Albigs Schnellschuss "Schlagloch-Abgabe" ist Politik von gestern
22.04.2014, 12:42 Uhr
Albig setzt auf ein "zusätzliches nutzerfinanziertes System".
(Foto: picture alliance / dpa)
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig will Schlaglöcher auf Deutschlands Straßen stopfen - mit dem Geld der Autofahrer. Das klingt zunächst erstmal gerecht und sinnvoll. Ist es aber nicht.
Torsten Albigs Ruf nach einer "Schlagloch-Abgabe" is t ein perfektes Beispiel für einen politischen Schnellschuss. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein fordert von Autofahrern eine Sonderabgabe in Höhe von 100 Euro, die in die Instandsetzung der maroden Straßen in Deutschland fließen soll.
Das klingt zunächst einmal sinnvoll und gerecht. Gegen Albigs Wunsch, die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland auf Kosten derer zu ertüchtigen, die sie nutzen, lässt sich schließlich wenig einwenden. Eine Studie hat ja erst vor wenigen Tagen gezeigt, wie unzufrieden die Deutschen mit dem Zustand ihrer Straßen sind. Und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat berechnet, dass mehr als sieben Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich für die Infrastruktur benötigt werden. Und selbst diese Summe würde nur dafür reichen, das aufzuholen, was die Politik in den vergangenen Jahren versäumt hat. Bei einem genaueren Blick auf Albigs Lösungsvorschlag zeigt sich allerdings: Dem Sozialdemokrat war die kurzfristige Aufmerksamkeit für eine schmissige Forderung offensichtlich wichtiger als ein ausgereiftes Konzept.
Albigs Abgabe ist nichts anderes als eine Maut

Sollen Autofahrer für Straßenreparaturen extra zahlen?
Zunächst einmal dürfte Albigs Vorschlag den Wähler mächtig verwirren. Der Politiker spricht von einem "zusätzlichen nutzerfinanzierten System für den Erhalt unserer Infrastruktur". Noch schwurbeliger lässt sich kaum ausdrücken, was hinter seiner Abgabe tatsächlich steckt. Albigs "zusätzliches nutzerfinanziertes System" ist nichts anderes als eine Pkw-Maut. Das Politkauderwelsch ist allerdings noch das geringste Problem.
Dass Albig nicht von einer Maut spricht, hat nämlich einen Grund. Es soll nicht auffallen, dass er mit seinem Vorschlag den Kurs seiner Partei konterkariert. Die sperrte sich während der Koalitionsverhandlungen schließlich noch vehement gegen den Wunsch der CSU, eine PKW-Maut für Ausländer einzuführen. Albigs Vorgehen ist allerdings selbst seinen Genossen zu plump. Auch SPD-Politiker greifen ihn jetzt öffentlich an.
Als wäre das nicht genug, um als Musterbeispiel für einen politischen Schnellschuss herzuhalten, kommt noch ein entscheidender Punkt hinzu: Der Ruf nach der "Schlagloch-Abgabe" zeigt wieder einmal, dass es der Großen Koalition insgesamt an einer gemeinsamen Vision für die Verkehrsinfrastruktur Deutschlands fehlt.
Verkehrspolitik mit Weitblick sieht anders aus
Die Pkw-Maut-Wünsche der CSU setzen genauso wie Albigs "Schlagloch-Abgabe" falsche Anreize. Beide Konzepte orientieren sich an dem Maut-System Österreichs: ein fester Betrag für einen fixen Zeitraum. Das führt dazu, dass Vielfahrer genauso hohe Abgaben zahlen wie Menschen, die ihr Auto nur gelegentlich nutzen. Schon allein wegen der Klimabelastung ist das ein völlig unzeitgemäßer Ansatz.
Eine Verkehrspolitik mit Weitblick muss anders aussehen. Darin darf es nicht nur darum gehen, Schlaglöcher zu kitten. Sie sollte sich unter anderem darum bemühen, die Kosten für die Verkehrsinfrastruktur langfristig zu senken - mit zukunftsträchtigen Konzepten. Am naheliegendsten ist es, den Verkehr zu reduzieren. Statt über zusätzliche Abgaben nachzudenken, um ein veraltetes Verkehrskonzept zu erhalten, sollte sich die Koalition besser verstärkt Gedanken über Car-Sharing-Dienste, Anreize für Fahrgemeinschaften und den öffentlichen Nahverkehr machen. Einen Schlagloch-Fonds für Radwege hat auch noch niemand gefordert. Vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels kommt die Elektromobilität hinzu, bei der es Deutschland kaum schafft, einen funktionierenden Markt zu etablieren. Andere EU-Staaten sind da oft schon weiter.
Mit ihrem Koalitionvertrag hätte Schwarz-Rot in all diesen Punkten Akzente setzen können. Auch das wäre natürlich teuer geworden. Aber es ist ja nicht so, dass es keine Spielräume gegeben hätte. Die Koalition zog die Rente mit 63, die Mütterrente oder den Mindestlohn vor. Im Einzelfall müssen diese Schwerpunkte nicht einmal verkehrt sein, nur ist es wohlfeil, sich jetzt darüber zu beschweren, dass das Geld anderswo fehlt.
Quelle: ntv.de