Nur fordern, nicht fördern Die Bürgergeld-Pläne der CDU schaden auch Arbeitnehmern


CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann stellt kürzlich die Bürgergeld-Reformen der CDU vor.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wer sich weigert, einen Job anzunehmen, soll laut CDU kein Bürgergeld mehr bekommen. Es ist das Kernanliegen eines Vorstoßes zur Reform des Sozialstaats. Das ist nicht nur gefährlich für Betroffene, sondern auch für viele Berufstätige.
Seit seiner Einführung wettert die CDU gegen das Bürgergeld. Dass sie einen Plan mit weitreichenden Reformen vorlegt, ist also wenig überraschend. Und trotzdem: der Vorstoß gibt einen kleinen Ausblick auf die Zukunft des Sozialstaats unter einer Merz-CDU. So würden etwa die Sanktionsmaßnahmen deutlich schärfer ausfallen, was für Betroffene massive Folgen hätte. Doch auch Arbeitnehmer bekämen dann Nachteile zu spüren. Gewinner wären lediglich die Arbeitgeber.
"Wer arbeiten kann, aber nicht arbeiten geht, bekommt zukünftig keine Unterstützung mehr", sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der "Bild"-Zeitung beim Werben für die Bürgergeld-Pläne. Demnach sollen Empfänger, die eine "zumutbare" Arbeit ablehnen, sogenannte Totalverweigerer, künftig kein Geld mehr bekommen, im Grunde eines der Kernanliegen. Vonseiten der Grünen und der SPD gibt es dafür ordentlich Kritik. "Der Union fällt nie etwas anderes ein als Angriffe auf den Sozialstaat", sagt etwa SPD-Chef Lars Klingbeil und verweist auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherung des Existenzminimums.
Dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ebenfalls eine Streichung für "Totalverweigerer" fordert, der entsprechende Gesetzentwurf bereits vom Kabinett abgenickt ist, ist dabei mindestens interessant. Die CDU ist jedoch radikaler. Anders als Heil fordert sie für Betroffene eine 100-prozentige Kürzung, Geld für Miete und Strom würden also wegfallen. Gut durchdacht ist die Idee aber nicht.
Nur wenig Betroffene
Mal abgesehen davon, dass eine Vollstreichung rein rechtlich nicht zulässig ist, laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht einmal eine 60-prozentige, sprechen auch die Zahlen nicht für einen derart drastischen Schritt. Nur rund 13.800 Menschen sollen wegen Weigerung der Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses laut der Tagesschau in den ersten elf Monaten 2023 eine Minderung erhalten haben. 5,5 Millionen Menschen waren im selben Zeitraum bürgergeldberechtigt. Umgerechnet entspricht der Anteil der Weigerer 0,25 Prozent. Außerdem gibt es viele Gründe für eine Weigerung oder auch einen verpassten Termin beim Jobcenter. Ein Beispiel wären psychische Probleme. Eine helfende Hand wäre hier sinnvoll, keine Ohrfeige. Der CDU ist das aber offenbar egal.
Bleibt also das Warum.
Warum eine Maßnahme vorschlagen, die nicht viele Menschen trifft? Vielleicht, um das chauvinistische Bild des faulen Arbeitslosen voranzutreiben. Warum eine Maßnahme vorschlagen, die bereits vor Monaten Thema war? Vielleicht, weil Heils Vorstoß den Christdemokraten nicht weit genug geht. Und besonders wichtig: Warum eine Maßnahme vorschlagen, die den Sozialstaat abschwächt? Sehr wahrscheinlich, um die Arbeitgeberseite zu stärken.
Denn Arbeitnehmern, besonders in mies bezahlten Jobs, ermöglicht ein starker Sozialstaat, für sich einzustehen, höhere Löhne zu verlangen - oder weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Kaum einer käme aber auf die Idee zu murren, wenn nicht nur das soziale Netz marode ist, sondern wenn auch noch die Gefahr besteht, in einen noch mieseren Job gezwungen zu werden. Denn Teil der Wahrheit ist auch, dass es für eine "zumutbare" Arbeit keine richtige Definition gibt, sie ergo besonders unwürdige Bedingungen vorweisen könnte. Gleichzeitig werden sich diese aber nicht ändern, wenn es dank mangelhafter Sozialpolitik, wie sie die CDU anstrebt, stets Nachschub für offene Stellen in den entsprechenden Jobs gibt. Gut für die Arbeitgeber, schlecht für Arbeitnehmer.
Quelle: ntv.de