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Abgelehnte Asylbewerber So soll Ausreisepflicht durchgesetzt werden

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Abgelehnte Asylbewerber am Flughafen Leipzig-Halle (Archivbild).

Abgelehnte Asylbewerber am Flughafen Leipzig-Halle (Archivbild).

(Foto: dpa)

Ein neues Gesetz soll dafür sorgen, dass mehr abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden. Kritiker sagen, Deutschland werde vom Aufnahmeland zum Abschiebeland umgebaut.

Die Bundesregierung hat das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" beschlossen. Ziel des Gesetzes ist, den Druck auf abgelehnte Asylbewerber zu erhöhen sowie potenziell gefährliche Ausländer besser zu überwachen und früher abzuschieben.

Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung habe zwei Seiten, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei der Vorstellung des Vorhabens. "Diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben, diejenigen, die schutzbedürftig sind, sollen integriert werden. Diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wird, die keinen Flüchtlingsstatus bekommen, sollen unser Land wieder verlassen. Beide Seiten gehören zusammen, beide Seiten bedingen einander."

Das nun beschlossene Gesetz, das noch vom Bundestag verabschiedet werden muss, sei "ein wichtiges Zeichen für die Geschlossenheit der Bundesregierung", so der CDU-Politiker weiter. Einen ersten Entwurf für ein solches Gesetz hatte de Maizière bereits im vergangenen Herbst vorgelegt. Eine Einigung innerhalb der Koalition sowie mit den Bundesländern kam allerdings erst in diesem Jahr zustande. Anstoß für einige der künftigen Regelungen war der Fall des Tunesiers Anis Amri, der den Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin begangen hat.

Was ist konkret geplant?

Der Gesetzentwurf enthält eine Vielzahl von Einzelregelungen:

  • Künftig sollen abgelehnte Asylbewerber leichter in Abschiebehaft genommen werden können, wenn "eine erhebliche Gefahr" von ihnen ausgeht.
  • Stärker als bisher sollen Ausreisepflichtige, die als potenziell gefährlich gelten, überwacht werden. Im Gesetz heißt es, diese Personen sollten auf richterliche Anordnung verpflichtet werden können, "die für eine elektronische Überwachung seines Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand am Körper bei sich zu führen". Gemeint ist eine Fußfessel.
  • Für Asylbewerber, die falsche Angaben über ihre Identität machen, können künftig "räumliche Beschränkungen" angeordnet werden. Sie dürfen dann den Bezirk der für sie zuständigen Ausländerbehörde nicht mehr verlassen.
  • Ausländer, die jahrelang in Deutschland geduldet wurden, sollen künftig ohne Ankündigung abgeschoben werden können. Bislang musste die Abschiebung mindestens einen Monat vorher angekündigt werden.
  • Der sogenannte Ausreisegewahrsam wird von derzeit maximal 4 auf bis zu 10 Tage verlängert (die Dauer der Abschiebehaft bleibt unverändert bei 6, in Einzelfällen 12 Monaten).
  • Die Bundesländer dürfen künftig den Zeitraum verlängern, den ein Flüchtling in einer Erstaufnahmeeinrichtung verbringen muss. Derzeit sind es maximal 6 Monate.
  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erhält das Recht, die Daten von Handys und anderen Datenträgern von Flüchtlingen auszuwerten, um ihre Identität zu überprüfen und ihre Staatsangehörigkeit festzustellen.

Auf die Frage, ob auch der Reiseweg eines Flüchtlings ermittelt werden solle, um ihn dann den Dublin-Regeln entsprechend zurück in den EU-Staat zu schicken, durch den er möglicherweise eingereist ist, sagte de Maizière: Zur Feststellung der Identität gehöre natürlich auch die Feststellung der Reisewege, "aber die soll nicht durch das Handy ausgewertet werden".

Wie viele Menschen sind betroffen?

Dem Gesetzentwurf zufolge befanden sich am 31. Januar 213.439 "vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer" in Deutschland. Laut Innenministerium kehrten 2016 rund 55.000 Menschen freiwillig in ihre Heimatländer zurück, circa 25.000 Personen wurden abgeschoben.

Auch weiterhin soll die Priorität auf der Förderung der freiwilligen Ausreise liegen, sagte de Maizière. Das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" sei jedoch wichtig, weil es im kommenden Jahr voraussichtlich eine hohe Zahl von Ablehnungen geben werde. 2016 wurden gut 720.000 Asylanträge gestellt. Über knapp 700.000 Anträge wurde entschieden, abgelehnt wurden rund 38 Prozent; 2015 waren es rund 50 Prozent.

Was sagen die Kritiker?

Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl soll mit dem Gesetz "ein weiterer Schritt unternommen werden, um Deutschland vom Aufnahmeland zum Abschiebeland umzubauen". Insgesamt drohe "eine Brutalisierung der Abschiebepraxis", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte, dass das Bamf Zugriff auf die Handy-Daten von Flüchtlingen erhalten soll. "Handys und Computer gehören zu dem besonders schützenswerten Bereich der Privatsphäre", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Inzwischen jedoch würden "Grundrechte im Minutentakt auf dem Altar der Inneren Sicherheit geopfert - bevorzugt bei Geflüchteten".

Zwanzig Verbände, darunter das Deutsche Kinderhilfswerk, SOS Kinderdorf und Unicef Deutschland, fordern in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass Kinder und Jugendliche vom längeren Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen ausgenommen werden. Kinder und Jugendliche sollten "so kurz wie möglich in Flüchtlingseinrichtungen untergebracht werden", da sie dort keinen Zugang zu Schulen und keine Rückzugsorte hätten.

Was ist mit Afghanen?

Über Abschiebungen nach Afghanistan sagt der jetzt beschlossene Gesetzentwurf nichts aus. De Maizière wollte sich heute zu dem Thema auch nicht äußern.

Am Montag hatte der Minister in der ARD gesagt, Abschiebungen in "kleinem Umfang" nach Afghanistan seien verantwortbar. Die Taliban würden ihre Anschläge gegen Repräsentanten des Staates richten. "Normale, zivile Bevölkerung ist zwar Opfer, aber ist nicht Ziel von Anschlägen der Taliban, und das ist ein großer Unterschied."

Die Opposition im Bundestag sowie einige Landesregierungen sehen das anders. Das rot-grün regierte Schleswig-Holstein hat einen Abschiebestopp für Afghanen erlassen. Andere Bundesländer, in denen SPD, Grüne und/oder Linke regieren, wollen nur noch in Ausnahmefällen nach Afghanistan abschieben, darunter Berlin, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind im vergangenen Jahr 67 Afghanen in ihr Heimatland abgeschoben worden. Mehr als 3300 gingen freiwillig zurück.

Quelle: ntv.de

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