Website-Zensur ohne Gericht Türkische Regierung erlaubt sich Netzsperren
10.09.2014, 11:12 Uhr
Der neue Präsident Recep Tayyip Erdogan (l.) und sein Nachfolger als Premier, Ahmet Davutoglu, hatten schon Anfang des Jahres eine Sperrung von Seiten wie Youtube oder Twitter gestützt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Anfang 2014 waren einzelne Websites wie Youtube oder Twitter in der Türkei nicht mehr aufrufbar. Damals schreitet ein Gericht ein. Ein Gesetz erlaubt den Behörden jetzt die Sperrung ohne Richter. Auch die Datenspeicherung wird erweitert.
Der Regierung unliebsame Websites können in der Türkei in Zukunft ohne Gerichtsbeschluss gesperrt werden. Ein jetzt vom Parlament in Ankara verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass die staatliche Internetbehörde (TIB) die Internetanbieter zur Sperrung einer Seite innerhalb von vier Stunden zwingen kann, wie die Nachrichtenagentur Anadolu meldet.
Erst nach der Sperrung einer Seite muss sich die Behörde an ein Gericht wenden, um die Sperrung bestätigen zu lassen. Nach dem neuen Gesetz kann die Internetbehörde gegen eine Website oder gegen Inhalte einschreiten, wenn sie die "nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet" sieht und um "Verbrechen vorzubeugen", berichtet "Hürriyet Daily News". Vor allem die Opposition sieht darin einen direkten Angriff der Regierung auf Kritiker und Andersdenkende im Internet.
Nach der Verbreitung von Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan waren Anfang dieses Jahres die Zugänge zu den Internetplattformen Twitter und Youtube vorübergehend gesperrt worden. Das Verfassungsgericht hob die Sperren zwar wieder auf, die Regierung trieb jedoch eine Verschärfung der Gesetze voran. Die gerichtliche Überprüfung einer behördlich verfügten Sperre muss nach dem neuen Gesetz innerhalb von 48 Stunden erfolgen.
Auch Nutzerdaten werden gespeichert
Der Internetexperte Kerem Altiparmak von der Universität Ankara kritisierte, mit dem neuen Gesetz könne der Vorsitzende der Internetbehörde willkürlich gegen alle Internetseiten vorgehen, die ihm nicht gefielen. Auch vonseiten der EU und den USA sah sich die türkische Regierung nach den Sperrungen zu Beginn des Jahres wegen staatlicher Internetkontrolle starker Kritik ausgesetzt.
Das neue Gesetz sieht zudem eine Datenvorratsspeicherung bei der Internetbehörde vor. Die Behörde erhält das Recht, den Verlauf von Internetnutzern zwei Jahre lang zu speichern und die Daten auf richterliche Anordnung an die Sicherheitsbehörden weiterzugeben. "Die Weitergabe von Informationen über das Surfverhalten einzelner Internetnutzer an das Gericht dauerte bisher mindestens einen Monat, wodurch oft erhebliche Verzögerungen auftraten. Durch das Speichern dieser Information bei der TIB wird dies nun viel schneller gehen", sagte ein Behördenvertreter "Hürriyet".
Quelle: ntv.de, bwe/AFP