Justiz-Eklat in Hamburg Streit um Anklage gegen Gysi eskaliert
20.05.2015, 20:24 Uhr
Seit 23 Jahren wehrt sich Gysi erfolgreich gegen Vorwürfe von Medien, er habe mit der Stasi kooperiert und Mandanten verraten oder ausspioniert.
(Foto: dpa)
Bei den Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gysi, kommt es zu einem in der deutschen Justiz einmaligen Eklat. Der Generalstaatsanwalt fordert eine Anklage, die ein Beamter verweigert.
Bei der Untersuchung von Stasi-Vorwürfen gegen den Linken-Politiker Gregor Gysi ist in der Hamburger Justiz Streit über das weitere Vorgehen ausgebrochen. Der Generalstaatsanwalt der Hansestadt habe die Weisung erteilt, Gysi anzuklagen - wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung, die er zu seinen möglichen Stasi-Kontakten abgegeben hat, berichten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung". Allerdings weigere sich der zuständige Staatsanwalt, Anklage zu erheben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg erklärte, man werde zu internen Vorgängen keine Stellungnahme abgeben.
Die Ermittler prüfen seit langem, ob der heutige Fraktionschef der Linken im Bundestag eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Es geht um die Frage, ob er als Anwalt in der DDR mit der Stasi zusammengearbeitet hat oder nicht. Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld und ein pensionierter Richter hatten Anzeige erstattet. Vor Gericht hat sich Gysi bisher stets erfolgreich gegen den Vorwurf gewehrt, er habe Mandanten in der DDR verraten oder ausspioniert.
Den Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" zufolge will der ermittelnde Staatsanwalt sich nicht anweisen lassen, den Linken-Politiker vor Gericht zu bringen und hat deshalb Beschwerde beim Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) eingelegt. Dort liege der Fall nun seit rund zwei Wochen.
Behörden sind sich uneins
Mehrmals soll das Verfahren kurz vor der Einstellung gestanden haben. Der Hamburger Generalstaatsanwalt Lutz von Selle soll gedrängt haben, die Ermittlungen fortzusetzen. Am Ende des Ermittlungsverfahrens, nach knapp zweieinhalb Jahren, gibt es widersprüchliche Einschätzungen über das Ermittlungsergebnis. Das gesamte Material der Staatsanwaltschaft stand auch der Generalstaatanwaltschaft zur Verfügung. Beide Behörden arbeiten in einem Haus. Die eine Behörde meinte, eine Anklage sei fällig, die andere nicht.
Der Ausgang des Falles ist offen. Falls jetzt aber doch - von wem auch immer - eine Anklage gefertigt werden sollte, müsste zunächst das Landgericht Hamburg im Zwischenverfahren darüber entscheiden, ob diese Anklage zugelassen würde oder nicht.
Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz könnte der Generalstaatsanwalt sich über die Weigerung des Dezernenten hinwegsetzen, indem er den Fall selbst übernimmt. Auch könnte er einen anderen Staatsanwalt mit der Bearbeitung beauftragen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa