Wie der Kanzlerkandidat im Osten auf Stimmenfang geht Steinbrück schwingt die SED-Keule
04.07.2013, 17:26 Uhr
Nur 17 Prozent der ostdeutschen Wähler würden sich für Steinbrück entscheiden.
(Foto: dpa)
Eigentlich will Peer Steinbrück seine Umfragewerte in Ostdeutschland verbessern. In einem Interview lobt er das "positive Erbe der DDR". Doch dann sorgt der Kanzlerkandidat wieder für Ärger. Schuld ist ein Satz mit einem problematischen Vergleich.
Ende Juni offenbart Peer Steinbrück eine fundamentale Wissenslücke. Welche Fragen er bei "Wer wird Millionär" schwieriger findet: die ersten oder die letzten vier? Der SPD-Kanzlerkandidat hätte vieles antworten können. Dass das Quiz mit Günther Jauch seit Jahren von Millionen Deutschen verfolgt wird, dürfte ihm nicht entgangen sein. Doch er entschied sich gegen die Notlüge und antwortete: "Ich habe die Sendung noch nie gesehen." Wahrscheinlich ist das die Wahrheit, aber kann dieser Mann Bundeskanzler? Auweia.
Jetzt hat Steinbrück schon wieder zugeschlagen. In einem Interview mit der "Zeit" spricht er über den Umgang mit den Bürgern aus den neuen Bundesländern nach 1989. Steinbrück sagt: In der früheren DDR seien Leute mit derselben Selbstverständlichkeit in die SED eingetreten, "mit der man in Bayern in die CSU eintrat oder im Ruhrgebiet in die SPD". Ob er sich damit einen Gefallen getan hat? Wohl kaum.
CDU-Geschäftsführer Hermann Gröhe nahm die Vorlage des Kanzlerkandidaten jedenfalls dankbar auf. "Der Vergleich von SED mit CSU und SPD ist ungeheuerlich. Er verharmlost die DDR-Diktatur", schrieb er bei Twitter.
"Nicht wahnsinnig klug"
Bei den Mitgliedern der SPD dürfte dies nicht gerade für Erheiterung sorgen. Steinbrücks erneuter Ausrutscher lenkt ab vom politischen Tagesgeschäft, von der Auseinandersetzung mit der NSA-Spionage, Whistleblower Edward Snowden und den Unruhen in Ägypten. Erst vor zwei Wochen hatte der öffentliche Streit zwischen Steinbrück und Parteichef Sigmar Gabriel für Unruhe gesorgt. So kurz vor der Wahl fürchten die Genossen jede neue Debatte um ihren Kanzlerkandidaten. Aus der Parteispitze will sich daher niemand zu dem kruden SED-Vergleich äußern. Die Partei steht in den Umfragen teilweise immer noch deutlich unter 25 Prozent. Die Situation ist heikel genug.
Nicht nur Mitglieder der bayrischen CSU und der nordrhein-westfälischen SPD nehmen Steinbrücks Worte verwundert zu Kenntnis. "Vor dem Hintergrund, dass er Kanzlerkandidat ist, war es nicht wahnsinnig klug, so etwas zu sagen", sagt Markus Meckel n-tv.de. Meckel war in der DDR 1989 einer der Gründer der SDP, der Vorläuferpartei der SPD. Im Kabinett von Lothar de Maizière war er der letzte DDR-Außenminister. "Die Gefahr von Missverständnissen ist zu groß", sagt er. Denn die Aussage könne so ausgelegt werden, als würde Steinbrück den Eintritt in die SED mit dem in CDU und SPD gleichsetzen. Meckel räumt aber ein: "Wenn es darum geht, einer Partei aus Karrieregründen beizutreten, dann liegt er sicherlich nicht so falsch."
Land unter im Osten
Steinbrück hat ein Problem, dass schon andere Kanzlerkandidaten vor ihm hatten: In den neuen Bundesländern steht er in der Wählergunst laut einer Forsa-Umfrage besonders schlecht da. Merkel liegt hier mit 66 Prozent noch deutlicher vor Steinbrück (17 Prozent) als in Deutschland insgesamt. Hier würden sich 56 Prozent für die Kanzlerin und 19 Prozent für ihren Herausforderer entscheiden.
Das Interview mit der "Zeit" war von Steinbrücks Beratern daher wohl kalkuliert. In dem Gespräch erzählt der Kanzlerkandidat, wie er in den 80er Jahren in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin gearbeitet hat. Ausdrücklich lobt er die Kinderbetreuung und die hohe Quote berufstätiger Frauen als das "positive Erbe der DDR". Ihm sei erst spät klar geworden, dass "wir alle nach 1989 wahrscheinlich sehr viel mehr Verständnis" hätten aufbringen müssen. "Zum Beispiel dafür, dass Leute Mitglieder in der SED geworden sind." Doch tatsächlich dürfte bei den meisten Lesern etwas anderes in Erinnerung bleiben: Wie Steinbrück den Eintritt in die Staatspartei einer Diktatur mit dem in SPD und CSU vergleicht.
Das Pech- und Pannen-Image
Ob er seine Wahlchancen in Ostdeutschland damit verbessert hat? "Es wird ihm im Osten nicht helfen und im Westen auch nicht", sagt Peter Matuschek, der Leiter der Politik- und Sozialforschung des Forsa-Instituts. Stattdessen würde sich die jüngste Äußerung "in die Reihe von Ungeschicklichkeiten einreihen". Matuschek: "Das Bild von Steinbrück hat sich bei den Menschen längst festgesetzt. Die Frage ist, ob er das jetzt überhaupt noch ändern kann." Egal ob seine Vortragshonorare, Äußerungen zum Kanzlergehalt, Fünf-Euro-Wein oder den italienischen "Clowns" Grillo und Berlusconi: Das Pech- und Pannen-Image ist er seit seiner Nominierung nie wirklich los geworden.
Steinbrück ist nicht der erste, der im Zusammenhang mit Äußerungen über die neuen Bundesländer in Schwierigkeiten gerät. 2002 hatte der Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber gesagt, er wolle nicht, dass "erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird". Es dürfe nicht sein, "dass letztlich die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands entscheiden dürfen". Im Gegensatz zu Stoiber versucht Steinbrück im Osten der Republik zwar offenbar Sympathien zu sammeln, aber ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem zurück.
Quelle: ntv.de