Neue Studie: Bafög reicht nicht Studentenwerk fordert mehr Geld
31.05.2017, 20:12 Uhr
Laut Statistischem Bundesamt wurden 2015 etwa 611.000 Studierende unterstützt, durchschnittlich mit 448 Euro.
(Foto: picture alliance / Jan Woitas/dp)
Wie viel Geld braucht ein Student zum Leben? Einer neuen Studie zufolge reicht der aktuelle Bafög-Satz bei Weitem nicht aus. Das Deutsche Studentenwerk und die Grünen fordern Konsequenzen.
Die vom Bund festgelegten Bafög-Bedarfssätze für Studierende sind einer neuen Untersuchung zufolge trotz des Zuschlags vom vorigen Jahr noch immer viel zu niedrig. Sie decken demnach die wirklichen Kosten nur in begrenztem Umfang und werden den sehr unterschiedlichen Lebensverhältnissen der Studierenden nicht mehr gerecht.
Zum Wintersemester 2016/17 hatte die Regierung von Union und SPD nach sechsjähriger Stagnation die Bedarfssätze um mindestens sieben Prozent erhöht. Die Höchstförderung für Studierende mit eigener Wohnung kletterte von 670 auf 735 Euro. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) beziffert die studentischen Lebenshaltungskosten nun aber im Schnitt mit rund 1000 Euro pro Monat - für Lernmittel, Gesundheit, Miete und Wohnungseinrichtung, Ernährung, Fahrtkosten, Kleidung, Freizeit und Kommunikation.
Die Förderung decke die wirklichen Kosten nur in begrenztem Umfang und werde den sehr unterschiedlichen Lebensverhältnissen der Studierenden nicht mehr gerecht, sagte der Präsident des Studentenwerks, Dieter Timmermann. Er verlangte deshalb eine regelmäßige Anhebung. "Die Politik muss handeln", sagte er. Sonst liefen viele Studenten in eine Armutsfalle. DSW-Präsident Timmermann zielt mit dem Gerechtigkeitsthema Bafög nun auf den Bundestagswahlkampf. "Bildung spielt da eine größere Rolle als früher - die Chance müssen wir nutzen und Druck machen." Die seit 2015 allein für die Förderung zuständige Bundesregierung will ihren 21. Bafög-Bericht allerdings - mit reichlich Verspätung - erst in einigen Wochen präsentieren. Kritiker mutmaßen bereits: Vielleicht auch erst nach der Wahl.
Grüne: "Bafög muss wieder zum Leben reichen"
Angesichts der kritischen Studie fordern die Grünen im Bundestag die schwarz-rote Bundesregierung auf, das Studenten-Bafög deutlich aufzustocken. "Das Bafög muss wieder zum Leben reichen, damit sich die Studierenden ihrem Studium widmen können, ohne zwischen Nebenjob und Hörsaal pendeln zu müssen", sagte der Hochschulexperte Kai Gehring. "Die Studie sollte nun auch die letzten Realitätsverweigerer in der Regierung überzeugen, dem schleichenden Attraktivitätsverlust des Bafögs einen Riegel vorzuschieben." Außerdem hielte die letzte Erhöhung nicht Schritt mit der Preis- und Einkommensentwicklung in Deutschland.
Laut Statistischem Bundesamt wurden 2015 etwa 611.000 Studierende unterstützt, der Durchschnitts-Förderbetrag lag bei 448 Euro. Vier von fünf der mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) unterstützten Studierenden sagen nach DSW-Angaben, ohne dieses Geld bliebe ihnen die Hochschule versperrt. Das Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) ermittelt in seiner Studie eine "Unterdeckung" schon beim monatlichen Bafög-Grundbedarf. Zudem reichten die Wohnpauschalen kaum für die tatsächlichen Mietkosten aus. Eine Förderlücke sieht das FiBS auch bei den Zuschlägen für Kranken- und Pflegeversicherung, vor allem für über 30-jährige Studierende.
Als stärkste Kostentreiber erweisen sich laut Studie Ausgaben für Miete und Gesundheit. Insbesondere im unteren Einkommensbereich zeige sich, "dass weder das Bafög noch die Eltern alleine in der Lage sind, eine ausreichende Grundlage zur Finanzierung des Studiums zu ermöglichen. Erst wenn beide Quellen miteinander kombiniert oder durch Erwerbstätigkeit ergänzt werden, kommen die Studierenden auf ein einigermaßen akzeptables Niveau." Viele hätten sich folglich "mit Jobben eingerichtet".
Viele Studenten sparen offenbar am Essen
DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde warnt vor "verdeckter Armut" bei Studenten. Da die Mietpauschalen nur fürs Wohnheim reichten, müssten viele wohl am Essen sparen. Auch Bildungsökonom Dohmen stellt fest: "Bemerkenswert bis erschreckend ist die Bandbreite bei den Ausgaben für Ernährung. Hierfür werden zum Teil Beträge ausgegeben, die eine gesunde und ausgewogene Ernährung unwahrscheinlich erscheinen lassen."
Auch im Internet kursieren verschiedene Berechnungen, die sich mit den ungefähren Monatskosten für Studenten beschäftigen. Das kostenlose Informationsportal mystipendium.de schätzt die studentischen Lebenshaltungskosten auf 570 - 1175 Euro im Monat. Der letztendliche Betrag hängt vor allem von Mietkosten, Semesterbeiträgen, und der Krankenversicherung ab. Ein eindeutiger Durchschnittswert sei schwer zu bestimmen.
Ein "Alternativer Bafög-Bericht" vom Deutschen Gewerkschaftsbund und von Einzelgewerkschaften enthielt im Februar scharfe Kritik an der Bilanz von Schwarz-Rot. Demnach kann die jetzige Förderung "Benachteiligungen von Schülern und Studierenden aus finanzschwachen Elternhäusern nicht hinreichend ausgleichen" - zumal die Bafög-Quote bei Studierenden zuletzt auch noch von 19 auf 15 Prozent gesunken sei.
Quelle: ntv.de, teb/dpa