Politik

Erstes Duell Merkel/Steinbrück Spiel, Satz und Sieg

Das erste Aufeinandertreffen von Merkel und Steinbrück als Redner im Bundestag.

Das erste Aufeinandertreffen von Merkel und Steinbrück als Redner im Bundestag.

(Foto: dapd)

Ein Jahr vor der Bundestagswahl liefern sich Kanzlerin und Kandidat ein Rededuell im Bundestag. Merkel erklärt, sie wünsche sich, dass Griechenland im Euroraum bleibt. Steinbrück wünscht sich das auch - und dennoch ist seine Rede eine vollständig andere. Am Ende gibt es einen klaren Sieger.

Um es kurz zu machen: Das erste Rede-Duell im Bundestag von Bundeskanzlerin und Herausforderer endete eins zu null für Peer Steinbrück.

Die Rede des designierten Kanzlerkandidaten war einfach besser als die von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Steinbrück attackierte Merkel, sparte sich aber aggressive Rhetorik. Er sezierte ihren Schlingerkurs in der Eurokrise, zählte ihre Versäumnisse auf, machte deutlich, wie wenig die Kanzlerin bereit ist, offensiv für einen pro-europäischen Kurs zu kämpfen.

Genau dieses Versäumnis konnte man zuvor besichtigen: in Merkels Regierungserklärung zum EU-Gipfel, der an diesem Donnerstag und Freitag stattfindet. Merkel dankte zwar SPD und Grünen für ihre Unterstützung in der Europapolitik, schien weite Teile ihrer Rede aber eher an die Abgeordneten ihrer Koalition zu richten. Was schon an ihrer Blickrichtung zu erkennen war: Merkel schaute nach rechts, zu ihren Leuten, kaum in die linke Mitte, wo Steinbrück zwischen SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier saß.

Steinbrück dagegen wandte sich direkt an die Kanzlerin. Er beginnt seine Rede ebenso präsidial wie Merkel, spricht wie sie zunächst über die Nobelpreisverleihung an die Europäische Union. Der Preis erinnere daran, so Steinbrück, "dass Europa weit mehr ist als ein Wechselbalg der Ratingagenturen". Seine Zustimmung leitet über zum Grundmotiv der sozialdemokratischen Kritik an Merkel: "Ja, Frau Bundeskanzlerin, was Europa zu bieten hat, ist einmalig auf der Welt ... Aber diese Rede und diese Beschreibung Europas, die hätten Sie schon vor zwei Jahren geben müssen!"

Merkel: Manches ist bereits geschafft

Und immer wieder der beschwörende Blick nach rechts. Dort sitzen die Abgeordneten der Koalition.

Und immer wieder der beschwörende Blick nach rechts. Dort sitzen die Abgeordneten der Koalition.

(Foto: dapd)

Sein Lob bezieht Steinbrück nicht nur auf Merkels Freude über den Friedensnobelpreis, sondern auch auf ihr Bekenntnis zu Griechenland. "Ich wünsche mir, dass Griechenland im Euroraum bleibt", hatte sie in ihrer Regierungserklärung gesagt. Dies sei im Interesse Griechenlands, im Interesse der Eurozone und der Europäischen Union.

Einen Vorschlag bringt sie in ihrer Rede unter, über den noch diskutiert werden dürfte: Statt einer gemeinsamen Haftung für nationale Schulden regt die Bundeskanzlerin einen Fonds an, mit dem Reformen unterstützt werden könnten. So könne "ein neues Element der Solidarität" eingeführt werden. Sie weiß auch, wie sie diesen Fonds der Opposition schmackhaft machen kann: Finanziert werden könnte er über Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer. Ihr Koalitionspartner FDP hält von der Einführung einer solchen Steuer wenig, doch das kümmert Merkel bekanntlich nicht. Elf EU-Staaten hätten sich bislang bereit erklärt, eine Finanzmarktsteuer einzuführen. "Das ist eine gute Nachricht."

Der Rest ihrer Rede hat viel von Wir-sehen-Licht-am-Ende-des-Tunnels. Merkel betont, den Menschen in Griechenland, Spanien und den anderen Schuldenstaaten werde "außerordentlich viel" abverlangt. Es gebe zwar Fortschritte, etwa in Irland. Dennoch sei der Reformweg noch lange nicht zu Ende. "Manches ist bereits geschafft. Wir können die Konturen einer Stabilitätsunion bereits deutlich erkennen."

Auch Steinbrück blickt nach rechts - zur Kanzlerin.

Auch Steinbrück blickt nach rechts - zur Kanzlerin.

(Foto: Reuters)

Und Merkel spricht über Wachstum. Wachstum entstehe aus unternehmerischer Tätigkeit, unternehmerische Tätigkeit entstehe aus der notwendigen Flexibilität, daher seien Reformen notwendig. Die, siehe oben, mit einem Solidaritätsfonds unterstützt werden könnten.

Erster Vorwurf: Zwei Jahre nichts getan

Auch für Steinbrück ist Wachstum der Schlüssel. Ohne Wachstum sei kein dauerhafter Schuldenabbau möglich. Der Bundesregierung wirft er vor, das Ausmaß der Krise ignoriert zu haben: Merkels Fehler sei, dass sie die Krise lange nur für eine Schuldenkrise gehalten habe. Sie sei aber auch eine Finanzmarkt- und Bankenkrise. "Aus einer einseitigen Krisenanalyse folgt eine einseitige Therapie: Sparen, sparen, sparen", ruft Steinbrück. Nötig sei ein echter Wachstums- und Beschäftigungspakt für Europa. Denn: "Not frisst Demokratie!"

Es habe zwei Jahre gedauert, bis Merkel eingesehen habe, dass ein Wachstums- und Beschäftigungspakt notwendig sei. Doch auch nach den entsprechenden Beschlüssen im vergangenen Sommer sei "sehr wenig, um nicht zu sagen gar nichts geschehen".

Lernfähigkeit gesteht Steinbrück der Koalition durchaus zu. Er lobt, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte, es werde in Griechenland keinen Staatsbankrott geben. Selbst FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle schließe nun nicht mehr aus, dass es für Griechenland einen zeitlichen Aufschub geben könne. "Ja, um Himmels Willen, Frau Bundeskanzlerin, warum haben Sie ein solches Bekenntnis zu einem Verbleib von Griechenland nicht im Sommer 2010 abgegeben?!"

Zweiter Vorwurf: Doppelspiel und Schweigen

Steinbrücks zweiter Vorwurf gegen Merkel: Sie spiele ein "Doppelspiel". Merkel wolle die Euroskeptiker nicht verprellen. Sie wolle auf einer Stimmungswoge surfen, ohne in sie einzutauchen. Daher habe sie nicht widersprochen, als die Koalition "in diesem Sommer monatelang ein Mobbing gegen Griechenland betrieben hat". Namentlich nennt Steinbrück CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, den bayerischen Finanzminister Markus Söder, aber auch die FDP-Politiker Philipp Rösler, Rainer Brüderle und Patrick Döring. Vor drei Wochen habe Merkel Altkanzler Helmut Kohl geehrt, so Steinbrück. "Weder Helmut Kohl noch einer seiner Vorgänger hätte zugelassen, einen europäischen Nachbarn für derartige innenpolitische Händel zu missbrauchen."

Indirekt wirft Steinbrück Merkel vor, Angst vor der Wahrheit zu haben. "Deutschlands Zukunft ist Europa, und in diese Zukunft werden wir investieren müssen, genau so, wie wir in die Wiedervereinigung investiert haben." Dies den Menschen zu sagen, sei Merkels Pflicht. Auch für Griechenland werden weitere Hilfen fließen müssen. "Sagen Sie es endlich, sagen Sie es endlich den Menschen!"

Doch Merkel schweigt, sie kann nicht anders, denn das Duell ist ja keines. Doch wie so oft spricht ihre Mimik Bände. Anfangs guckt sie regelrecht verunsichert, später gewinnt sie ihre Fassung zurück und versucht sich an einem verächtlichen Blick. Am Ende wirkt sie erleichtert, als die Rede vorbei ist. Viel unangenehmer als Steinbrücks Rede kann der EU-Gipfel, zu dem sie nun aufbricht, auch nicht werden.

Quelle: ntv.de

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