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Bürgergeld bei "Hart aber fair" "Sie wollen Sozialstaat nach Schlaraffenland machen"

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Woher kommt das Geld für den Sozialstaat? Da haben der CDU-Politiker Amthor und Grünen-Chefin Lang ganz unterschiedliche Ansichten.

Woher kommt das Geld für den Sozialstaat? Da haben der CDU-Politiker Amthor und Grünen-Chefin Lang ganz unterschiedliche Ansichten.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Die Unionsparteien wollen das Bürgergeld reformieren. Damit sind die Parteien der Ampel-Koalition nicht einverstanden. In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" diskutieren die Gäste über das Bürgergeld - und was daraus werden könnte.

Die Grünen-Parteichefin Ricarda Lang und der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor haben etwas gemeinsam. Ihre Mütter haben sie alleine erzogen. Beide wissen, wie es ist, wenn man sich nicht alles leisten kann, was man gerne gehabt hätte. Doch beide haben aus ihren Erfahrungen andere Lehren gezogen. Lang verteidigt die Anhebung des Bürgergeldes, und sie möchte nicht gerne über die Sanktionierung von "Totalverweigerern" sprechen, also Menschen, die sich weigern, zu arbeiten. Denn laut Bundesagentur für Arbeit sind das aktuell nur etwa 0,8 Prozent der arbeitsfähigen Bürgergeldempfänger. Theoretisch sieht das Amthor ähnlich: "Die CDU hat das C im Namen. Deswegen sind wir natürlich auch für einen funktionierenden Sozialstaat, der denen, die unverschuldet in Not geraten sind, auch hilft."

Lang entgegnet in der ARD-Talkshow "Hart aber fair": "Wenn ich auf den Sozialstaat schaue, dann schaue ich nicht zuerst auf die kleine Anzahl von Menschen, die ihn vielleicht missbrauchen könnten, sondern auf die große Anzahl von Menschen, die ihn brauchen." In der Sendung geht es unter anderem um die Frage, wie sinnvoll es ist, bestimmte Bürgergeldempfänger zu sanktionieren. Und darum, wie sich Bürgergeld verändern könnte, sollte die Union nach der nächsten Bundestagswahl wieder an die Regierung kommen. Dazu haben die Unionsparteien vor Kurzem einen neuen Entwurf vorgestellt. Es geht also noch nicht um ein Gesetz, und dass an dem Entwurf noch gearbeitet werden muss, lässt Amthor im Laufe der Sendung durchblicken.

Sanktionen beim Bürgergeld

Geklärt werden müsse zum Beispiel ein wichtiger Punkt: Die Union will Menschen, die einen zumutbaren Job nicht annehmen, das Bürgergeld entziehen. Doch was, wenn es sich zum Beispiel um einen Familienvater handelt, der auch eine Frau und Kinder versorgen muss? Wie sollen die über die Runden kommen, wenn der Mann sein Bürgergeld verliert? Da müsse man noch die gesetzlichen Möglichkeiten prüfen, erklärt Amthor.

Dennoch erklärt der Unions-Politiker: "Wir müssen schon zur Kenntnis nehmen, dass wir im Moment mit dem Thema Bürgergeld große gesellschaftliche Spaltungen in unserem Land haben und die Akzeptanz dieses Sozialstaates arg gefährdet ist." Da gibt ihm Lang im Prinzip recht. Allerdings sei es gerade die Union, die diese Debatte anheize, sagt die Grünen-Chefin, die Amthor Populismus vorwirft.

Was ist Bürgergeld?

5,5 Millionen Menschen beziehen aktuell Bürgergeld. 38 Prozent von ihnen stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Der Rest ist arbeitsunfähig, in einer Ausbildung oder in einem Studium, oder pflegt Angehörige. Der Staat zahlt ihnen im Moment 563 Euro im Monat, dazu die Kaltmiete und einen Anteil der Heizrechnung. Bestimmte Menschen haben Ansprüche auf Mehrbedarf, wissen es aber oft nicht. Das gilt zum Beispiel, wenn sie bei gewissen chronischen Erkrankungen wie Diabetes eine bestimmte Diät brauchen.

Die Unionsparteien wollen zunächst weg von dem Begriff Bürgergeld. Das soll "neue Grundsicherung" heißen. Neben der härteren Sanktionierung von Totalverweigerern möchte sie das "Schonvermögen" herabsetzen. Das ist die Summe ersparten Geldes, die man als Bürgergeldempfänger noch besitzen darf. Bei Hartz IV lag der Grundfreibetrag bei 150 Euro je vollendetem Lebensjahr. Wer also mit 50 Jahren Hartz IV bekommen wollte, musste sein gesamtes erspartes Geld aufgeben - bis zu einer Summe von 7500 Euro. Die Ampel-Koalition hat diese Summe für Bürgergeldempfänger auf 40.000 Euro erhöht. Wie viel Geld die Union einem Empfänger ihrer neuen Grundsicherung zugesteht, ist unbekannt. Überhaupt kommt der Entwurf der Union im Moment noch völlig ohne Zahlen aus. Selbst über die monatliche Höhe der neuen Grundsicherung schweigt sie sich bisher aus.

Vermitteln statt qualifizieren?

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger von der SPD kritisiert besonders diesen Teil des Unions-Entwurfs. Schon unter Hartz IV sei es falsch gewesen, den Empfängern ihre gesamte Altersvorsorge zu nehmen, sagt sie. Allerdings dürfe der Sozialstaat auch nicht naiv sein. Deswegen spricht sie sich für Sanktionen aus, wenn sich jemand nicht an die Regeln halte und das System ausnutze. "Aber was nicht entstehen sollte, ist ein Bild, das diese wenigen sozusagen für die ganz vielen zeichnen, denn ganz viele müssen qualifiziert und nicht unbedingt mit Sanktionen überzogen werden. Wir wollen sie in den Arbeitsmarkt bringen, und dafür fehlen ganz oft die Qualifikationen, und da ist natürlich das Hauptaugenmerk beim Bürgergeld."

Aber nicht bei der Unions-Reform. Das kritisiert Grünen-Chefin Lang: "Der große Kern des neuen Bürgergeldes setzt mehr als bisher auf Fort- und Weiterbildung. Die CDU hat in ihrem Papier stehen: vermitteln, vermitteln, vermitteln. Das hatten wir vorher, das war der Drehtüreffekt, den keiner wollte, weil die Leute nicht so qualifiziert angekommen sind, wie wir sie brauchten." Hier fehlen Amthor die Argumente.

"Irgendwo muss das Geld ja herkommen"

Dennoch hält er an seiner Meinung fest: Die Sozialleistungen müssen reformiert werden, und sie dürften vor allem nicht steigen. Denn: "Irgendwo muss das Geld ja herkommen", sagt Amthor. Das Problem sei, dass dem Sozialstaat das Geld langsam ausgehe, das er verteilen wolle. Grund sei die schlechte Wirtschaftspolitik der Ampel-Regierung. Das mag Rehlinger nicht so stehen lassen: Sie wirft dem CDU-Politiker vor: "Sie wollen Sozialstaat nach Kassenlage machen. Das kann sich ein Sozialstaat, ein Rechtsstaat überhaupt nicht leisten."

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"Sie wollen Sozialstaat nach Schlaraffenland machen. Das ist der Unterschied", kontert Amthor. Er erwecke den Eindruck, man könne wirtschaftliche Entwicklung gegen den Sozialstaat ausspielen, wirft Rehlinger Amthor vor. Man brauche wirtschaftliche Entwicklung, um Sozialleistungen zu zahlen, erwidert der. Man brauche beides gleichermaßen, lenkt Rehlinger ein. "Und da sind wir alle gefordert, dafür zu sorgen in Zeiten des Umbruchs, Menschen nicht noch dadurch zu verunsichern, dass man ihnen nicht mehr zusagen kann, dass der Sozialstaat ihnen gibt, was sie brauchen, falls sie mal unverschuldet in Not geraten."

Am Ende entsteht der Eindruck: Es würde schwierig, aber mit etwas gutem Willen könnten sich die drei Parteien auf einen Kompromiss beim Bürgergeld einigen - falls jeder bereit wäre, auf einen Teil seiner Forderungen zu verzichten.

Quelle: ntv.de

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