Ruf nach Flugverbotszone in Syrien UN-Beobachter beschossen
30.07.2012, 20:34 Uhr
Gaye wurde ins Visier genommen.
(Foto: dpa)
In Syrien geraten unbewaffnete UN-Beobachter ins Visier von Kämpfern. Die Angriffe gehen noch einmal glimpflich aus, keiner wird verletzt. Die UN fordern alle Seiten auf, Zivilisten zu verschonen und Helfern sicheren Zugang zu gewähren. Unterdessen können die Aufständischen nach eigenen Angaben eine direkte Straßenverbindung zur Türkei einnehmen.
In Syrien ist ein Konvoi unbewaffneter UN-Beobachter angegriffen worden. Der neue Chef der UN-Beobachtermission, der senegalesische General Babacar Gaye, und sein Team seien am Sonntag zwei Mal mit leichten Waffen beschossen worden, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Bei den Angriffen sei niemand verletzt worden, fügte der UN-Generalsekretär hinzu. Zunächst hatte es geheißen, Panzer der syrischen Armee steckten hinter den Angriffen.
Gaye sagte unterdessen, die anhaltende Gewalt beider Konfliktparteien bei den Kämpfen um die syrische Wirtschaftsmetropole erfülle ihn mit großer Sorge. "Meine Beobachter dort haben über eine Zunahme der Gewalt berichtet, wobei Hubschrauber, Panzer und Artillerie im Einsatz sind", fügte Gaye hinzu. Beide Seiten müssten das internationale humanitäre Völkerrercht einhalten und Zivilisten schützen.
Große Flüchtlingswelle
Der Kampf um die syrische Millionenmetropole Aleppo löste indes eine aus und ließ erneut Forderungen nach einer Flugverbotszone laut werden. Rund 200.000 Menschen flohen nach Schätzungen von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond in den vergangenen Tagen aus Aleppo. Viele der knapp zwei Millionen Einwohner dürften aber noch in der umkämpften Stadt festsitzen.
Syrische Rebellen konnten nach eigenen Angaben erstmals eine direkte Straßenverbindung zum Nachbarn Türkei einnehmen. Die Aufständischen eroberten eine strategische Anhöhe im Nordwesten von Aleppo, auf der sich bislang ein Kontrollpunkt der Regimetruppen befunden hatte. Über die 50 Kilometer lange Strecke Richtung Türkei könnten nun Kämpfer und Nachschub transportiert werden, sagte der örtliche Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi.
Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos forderte die Truppen des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad und die Aufständischen auf, Zivilisten zu verschonen und Helfern sicheren Zugang zu gewähren. "Niemand weiß, wie viele Menschen an Orten gefangen sind, an denen die Kämpfe weitergehen", erklärte sie. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, sagte der ARD: "Humanitärer Zugang ist das Minimum, was wir brauchen." Das Rote Kreuz müsse "die Leute versorgen können".
Aus Angst vor einer Flüchtlingswelle aus Syrien lässt Griechenland die EU-Außengrenze zur Türkei noch schärfer bewachen. 1800 Grenzpolizisten würden zusätzlich an die Grenze geschickt, sagte Justizminister Nikolaos Dendias nach einem Treffen mit Regierungschef Antonis Samaras.
Frankreich verlangt eine neue Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats. Das Treffen solle noch vor Ende der Woche einberufen werden, sagte Außenminister Laurent Fabius dem Radiosender RTL. Wahrscheinlich sei eine Zusammenkunft auf Ministerebene. "Das syrische Volk erlebt ein Martyrium und der Peiniger heißt Baschar al-Assad", sagte Fabius. Frankreich übernimmt an diesem Mittwoch den monatlich wechselnden Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Oppostionelle fordern Flugverbotszone
Der oppositionelle Syrische Nationalrat forderte den Weltsicherheitsrat auf, eine Flugverbotszone über Syrien einzurichten, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Nach Angaben des Nationalrats verhindern die Regimetruppen die Versorgung Aleppos mit Benzin, aber auch mit Lebensmitteln und Medikamenten. Auch der Strom sei abgeschaltet worden, so dass die Krankenhäuser ihre Patienten nicht mehr ausreichend versorgen könnten.
Ein Sprecher des Nationalrats sagte, über eine Flugverbotszone solle in der ersten Augustwoche in Marokko mit der internationalen Staatengruppe der "Freunde Syriens" beraten werden. Dabei werde sich der Nationalrat dafür einsetzen, dass beim UN-Sicherheitsrat offiziell die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert werde. Der im Exil operierende Nationalrat gilt als das wichtigste syrische Oppositionsbündnis. Am Dienstag will der oppositionelle Syrische Nationalrat in Kairo über die Bildung einer Übergangsregierung im Exil beraten.
Das türkische Militär verlegte an drei Stellen Truppen, Panzer und Raketenwerfer an die syrische Grenze, wie die Agentur Anadolu meldete. Syrische Regierungstruppen griffen den dritten Tag in Folge Stellungen der Aufständischen in Aleppo an. Die Stadtbezirke Salaheddin und Al-Sukkari wurden bombardiert, in Salaheddin, Al-Issa und Athamija tobten darüber hinaus heftige Kämpfe am Boden, wie die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London mitteilten.
Über erste mögliche Erfolge der Regimetruppen im südwestlichen Salaheddin kursierten widersprüchliche Berichte. "Salaheddin wurde vollständig zurückgewonnen", zitierte das staatliche syrische Fernsehen einen hochrangigen Militär. Die Aufständischen bestritten dies vehement. "Die Behauptung entbehrt jeder Grundlage", sagte der Rebellenkommandeur Al-Halebi. Die Regimetruppen hätten erneut versucht, Salaheddin mit Panzern anzugreifen, seien aber zurückgeschlagen worden.
Die Truppen von Assad hatten am Samstag eine Großoffensive gegen die Stellungen der Aufständischen in Aleppo gestartet. Die Kontrolle über die Handels- und Geschäftsmetropole gilt als entscheidend für die Erfolgsaussichten der Revolte gegen das Regime, die seit 16 Monaten anhält.
Indessen kehrt ein weiterer ranghoher Diplomat Assad den Rücken. Der Geschäftsträger der syrischen Botschaft in London, Chalid al-Ajubi, wandte sich nach Angaben des britischen Außenministeriums vom Regime in Damaskus ab. Der Schritt Al-Ajubis zeige den "Umschwung und die Verzweiflung" der Syrer. Das britische Außenministerium forderte andere syrische Diplomaten in aller Welt auf, es ihm gleichzutun.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP