Politik

Merkel zu Besuch in Istanbul Türken lassen sich ihre Hilfe teuer bezahlen

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Der türkische Präsident Erdoğan verlangt für die Sicherung der EU-Außengrenze Gegenleistungen.

(Foto: REUTERS)

Mitten im Wahlkampf fährt Angela Merkel in die Türkei. Der konservativ-islamischen Partei AKP könnte das helfen. Es ist nicht der einzige Tabubruch, zu dem die Kanzlerin bereit ist.

Es kommt sehr selten vor, dass sich Angela Merkel in den Wahlkampf eines anderen Landes einmischt. In Frankreich hat sie das schon einmal getan. In der Türkei ist es eigentlich undenkbar. Merkels CDU hat dort nicht einmal einen Verbündeten in der Parteienlandschaft. Trotzdem reist sie nun nach Istanbul und trifft dort auf Präsident Recep Tayyip Erdoğan und auf Ministerpräsident Ahmed Davatoğlu. Beide sind Mitglieder der konservativ-islamischen Partei AKP. Dass sie sich an der Seite der mächtigen deutschen Kanzlerin zeigen, könnte das Wahlergebnis der Partei verbessern. Gewählt wird am 1. November, die AKP ringt um den Erhalt ihrer Macht.

Es ist nicht Merkels Ziel, den Wahlkampf zu beeinflussen. Sie kommt zu diesem Zeitpunkt, weil sie innenpolitisch unter Druck steht: Ministerpräsidenten, Bürgermeister und Abgeordnete ihrer eigenen Partei wettern gegen ihre vermeintliche Tatenlosigkeit beim Thema Flüchtlinge. Merkel soll den Zustrom stoppen, aber sie will die deutschen Grenzen nicht dichtmachen. Darum soll die Türkei helfen: Indem sie den dort lebenden Flüchtlingen bessere Lebensbedingungen schafft und vor allem, indem sie die Grenze zur EU überwacht.

Um die Türkei dazu zu bringen, hat Merkel einige Angebote dabei, von denen einige weitere Tabubrüche darstellen.

Unterschiedliche Interessen in Syrien

So zeigte sich die Bundesregierung gesprächsbereit, wenn es darum geht, die Interessen der Türkei im Syrien-Konflikt zu unterstützen. Zum Beispiel plädiert Erdoğan dafür, an der türkischen Grenze eine Schutzzone für Flüchtlinge einzurichten. Bislang wird das Gebiet vom IS beherrscht. Wenn die von den USA geführte Anti-IS-Koalition den Landstrich besetzen würde, hätte die Türkei davon einen doppelten Nutzen: Erstens würde der IS von der türkischen Grenze ferngehalten. Und zweitens würde dadurch verhindert, dass die Kurdengebiete, die westlich und östlich der Zone liegen, miteinander vereint werden. Die Türkei möchte die staatsähnlichen Strukturen, die die Kurden in Nordsyrien geschaffen haben, schwach halten, damit nicht von dort aus der Kampf der türkischen Kurden gegen die türkische Regierung gestärkt wird.

Überhaupt hat die Bundesregierung ihren Kurs in Kurdenfragen leicht geändert. Zwischenzeitig wirkte es so, als könne die Arbeiterpartei PKK mittelfristig ihren Status als Terrororganisation verlieren. Das hing damit zusammen, dass die mit der PKK eng verbündeten Organisationen in Syrien und im Irak gegen den Islamischen Staat kämpften. Indirekt belieferte die Bundesregierung diese Gruppen sogar mit Waffen. Doch da Deutschland nun die Türkei braucht, wird die PKK weiter als gemeinsamer Feind gelten. Die Kritik, die Merkel immer wieder an der brutalen Kurdenpolitik der Regierung Erdoğan äußerte, ist verstummt.

Wohlwollen zum EU-Beitritt

Immer wieder tauchen in der Diskussion zwei Vorschläge auf, die mit Flüchtlingsfragen eigentlich nichts zu tun haben: Zum einen soll es für Türken, die in die EU einreisen wollen, nicht länger notwendig sein, ein Visum zu beantragen. Das wünscht sich das Land seit langem. Und zum anderen könnte der EU-Beitrittsprozess des Landes vorangetrieben werden. Zwar stellt es die Bundesregierung so dar, als ginge es dabei um einen rein technischen Prozess. Praktisch hängt sein Fortschritt aber vom politischen Willen ab. Und im Abschlussdokument vom Gipfel am vergangenen Donnerstag heißt es, der Prozess brauche neue Energie.

Und schließlich soll viel Geld fließen, mit dem die Türkei beim Tragen der Lasten der Flüchtlingsunterbringung unterstützt wird. Eine Milliarde hatte die EU dafür vorgesehen. Die Türken forderten am Donnerstag sogar drei Milliarden. Merkel wies die Summe zumindest nicht als unrealistisch zurück. Wie man sich letztlich einigen wird, ist noch offen.

Sicher ist aber: Die Türkei als Partner in der Flüchtlingskrise zu gewinnen, wird teuer – politisch und finanziell.

Quelle: ntv.de

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