD den Zweitnahmen UPD, Umfallerpartei Deutschlands, bekommen", kündigte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch an.
Dabei gelang Schulz am Freitag zumindest ein kleiner Befreiungsschlag. Mit dem Mitgliedervotum verschafft er der Entscheidung über ein Bündnis die nötige Legitimität. Die Abstimmung weckt Erinnerungen an 2013, als 76 Prozent der Mitglieder für den ausgehandelten Koalitionsvertrag stimmten. Diesmal dürfte sich die Basis deutlich schwerer tun. Fraglich ist dabei, ob die Parteispitze ebenso offensiv um Zustimmung werben würde wie vor vier Jahren. Als sicher gilt, dass Schulz die Mitglieder erneut über den verhandelten Vertrag abstimmen lässt. Denkbar wäre auch ein zusätzliches Votum über den Gang in Koalitionsverhandlungen. "Ein Vorstandsbeschluss reicht nicht, wir brauchen mindestens einen Parteikonvent", sagt Schäfer.
Am Ende könnte eine GroKo am Widerstand der Basis scheitern. Einer Forsa-Umfrage zufolge ist die Zustimmung für eine Große Koalition unter SPD-Anhängern jedoch überdurchschnittlich groß. Demnach sind 42 Prozent für ein Bündnis mit CDU und CSU, 32 für eine schwarz-grüne Minderheitsregierung und 22 für Neuwahlen. Die Kanzlerin erklärte am Wochenende: "Es wäre wünschenswert, sehr schnell zu einer Regierung zu kommen - nicht nur zu einer geschäftsführenden." Eine rasche Einigung ist aber nicht in Aussicht. Der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil schließt eine Regierungsbildung 2017 aus, CDU-Vize Julia Klöckner rechnet erst 2018 mit ernsthaften Gesprächen.
Auf Schulz wartet noch vor den Sondierungen mit der Union eine weitere schwierige Etappe. Beim Parteitag in der kommenden Woche muss er die Genossen überzeugen, dass er nach wie vor der Richtige ist. Schulz stellt sich zur Wiederwahl, einen Gegenkandidaten gibt es bisher nicht. Intern gibt es jedoch viel Kritik am ungeschickten Agieren des Parteichefs in der vergangenen Woche. Nur: Sollte Schulz wie sein Vorgänger Sigmar Gabriel 2015 nur 74 Prozent holen, würden die Genossen sich selbst schaden. Schulz ginge dann geschwächt in die schwierigen Verhandlungen mit CDU und CSU.
Quelle: ntv.de