Politik

Afghanistans "grünes Gold" Taliban plündern Pistazienwälder

Die Taliban ernten die Pistazien bereits unreif, sodass für die Arbeiter nur noch wenige Früchte übrig bleiben.

Die Taliban ernten die Pistazien bereits unreif, sodass für die Arbeiter nur noch wenige Früchte übrig bleiben.

(Foto: REUTERS)

Die Taliban haben in Afghanistan eine neue Einkommensquelle entdeckt: Pistazien. In organisierten Verbänden ernten sie illegal die wertvollen Wälder ab. Daraus ist ein florierendes Geschäft entstanden, das verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft hat.

Afghanistans Pistazien gehören zu den besten der Welt, die grünbraunen Steinfrüchte sind ein wichtiges Exportgut. Das haben inzwischen auch die Taliban verstanden: Vielerorts organisieren die radikalislamischen Kämpfer oder andere örtliche Kriegsherren inzwischen Raubzüge in die Pistazienwälder, um die Früchte lange vor ihrer Reife illegal zu ernten. Anfang Juli, rund drei Wochen vor Beginn der Erntezeit, wurden auf diese Weise rund 40 Prozent der Früchte gestohlen, berichten die Behörden.

Raubzüge auf das grüne Gold werden aus dem ganzen Pistaziengürtel gemeldet, von Badachschan im Nordosten Afghanistans über Kundus im Norden und Herat an der Grenze zum Iran im Westen. In der nördlichen Provinz Samangan etwa begannen die Plünderungen am 7. Juli, pünktlich zum Ende des Ramadan. "Zwischen 100 und 150 Menschen stürmten die Pistazienwälder in zwei Bezirken", berichtet Rafiullah Roschansada von der örtlichen Agrarverwaltung. Dadurch könnte sich der Pistazien-Ertrag der gesamten Provinz in diesem Jahr halbieren, fürchtet er.

Pistazienwälder in Taliban-Gebiet

Pistazien sind auch in Europa beliebt. Doch durch mangelnde Ware steigen die Preise deutlich.

Pistazien sind auch in Europa beliebt. Doch durch mangelnde Ware steigen die Preise deutlich.

(Foto: REUTERS)

Ähnliches berichten die Behörden aus der westafghanischen Provinz Badghi. "Bei uns gibt es bis zu 30.000 Hektar Pistazienwälder, aber die Gebiete, in denen sie stehen, werden von den Taliban kontrolliert", klagt der für die Landwirtschaft zuständige Vertreter der Provinzverwaltung, Haifsullah Benisch.

Er mokiert sich über den geringen Sachverstand der Taliban und anderer Warlords aus der Region: "Sie sammeln die Pistazien, lange bevor diese reif sind - glauben Sie mir, sie werden sich nicht gut verkaufen." Wären sie normal geerntet worden, hätten die begehrten Kerne rund 473.000 Euro eingebracht, schätzt Benisch.

Nach Angaben des Forstaufsehers im afghanischen Landwirtschaftsministerium, Mohammad Aman Amanjar, lassen sich die unreifen Pistazien für umgerechnet fünf Euro pro Seer - rund sieben Kilo - verkaufen. Für reife Pistazien gibt es 26 Euro pro Seer, das Fünffache.

Illegale Sammler nicht aufzuhalten

In elf Provinzen des Landes ist das Betreten der Pistazienwälder rund um die Erntezeit strikt verboten. Von dem Verbot abhalten lassen sich aber nur wenige, sagt Amanjar. "Wenn sie nicht auffliegen, können die Leute Pistazien für 1000 bis 2000 Afghani (13 bis 26 Euro) pro Tag sammeln", erklärt der 32-jährige Landarbeiter Schafi. Dies reiche, um eine Familie eine Woche zu ernähren.

Auf Pistazien haben es Ernteräuber besonders abgesehen, weil sie in ganz normalen Wäldern wachsen und nicht auf Plantagen, sagt Forstaufseher Amanjar. Erdnüsse dagegen werden angepflanzt - und die Plantagen dann bewacht.

Pistazien nicht so lukrativ wie Opium

Noch vor 35 Jahren verfügte Afghanistan über rund 450.000 Hektar Pistazienwälder. Dann wurde das Land von einer nie enden wollenden Abfolge von Kriegen und Bürgerkriegen verheerend geschädigt. 40 bis 50 Prozent der Bäume wurden von der notleidenden Bevölkerung zu Brennholz gehackt oder fielen der Dürre zum Opfer. Kamen früher einmal 40 bis 100 Bäume auf einen Hektar Wald, sind es heute nur noch 20 bis 40 Bäume.

In den vergangenen zwölf Jahren konnten laut Forstaufseher Amanjar immerhin 9700 Hektar Pistazienwald wiederaufgeforstet werden. Im selben Zeitraum schwankten die Exporte geschälter Pistazien zwischen 500 und 1500 Tonnen. Im Jahr 2014 brachten die Ausfuhren umgerechnet 3,8 Millionen Euro ein. An den Umsatz der Opiumproduktion, nach UN-Angaben rund 144 Millionen Euro im Jahr, reicht das zwar bei weiten nicht heran. Doch manchem Kämpfer reicht das, um monatlich über die Runden zu kommen.

Quelle: ntv.de, Mushtaq Mojaddidi und Anne Chaon, AFP

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