Kreml sieht Schweden als Vorbild Selenskyj fordert "funktionierende Sicherheitsgarantien"
16.03.2022, 11:55 Uhr
"Wir können und müssen einen gerechten, aber fairen Frieden für die Ukraine aushandeln, echte Sicherheitsgarantien, die funktionieren", sagt Wolodymyr Selenskyj.
(Foto: dpa)
Taugt Schweden als Modell für die Ukraine? Das bringt jedenfalls nun der Kreml ins Spiel. Russlands Außenminister Lawrow nennt für Gespräche mit Kiew allerdings eine Forderung, auf die das Land kaum eingehen kann. Die Ukraine will derweil ein eigenes, ein "ukrainisches Modell" für den Frieden.
Der Kreml hält im Ukraine-Konflikt eine Neutralität des Nachbarlandes nach dem Vorbild Schwedens und Österreichs für möglich. "Das ist die derzeit diskutierte Option", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Dieses Neutralitäts-Modell könne "ein Kompromiss" sein. Ein solcher neutraler Status der Ukraine würde bedeuten, dass das Land auf einen Beitritt zur NATO verzichtet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Dienstag gesagt, dass sein Land "anerkennen" müsse, dem westlichen Militärbündnis nicht beitreten zu können.
Die Kiewer Führung hat russischen Äußerungen zu einer möglichen Neutralität nach dem schwedischen Vorbild derweil widersprochen. Was die Ukraine brauche, sei "ein mächtiger Pool an Unterstützern mit klar festgeschriebenen Sicherheitsgarantien", schrieb Präsidentenberater Mychajlo Poldoljak auf Telegram. Mit dem Verweis auf angebliche Kiewer Vorschläge für eine Neutralität nach schwedischem oder österreichischem Vorbild versuche Moskau nur, die Initiative in den Verhandlungen zu gewinnen.
"Kein schwedisches oder sonstiges Modell ..."
"Die Ukraine befindet sich in einem direkten Krieg mit Russland", sagte Podoljak. Deshalb brauche es kein schwedisches oder sonstiges Modell, sondern ein "ukrainisches": Sicherheitsgarantien von Partnern, die Waffen liefern, wenn das nötig sei, und den Himmel über der Ukraine schließen, wenn das Land aus der Luft angegriffen werde. Auch Selenskyj besteht auf verlässliche Sicherheitszusagen. "Wir können und müssen jetzt kämpfen. Wir können und müssen unseren Staat, unser Leben, unser ukrainisches Leben verteidigen. Wir können und müssen einen gerechten, aber fairen Frieden für die Ukraine aushandeln, echte Sicherheitsgarantien, die funktionieren", sagt er in einer Video-Ansprache.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte sich zuvor verhalten zuversichtlich über die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew geäußert. Die Gespräche seien aus offensichtlichen Gründen nicht einfach. "Dennoch besteht eine gewisse Hoffnung, einen Kompromiss zu erzielen", sagte Lawrow dem Sender der russischen Zeitung "RBK". Es gebe bereits konkrete Formulierungen, "die meiner Meinung nach kurz vor der Einigung stehen".
Dabei geht es Lawrow zufolge darum, dass sich die Ukraine für neutral erklären soll. Aber es gehe auch um Sicherheitsgarantien und eine Demilitarisierung der Ukraine sowie die Rechte der russischsprachigen Menschen in der Ukraine und die Sicherheit der Menschen im Osten des Landes. Eben jene Menschen im Osten des Landes, von denen viele russischsprachig sind, sind derzeit allerdings besonders von den russischen Angriffen betroffen. Auch hat die Ukraine wiederholt eine Demilitarisierung abgelehnt.
Gespräche gehen weiter
An diesem Mittwoch wollen Vertreter beider Länder ihre Gespräche im Online-Format fortsetzen. Nach der Runde vom Dienstag hatte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak von sehr schwierigen und zähen Verhandlungen gesprochen. Es gebe fundamentale Gegensätze, aber auch Raum für Kompromisse.
Der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski sagte der Agentur Interfax zufolge, die Gespräche gingen nur langsam voran. Hauptaufgabe sei es, "unter der großen Zahl komplexer Themen diejenigen auszumachen, auf die man sich einigen kann, (...) Schritt für Schritt, sich dem Ergebnis nähern".
Russland strebe einen Generationenvertrag an, sagte Medinski. "Wir brauchen eine friedliche, freie, unabhängige Ukraine, neutral - kein Mitglied von Militärblöcken, kein Mitglied der NATO, (...) einen Nachbarn, mit dem wir gemeinsame Beziehungen entwickeln können." Diese Vereinbarung müsse über Generationen halten, "damit auch unsere Kinder in einer Welt leben, deren Fundament durch diesen vertraglichen Prozess gelegt wird". Er zitierte angebliche Kiewer Vorschläge, wonach die Ukraine wie Schweden militärisch neutral sein könnte, aber mit eigener Armee.
Die Regierung in Kiew weist Moskaus Vorwürfe, sie stelle eine Gefahr für Russland dar, entschieden zurück. Für ukrainische Verbrechen an der russischen Minderheit im Land gibt es keine Belege.
Quelle: ntv.de, ghö/tno/dpa/AFP/rts