Klagen gegen "Muslim-Bann 2.0" Trump droht ein neuer Proteststurm
15.03.2017, 17:37 Uhr
US-Präsident Donald Trump will die US-Justiz mit seinem überarbeiteten Einreiseverbot auf Linie bringen.
(Foto: REUTERS)
Kurz vor Inkrafttreten des zweiten Einreiseverbots rüsten US-Bürgerrechtler und Aktivisten auf: Sollten ihre Klagen vor mehreren Bundesgerichten scheitern, fürchten sie neues Chaos und Proteste. Und Trump stünde neuer Streit ins Haus.
Die Zeit drängt. Geht es nach den Gegnern des neuen Einreiseverbots, werden US-Bundesrichter das überarbeitete Dekret von Präsident Donald Trump noch vor dem geplanten Inkrafttreten stoppen. Dafür bleiben ihnen nun weniger als 24 Stunden. Scheitert die Kampagne, wird syrischen Flüchtlingen und Menschen aus sechs überwiegend islamischen Ländern vorerst die Einreise in die Vereinigten Staaten verwehrt. Gegner des sogenannten "Muslim-Banns 2.0" argumentieren nach wie vor, das Verbot sei verfassungswidrig und sperre Menschen aufgrund ihrer Religion aus. Dass Iraker, Visa- und Greencard-Inhaber von der Verbotsliste gestrichen wurden, macht den Erlass für sie nicht weniger fragwürdig.
Trumps neues Dekret beweist für sie vor allem eines: Der US-Präsident nimmt die Justiz im Lande nicht für voll. "Gerichtliche Anordnungen sind keine Vorschläge", erklärten Anwälte aus dem US-Bundesstaat Washington in ihrer schriftlichen Eingabe. "Wenn ein Gericht dem Angeklagten die Durchsetzung einer bestimmten Politik untersagt, kann er sich nicht einfach dadurch herauswinden, dass er nur noch ein paar der illegalen Gesetze ankündigt." Genau das könnte Trump jedoch gelingen. Denn der neue Erlass schließt Ausnahmeregelungen - auch für Muslime - mit ein. Der Vorwurf der gezielten Diskriminierung einer religiösen Gruppe könnte demnach zurückgewiesen werden.
Hinzu kommt, dass die klagenden Bundesstaaten nachweisen müssen, dass sie durch den Erlass in irgendeiner Form Schaden nehmen würden. Washington und Hawaii argumentieren deshalb mit wirtschaftlichen Einbußen - etwa im Tourismus. Das Weiße Haus widerspricht dem. Es bestehe keine Notwendigkeit, den neuen Erlass noch vor Inkrafttreten einzufrieren, nur weil diverse Klagen dagegen geführt würden, zitierte die "Washington Post" mehrere Regierungsbeamte. Durch das Einreiseverbot entstehe eben "kein unmittelbarer Schaden". "Kein Visum wird widerrufen. Niemand, der über eine permanente Aufenthaltserlaubnis verfügt und ins Ausland reist, wird an einer Rückkehr in die USA gehindert."
Neue Proteste an Flughäfen
Anwälte und Aktivisten bereiten sich dennoch auf neuerliches Chaos an den internationalen Flughäfen vor. "Wir planen, unsere Präsenz aufzustocken", sagte Bürgerrechtlerin Sirine Shebaya der Zeitung. Sie ist Mitglied der "Dulles Justice Coalition", einem Zusammenschluss von ehrenamtlichen Anwälten, Kanzleien und Privatleuten, die sich nach Inkrafttreten des ersten Erlasses im Januar gegründet hatte, um den Gestrandeten zu helfen. An mehreren Flughäfen in den Vereinigten Staaten sind bereits neue Proteste geplant - darunter auch der Dulles International Airport in Washington. Im Zuge der chaotischen Zustände nach dem ersten Einreiseverbot war er besonders in den Blickpunkt geraten.
Zwar rechnet niemand damit, dass sich die dramatischen Szenen von damals in gleicher Weise wiederholen, dennoch warnt der Bürgerrechtsaktivist Lee Gelernt vor den negativen Folgen, die auch der zweite Einreisebann haben wird. "Tausende US-Bürger werden darunter leiden müssen, dass sie ihre Angehörigen nicht sehen dürfen", sagte er dem britischen "Guardian". "Und viele andere werden in Angst leben müssen, weil sie durch Trumps Rhetorik dämonisiert und ausgesondert werden." Besonders betroffen von der Politik des Präsidenten sind Syrer. Im US-Flüchtlingsprogramm stellten sie im vergangenen Jahr die zweitgrößte Gruppe - und fallen nun unter das generelle Einreiseverbot für Flüchtlinge.
Trump hält an Maxime fest
Dieses Verbot soll zunächst für 120 Tage in Kraft treten. Danach will die Trump-Administration festlegen, für welche Länder die Regelung weiterhin gelten soll - und für welche nicht. Insbesondere für Flüchtlinge aus muslimischen Ländern stehen die Chancen nicht gut, zumal die Vereinigten Staaten statt 110.000 Flüchtlingen im vergangenen Jahr nur noch 50.000 Menschen im Jahr 2017 aufnehmen wollen. Obwohl selbst das US-Heimatschutzministerium keine Beweise dafür vorlegen konnte, dass die Staatsangehörigkeit eines Menschen "ein verlässlicher Indikator für mögliche terroristische Aktivitäten" ist, hält Trump an seiner Maxime fest: Der Erlass sei notwendig, um die USA vor Terrorattacken zu schützen.
Dass es zu neuen heftigen Protesten gegen seine Einreisepolitik kommen könnte, dürfte dem Präsidenten aber kaum recht sein. Schon jetzt bestimmt die Debatte um die geplante Abschaffung von Obamacare die Berichterstattung in den USA. Allein im kommenden Jahr würden 14 Millionen US-Bürger ihre Krankenversicherung verlieren, sollte die Gesundheitsreform beerdigt werden. Selbst unter Republikanern wachsen Zweifel, dass Trumps "Reform der Reform" die bessere Alternative ist. Parallel sorgen Trumps Abhörvorwürfe gegen Ex-Präsident Obama für Irritation. Eine weitere Baustelle käme dem Präsidenten ziemlich ungelegen. Auch das ist wohl der Grund, warum einige Kritiker hinter den jüngst geleakten Steuerunterlagen Trumps ein von ihm selbst inszeniertes Ablenkungsmanöver vermuten.
Quelle: ntv.de