"Bayerns Antwort auf Boris Johnson" Söders Brexit-Rechnung stößt auf Kritik
30.06.2016, 16:41 Uhr
Wie viel kostet der Brexit? Viel für Deutschland, meint Markus Söder.
(Foto: dpa)
Ein großes Rätselraten ist die Zukunft Großbritanniens in der EU. Nur einer will schon wissen, was auf Deutschland zukommt: Markus Söder. Deutschland müsse dann zahlen, sagt er. Kritiker sprechen von einem Griff in die "populistische Mottenkiste".
Bayerns Finanzminister Markus Söder hat mit Äußerungen über mögliche Kosten des Brexit für Deutschland scharfe Kritik ausgelöst. SPD und Grüne warfen dem CSU-Politiker vor, sich auf Kosten der EU profilieren zu wollen, weil er bereits jetzt eine Kürzung des EU-Haushalts fordert. "Das ist die bayerische Antwort auf Boris Johnson", sagte Jens Geier von der SPD, Vize-Vorsitzender des Haushaltsausschusses im EU-Parlament, in Anspielung auf den konservativen britischen Brexit-Befürworter. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf Söder vor, "falsche Behauptungen der Europafeinde zu übernehmen".
Hintergrund der Debatte ist, dass Großbritannien bisher drittgrößter Nettozahler der EU ist, also mehr in die EU-Kasse einzahlt, als es daraus erhält. Söder hatte in der "Welt" auf die Frage, was der Brexit Deutschland kosten werde, gesagt: "Das ist schwer zu beziffern. Die Rede ist von einer Milliarde zusätzlicher Beitragszahlungen, die auf uns zukommen könnten." Deutschland müsse darauf achten, dass nach einem Brexit nicht einfach die bisherigen britischen Zahlungen auf Deutschland und die übrigen Netto-Zahlerländer übertragen würden. Vielmehr sollte das fehlende britische Geld durch Sparen kompensiert werden. Schließlich habe die EU in den vergangenen Jahren immer mehr ausgegeben. "Wer Europa dadurch stabilisieren will, dass Deutschland für andere mehr zahlt, gefährdet auf Dauer auch die Akzeptanz der EU in Deutschland."
"Schürt nationalistische Egoismen"
"Söder schürt genau die nationalistischen Egoismen, gegen die wir Europa verteidigen müssen", sagte Hofreiter. Der bayerische Finanzminister greife mit dem schiefen Bild des Nettozahlers wieder in die "populistische Mottenkiste". Denn niemand profitiere so wie Deutschland vom EU-Binnenmarkt.
Der SPD-Europapolitiker Geier sagte, bisher sei völlig unklar, wie und in welcher Form und Höhe Großbritannien weiter am EU-Haushalt beteiligt sei. Zudem sei der EU-Finanzrahmen 2014 bis 2020 im Vergleich zum vorigen Zeitraum niedriger. "Der EU werden immer mehr Aufgaben aufgebürdet, die aus dem laufenden Haushalt bestritten werden müssen", sagte er. "So müssen die Kosten für den neuen gemeinsamen Grenz- und Küstenschutz geschultert werden, obwohl dazu eigentlich die Mittel fehlen."
"Das ist ein ziemlich törichter Versuch von Herrn Söder, sich beim Brexit zu profilieren", kritisierte auch der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs. Niemand wisse heute, wie und wann genau der Ausstieg überhaupt ablaufen werde. "Wenn die Briten wie angekündigt weiter am Binnenmarkt teilhaben wollen, werden sie dafür eine erhebliche Kompensation zahlen müssen, ähnlich wie die Norweger", sagte Kahrs. Zudem würden sie auch den bisherigen Briten-Rabatt verlieren. "Herr Söder bleibt sich mit seinem EU-Bashing zur Unzeit treu: Die eigene Profilierung geht immer vor dem Gemeinwohl. Genau das gefährdet das gemeinsame Projekt Europa. Das konnten wir gerade in London beobachten."
Quelle: ntv.de, mli/rts