Politik

Experte: Es fehlt "Smoking Gun" Trump-Impeachment bleibt in weiter Ferne

Ein Amtsenthebungsverfahren könnte dem US-Präsidenten mehr nützen als schaden.

Ein Amtsenthebungsverfahren könnte dem US-Präsidenten mehr nützen als schaden.

(Foto: AP)

Die Beweislage ist dünn. Trotzdem bringen die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump auf den Weg. Ein Telefon-Protokoll und eine Whistleblower-Beschwerde enthalten zwar brisante Informationen. Doch reicht das?

"Wenn Sie sich das mal anschauen können", sagte US-Präsident Donald Trump zum ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Aus dem Protokoll ihres Telefonats, veröffentlicht vom Weißen Haus, geht hervor, wie der Präsident seinen Amtskollegen freundlich ermuntert, Ermittlungen gegen Trumps demokratischen Rivalen Joe Biden und dessen Sohn zu beginnen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Die US-Demokraten haben Ermittlungen für ein Impeachment-Verfahren angekündigt, als noch gar nicht bekannt war, ob sich der Vorwurf des Amtsmissbrauchs mit der Mitschrift beweisen lassen würde. Ein vielleicht folgenschwerer Fehler. "Das Material ist brisant, weil Trumps Verhalten wieder einmal Normen sprengt, die eigentlich unantastbar waren", sagt Amerika-Experte Simon Wendt von der Frankfurter Goethe-Universität im Gespräch mit n-tv.de. "Man sieht an der Reaktion der republikanischen Partei jedoch auch, dass seit 2016 diese Normen nicht mehr wirklich gelten."

Es sei daher "eine Illusion, dass ein Impeachment klappt", sagt Wendt. Was bisher an Fakten da ist, reicht seiner Meinung nach nicht aus, um eine Amtsenthebung auf den Weg zu bringen. Denn die müsste am Ende vom Senat unterstützt werden, in dem Trumps Republikaner dominieren. "Das ist praktisch unmöglich zu schaffen, es sei denn, dass wirklich noch etwas extrem Problematisches auftaucht."

Giuliani traf sich mit ukrainischen Offiziellen

"Herr Giuliani ist ein hochrespektierter Mann", sagte Trump laut Mitschrift am Telefon zu Selenskyj. Er werde ihn, seinen Anwalt, "bitten, Sie zusammen mit dem Justizminister anzurufen. Rudy weiß sehr gut Bescheid darüber, was los ist, und er ist ein sehr fähiger Kerl. Wenn Sie mit ihm sprechen könnten, wäre das großartig."

Die nun vom US-Kongress veröffentlichte Beschwerde eines Whistleblowers, die die Affäre um das Telefonat angeheizt hatte, offenbart: Giuliani traf sich in den vergangenen Monaten mit mehreren Offiziellen aus der Ukraine, um das Ansinnen Trumps - die Ermittlungen gegen die Biden-Familie - voranzutreiben. Zudem geht aus dem von einem anonymen Geheimdienstmitarbeiter oder einer Geheimdienstmitarbeiterin verfassten Dokument hervor, dass Verantwortliche im Weißen Haus sichergestellt haben, dass der Wortlaut des Telefonats in einem speziell abgesicherten System abgespeichert wurde.

Nach Interpretation des Whistleblowers macht dies deutlich, dass die Trump-Administration den Inhalt des Gesprächs als derart bedenklich empfand, dass sie es vertuschen wollte. Noch sei die Informationslage zu dürftig, sagt Wendt über die Veröffentlichung der Beschwerde. Die nächsten Tage müssten abgewartet werden. Die Republikaner hätten noch nichts entdeckt, was einer Amtsenthebung würdig wäre.

Telefonprotokoll liefert keine "Smoking Gun"

Das am gestrigen Mittwoch freigegebene Protokoll beweist an keiner Stelle, dass ein Geben und Nehmen stattgefunden hat, dass zwischen Trump und Selenskyj eine Vereinbarung bestand. "Man könnte natürlich sagen, dass die Vereinbarung indirekt entsteht, weil Trump, nachdem der ukrainische Präsident Militärhilfe angesprochen hat, diese Frage Selenskyjs nicht beantwortet, sondern sagt: 'Ach übrigens, Sie könnten uns mal einen Gefallen tun.'", sagt Wendt.

Günstig für Trump ist jedoch, dass auch Selenskyj ein Interesse daran hat, das Telefonat als möglichst unbedeutend darzustellen. Welcher Staatschef präsentiert sich schon freiwillig als abhängig oder gar käuflich? Es habe ihn niemand bedrängt, sagte der ukrainische Präsident am Rande der UN-Vollversammlung am Mittwoch. "Es war ein gutes Gespräch, es war normal." Das Telefonprotokoll "liefert nicht die 'Smoking Gun', die man hier erwartet hätte", sagt Wendt.

Doch genau solch einen "rauchenden Colt" bräuchte man für ein Impeachment-Verfahren. Denn das funktioniert wie eine Gerichtssitzung, in der ein bestimmter Vorwurf bewiesen werden muss. Diese Beweise sind zurzeit nicht da. "Der Grund, warum Richard Nixon in den 70er Jahren aus dem Amt enthoben werden sollte und dann ja vorher zurücktrat, war, dass es Tonbänder gab. Aufnahmen, in denen er zugab, verantwortlich zu sein für den Einbruch im Watergate Hotel und für den Versuch, ihn zu vertuschen." Beweise dieses Kalibers gibt es gegen Trump nicht, so Wendt. "Er hat einen Instinkt dafür, nicht ganz in illegale Aktivitäten abzudriften und sie nicht auszusprechen."

Solange die Republikaner hinter dem Präsidenten stehen, hat ein Impeachment keine Chance. Und Trump gelingt es bislang gut, sich als Opfer einer "Hexenjagd" darzustellen. Kurz nachdem das Impeachment angekündigt wurde, hatte er schon eine Million Dollar an Spenden eingeworben.

Haben sich die Demokraten verkalkuliert?

Für die Demokraten ist die Lage gefährlich. "Wenn nicht noch mehr problematische Informationen zutage treten, dann werden viele Wähler, auch solche, die keiner Partei angehören, das als politischen Gimmick bezeichnen, und das könnte Trump in der Wahl helfen", lautet die Einschätzung von Simon Wendt. Aus seiner Sicht könne es auch Taktik von Trump gewesen sein, die Demokraten "dazu zu verleiten, diesen Schritt zu gehen, weil er denkt, dass es ihm politisch hilft".

Haben sich die Demokraten verkalkuliert? Zwei Ziele könnten sie mit den Impeachment-Ermittlungen immerhin erreichen: Zum einen haben ihre Stammwähler schon seit Jahren nach einem Impeachment verlangt. Indem sie jetzt aktiv werden, können sie die demokratische Basis mobilisieren.

Zum anderen hat der Kongress ein Recht auf bestimmte Informationen über den Präsidenten, über die Regierung und Aspekte der nationalen Sicherheit. Doch er hat kaum Handhabe, dieses Recht durchzusetzen, Prozesse ziehen sich über Jahre hin. Noch heute laufen Verfahren, die gegenüber der Obama-Administration angestrengt wurden, ohne Gerichtsentscheid.

"Das Impeachment-Verfahren würde es dem Kongress erlauben, viel schneller bestimmte Dokumente zu bekommen oder einzusehen, weil es ein anderes Verfahren ist", erklärt Wendt. Das kann ein Grund dafür sein, dass die Demokraten sich jetzt entschieden haben, weil es sonst gar keine Möglichkeit mehr geben würde, diese Dokumente noch vor der Wahl zu bekommen."

 

Quelle: ntv.de

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