Alles nur Wahlkampf für 2024? Trump wirbt auf einmal massiv für Impfung
24.12.2021, 13:22 Uhr
"Ich habe drei Impfstoffe entwickelt", behauptet Donald Trump.
(Foto: picture alliance / zz/Dennis Van Tine/STAR MAX/IPx)
Vehement spricht sich Donald Trump für Impfungen aus. Beobachter erhoffen sich dadurch eine steigende Impfquote. Der ehemalige US-Präsident lobt aber vor allem seine Rolle in der Impfstoff-Entwicklung, denn es geht um sein historisches Vermächtnis - und natürlich um die Präsidentschaft 2024.
Na nu, fragten sich einige Beobachter und Experten in den USA, was ist da denn los? Inmitten der Omikron-Welle, die derzeit das Land überschwemmt, gab Donald Trump der konservativen US-Nachrichtenwebsite "Daily Wire" ein Interview - und der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten griff Candace Owens scharf an, als die rechtskonservative Kommentatorin die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe infrage stellte. Zum ersten Mal widersprach Trump damit offen und direkt Argumenten von Impfgegnern und ermutigte die Zuschauer sogar, sich impfen zu lassen.
In dem am Mittwoch in den USA ausgestrahlten Interview lobte Trump die Geschwindigkeit, mit der die Impfungen während seiner Amtszeit entwickelt wurden. "Der Impfstoff ist eine der größten Errungenschaften der Menschheit", sagte der 75-Jährige. "Ich habe drei Impfstoffe entwickelt", behauptete der 45. US-Präsident in bekannter, selbstverliebter Manier, als ob er sie eigenhändig im Labor hergestellt hätte. "Alle sind sehr, sehr gut. Ich habe drei davon in weniger als neun Monaten entwickelt. Es sollte fünf bis zwölf Jahre dauern." In Wirklichkeit entwickelte das US-Pharmaunternehmen Pfizer zusammen mit dem deutschen Unternehmen Biontech den Impfstoff, der am meisten in den USA benutzt wird.
"Dieses Jahr sind unter Joe Biden noch mehr Menschen gestorben an Covid gestorben als während Ihrer Amtszeit", warf Owens ein, was eine Falschaussage ist. "Und dieses Jahr waren ja mehr Menschen geimpft. Die Leute fragen sich also, wie..." Doch in dem Moment unterbrach Trump die Kommentatorin vehement: "Oh nein, der Impfstoff funktioniert, aber manche Leute sind nicht die Richtigen. Diejenigen, die sehr krank werden und ins Krankenhaus müssen, sind diejenigen, die sich nicht impfen lassen. Aber es ist immer noch ihre Entscheidung. Und wenn man sich impfen lässt, ist man geschützt."
"Beste, was Trump seit Jahren getan hat"
Damit nicht genug. Trump beschrieb sogar, was wissenschaftlich Studien belegen. Nämlich, dass drei Impf-Dosen nach wie vor sehr gut vor Krankenhausaufenthalten und vor schweren Verläufen bis hin zum Tod schützen. "Die Ergebnisse des Impfstoffs sind sehr gut, und wenn man sich ansteckt, ist es eine sehr leichte Form", sagte der Republikaner. "Die Leute sterben nicht, wenn sie sich impfen lassen."
Nicht mal 62 Prozent der US-Amerikaner haben bisher zwei Impfungen, nicht mal 20 Prozent einen Booster erhalten. Viele hoffen nun, dass Trumps Statements die ungeimpften Bürger, die ihn unterstützen, überzeugen, sich den Piks zu holen und damit das Gesundheitssystem zu entlasten, die Omikron-Welle zu brechen und Leben zu retten. Schließlich erreicht niemand das Anti-Establishment wie der Ex-Präsident. CNN nannte das Interview gar: "Das Beste, was Donald Trump seit Jahren getan hat." Der TV-Sender stellte Anfang des Monats fest: Blaue Staaten, die bei der Präsidentschaftswahl für Joe Biden gestimmt hatten, sind im Allgemeinen zu mehr als 60 Prozent geimpft. Rote Staaten, die für den ehemaligen Präsidenten Donald Trump gestimmt hatten, liegen im Allgemeinen unter diesem Durchschnitt.
Trump sprach sich im Interview aber auch gegen eine Impfpflicht aus, eine Maskenpflicht für Schulkinder nannte er "eine schreckliche Sache". Owens, eine bekannte Impfgegnerin, Aktivistin und Anhängerin von Verschwörungstheorien, sagte, letzteres stehe "im Widerspruch zur Wissenschaft, denn Kinder haben eine Null-Prozent-Chance, an Covid zu sterben".
Trump hat Booster erhalten
Nach dem Interview schrieb sie auf Twitter: "Ich habe kein Problem mit Menschen, die sich impfen lassen wollen. Ich werde nur niemals zulassen, dass dieser Impfstoff in meinen Körper gelangt. Ich glaube fest daran, dass Big Pharma das größte Übel auf diesem Planeten ist. Ich bin gesund, jung, in Form und habe einfach keine Angst vor Covid-19." Die Big-Pharma-Verschwörungstheorie behauptet, dass die medizinische Gemeinschaft im Allgemeinen und die pharmazeutischen Unternehmen im Besonderen gegen das öffentliche Wohl arbeiten, wirksame Behandlungen verheimlichen, oder sogar Krankheiten verursachen und verschlimmern, um Profit zu machen.
Experten, Journalisten und Kommentatoren wundern sich nun, warum Trumps bisher stärkste Äußerungen zur Unterstützung der Covid-Impfstoffe erst etwa ein Jahr, nachdem diese erstmals verfügbar waren, erfolgten. Im Winter 2020 war der 75-Jährige noch damit beschäftigt, Verschwörungen über seine Wahlniederlage zu verbreiten, während sich weltweit die Delta-Variante ausbreitete. Im April 2020 hatte Trump etwa noch damit geworben, die Injektion von Bleichmittel in den menschlichen Körper als Mittel zur Bekämpfung von Covid zu untersuchen. Generell hatte Trump während seiner Amtszeit einen verheerenden Umgang mit der Pandemie an den Tag gelegt, gegen Lockdowns gewettert und durch Vergleiche mit der Grippe die Tödlichkeit des Virus heruntergespielt.
Als im Frühjahr 2021 alle noch lebenden ehemaligen Präsidenten eine öffentliche Ankündigung zum Thema Impfungen machten, nahm Trump nicht daran teil. Bis heute gibt es kein Foto des Republikaners von seiner Impfung. Ursprünglich hatte er auch erklärt, keine Booster-Impfung haben zu wollen. Vergangenen Sonntag verkündete er bei einem öffentlichen Auftritt vor Zuschauern, die Auffrischung erhalten zu haben, was ihm Buh-Rufe einbrachte.
Trump baut sich historisches Vermächtnis
Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass hinter Trumps Impf-Aussagen auch Kalkül steckt. Immer wieder positioniert sich der Republikaner für den Wahlkampf 2024. Diesmal versucht er, die Entwicklung der Impfstoffe während seiner Amtszeit als sein historisches Vermächtnis zu verkaufen und zu argumentieren, dass er während seiner Zeit im Weißen Haus globale Ereignisse geprägt hat. Mit Blick auf 2024 will er mutmaßlich die Entwicklung der Impfstoffe für sich beanspruchen, womit er bei einem möglichen Ende der Pandemie punkten könnte.
Maggie Habermann von der "New York Times" schrieb zu Trumps Interview-Aussagen auf Twitter: "Entweder a) einer seiner $-Unterstützer hat ihn ermutigt b) er will positiv bestärkt werden c) er hebt sich von den anderen republikanischen Kandidaten ab d) er kandidiert." Was auch immer der Grund sein mag, fuhr die Journalistin in einem weiteren Tweet fort, es sei eine Botschaft, die viele Anhänger Donald Trumps "im Moment vielleicht nicht beherzigen, aber einige werden es nun wahrscheinlich tun, und das bringt die Pandemie ihrem Ende näher."
Quelle: ntv.de