Wohl nur eine Frage von Stunden Tritt Biden gegen Clinton an?
20.10.2015, 16:06 Uhr
Wird Obamas Vize auch Obamas Nachfolger?
(Foto: REUTERS)
Vizepräsident Biden wollte eigentlich immer Präsident sein und wahrscheinlich will er das noch immer. Aber wagt er auch eine Kandidatur gegen Clinton? Dann könnten am Ende beide leer ausgehen.
Die US-Medien machen schon Witze darüber. "Er wird es vielleicht, möglicherweise, sicher, definitiv herausfinden und zwar sehr, sehr bald!", schreibt die "Washington Post". Es ist die Entscheidung, von der abhängt, wie der US-Vorwahlkampf verlaufen wird. Während bei den Republikanern das Feld der Kontrahenten um die Präsidentschaftskandidatur feststeht, gibt es bei den Demokraten noch diese entscheidende Unwägbarkeit: Wird Vizepräsident Joe Biden ins Rennen einsteigen?
Schon oft berichteten Medien über den vermeintlichen Zeitpunkt, zu dem Biden seine Entscheidung bekanntgeben werde. Die "Post" hat eine Infografik dazu gemacht: Sie selbst sagte Mitte August voraus, es werde im September sein, was auch der Sender ABC schon im Februar berichtet hatte. Und nun berichtete NBC, die Entscheidung werde "binnen 48 Stunden" bekanntgegeben. So konkret war bislang keine Vorhersage. Nimmt man sie wörtlich, läuft die Frist am Mittwochmorgen um 4 Uhr deutscher Zeit aus.
Nun wird also noch einmal spekuliert, was in Biden vor sich gehen mag und wie sich der Wahlkampf nach seiner Entscheidung weiterentwickeln wird.
Der kranke Sohn drängte ihn
Biden ist schon zweimal angetreten. 1988 und 2008 scheiterte er früh im Auswahlprozess der Demokraten. Seiner Karriere hat das offenbar nicht geschadet. Nun steht er am Ende dieser Karriere und die Frage ist, ob er sie mit einem Sieg krönt, oder ob er ein weiteres Mal scheitert oder ob er seine Laufbahn freiwillig beendet. Für letzteres spricht, dass Biden schon 72 Jahre alt ist und somit schon beim Amtsantritt der älteste US-Präsident der Geschichte wäre.
Wenn er seine Chance sieht, wird Biden es wohl dennoch versuchen. Zum einen, weil er es schon immer wollte. Zum anderen, weil seine Söhne ihn dazu gedrängt haben. Der eine von ihnen, Beau Biden, soll versucht haben, seinem Vater das Versprechen abzuringen. Er habe argumentiert, dass das Weiße Haus sonst an die Clintons fällt, schrieb die "New York Times". Beau wusste, dass er keine Chance gegen den Krebs hatte. Wenig später starb er. Biden könnte sich daran gebunden fühlen, seinem verstorbenen Sohn den Wunsch zu erfüllen.
Die "Post" ist sich sicher, dass der Vizepräsident Präsident werden will. Gleichzeitig spekuliert sie, er habe seit dem Sommer 20 Mal seine Ansicht darüber geändert, ob er es auch versuchen solle. Denn dafür müsste er Clinton offen herausfordern und so hart treffen, dass sie sich zurückzieht. Denn Clinton und Biden sind ähnliche Kandidaten – beide stehen für das Washingtoner Establishment, beide kennen jeden Winkel des Weißen Hauses.
Gerade bietet sich eine Chance für Biden
Ganz anderes Bernie Sanders, der für US-Verhältnisse sozialistische Parteilose, der sich auch gerne auf dem Ticket der Demokraten um die Präsidentschaft bewerben würde. Sanders will die USA zu einem Sozialstaat nach europäischem Vorbild umbauen. Wenn Clinton, Biden und Sanders gegeneinander antreten, würden sich Clinton und Biden gegenseitig Wähler streitig machen. Sanders könnte der lachende Dritte sein.
Lange wurde Sanders nicht als konkurrenzfähig betrachtet – schon deshalb, weil er kaum potente Spender hinter sich hat und sich einen Wahlkampf mit Hunderten TV-Spots und öffentlichen Auftritten gar nicht leisten kann. Doch er hat sich gemacht. Hatte er vor dem Sommer nur einstellige Umfragewerte unter den Demokraten, liegt er nun zwischen 20 und 30 Prozent. Clinton dagegen hat einen Durchhänger. Sie war schon nahe an 70 Prozent und steht nun zwischen 40 und 50.
Der Negativtrend könnte Bidens Chance sein. Wenn er jetzt kandidiert, würden sich seine Werte – etwa 20 Prozent geben derzeit an, ihn nominieren zu wollen – sicher deutlich verbessern. Wenn alles passt, kann er Clinton so die Favoritenrolle abnehmen.
Quelle: ntv.de