US-Wahl

Inside Wall Street Das Lügen-Festival von Tampa

Hauptsache, die Show stimmt: Mitt Romney und Paul Ryan in Tampa.

Hauptsache, die Show stimmt: Mitt Romney und Paul Ryan in Tampa.

(Foto: dpa)

Traditionell steht die Wall Street hinter den Republikanern und Heuschrecken-Kapitalist Romney hat auch nichts Abschreckendes für den Finanzsektor. Doch kritisch betrachtet fällt Romneys Wirtschaftsplan in sich zusammen und noch schlimmer ist die Lügenparade, mit der der Wahlkampf geführt wird.

In den USA ist die Wall Street in diesen Tagen nur Nebenschauplatz. Das ganz große Kino läuft anderswo: Action an der Golfküste, wo der Hurrikan Isaac tobt, ein etwas langatmiger Krimi in Jackson Hole/Wyoming, wo man auf Ben Bernanke wartet, und Science-Fiction in Tampa, wo der Parteitag der Republikaner in einem Paralleluniversum stattfindet, das mit der wahren Welt nichts zu tun hat.

Die Wall Street verfolgt den Parteitag der Republikaner mit Interesse, den größtenteils steht man hinter der Partei, die ja mit dem Heuschrecken-Kapitalisten Mitt Romney einen der Ihren ins Rennen um das Weiße Haus schickt. Das passt dem Finanzsektor nur zu gut, der auf gute Jahre unter Romney hofft. Deregulierung der Banken, niedrige Steuern für Unternehmen und Großverdiener, vor allem niedrige Kapitalertragssteuern, all das sichert Jobs am Südzipfel Manhattans – dem Land hilft es allerdings nicht.

Im Gegenteil: Kritisch betrachtet fällt Romneys Wirtschaftsplan durch. Zum einen, weil viel zu wenig Details bekannt sind, um ihn überhaupt ernst zu nehmen. Das Team Romney/Ryan will Steuern senken - das ist keine Überraschung, sondern das Dauermantra einer Partei, die fahnenschwenkend ihren Patriotismus durch die Landschaft brüllt, sich aber gleichzeitig um jede Steuer, um jedes Opfer für das eigene Land drückt.

Mit Steuersenkungen lässt sich der hoch verschuldete US-Haushalt nicht retten, auch wenn die Republikaner noch tausendmal beschwören, dass freundlichere Abgabensätze einen Wirtschaftsboom auslösen und die Gesamteinnahmen der Regierung dadurch erhöhen würden. Wirklich problematisch ist, dass sich auch mit den vorgeschlagenen Einsparungen der Haushalt nicht ausgleichen lässt, denn Romney/Ryan drücken sich vor den wirklich großen Einsparungen (staatliche Krankenversicherung, Verteidigung, etc.) weil sie damit Wähler verlieren könnten.

Er wolle sich erst nach der Wahl zu den großen Einschnitten äußern, sagt Romney, man solle ihm bis dahin vertrauen. Dabei ist an ihm nichts vertrauenswürdig – gar nichts. Romney weigert sich strikt, seine Steuererklärungen in alter Wahlkampftradition zu veröffentlichen, er behauptet, er wisse nicht, wo sein "blind trust" sein Vermögen geparkt habe, er greift Präsident Obama mit Unwahrheiten an ... seine Parteisoldaten ziehen mit, und der Parteitag war in den ersten beiden Tagen eine Propagandaveranstaltung voller Lügen, was die Delegierten ebenso wenig stört wie den gleichgeschalteten Murdoch-Sender Fox News, über den weite Teile des Landes ihre politischen Informationen beziehen.

Den Auftakt der Lügenparade machte am Dienstag Chris Christie, der schwergewichtige Gouverneur von New Jersey. Christie wetterte, dass es endlich an der Zeit wäre, über unbequeme Wahrheiten zu sprechen – allerdings ließ er seine eigenen Wahrheiten komplett aus: etwa, dass der Ostküstenstaat unter seiner Regie die vierthöchste Arbeitslosigkeit in den USA verzeichnet, oder dass sein Haushaltsausgleich auf Kosten der Pensionskassen ging, in die er einfach nur ein Viertel der notwendigen Einlagen zahlte – den Rest will er in kommenden Jahren nachliefern. Das ist keine Problemlösung, sondern ein Aufschub.

Nicht besser machte es Paul Ryan am Mittwoch, der als Vizepräsidentschaftskandidat im Mittelpunkt stand. Seine Attacken gegen Obama waren komplett irreführend und erlogen. So sprach er zum wiederholten Male über ein Werk von General Motors, das heute geschlossen sei, obwohl Barack Obama versprochen habe, es könne weiter in Betrieb bleiben. In Wahrheit hatte Obama vor vier Jahren zwar vor Ort eine Wahlkampfveranstaltung gehalten. Versprochen hatte er aber nichts, und das Werk schloss kurz darauf noch während der Amtszeit von George W. Bush. An Obamas Wirtschaftspolitik kann das offensichtlich nicht gelegen haben.

Bleiben wir bei GM: Ohios Gouverneur John Kasich ließ sich vom Parteitag für den wirtschaftlichen Aufschwung in seinem Bundesstaat feiern. Unerwähnt blieb in seiner Rede, dass der größte Teil des Aufschwungs der Wende im Automobilsektor zu verdanken ist. Die wiederum begann mit dem Bailout für die Branche, den Obama durchsetzte – gegen die Stimmen von Romney und Kasich.

Bei anderen Themen nimmt man es mit der Wahrheit nicht genauer: Obama habe heimlich 716 Millionen Dollar aus der staatlichen Krankenkasse abgezogen, um seine Gesundheitsreform zu finanzieren, sagt Ryan. Er sagt nicht, dass sein eigenes Konzept auf die genau gleiche Kürzung von 716 Millionen Dollar baut.

Ryan wirft Präsident Obama weiterhin vor, die Abstufung der US-Kreditwürdigkeit verschuldet durch Standard & Poor's verschuldet zu haben. Völliger Unsinn, wie selbst Standard & Poor's schreibt. Die dortigen Analysten beriefen sich in ihrer Abstufung auf zwei Punkte: die strikte Weigerung der Republikaner, Steuern anzuheben und den Haushalt auszugleichen. Und den Streit um die Anhebung der Schuldendecke im Kongress. Der wurde von den Republikanern ausgelöst – unter der Führung von Paul Ryan.

Sämtliche Unwahrheiten in der Rede von Paul Ryan wurden in der Vergangenheit längst widerlegt – die Republikaner stört das nicht. "Wir lassen uns den Wahlkampf nicht von einem Fact Checker kontrollieren", sagte jüngst Neil Newhouse, einer der Wahlkampfstrategen im Team Romney. Will heißen: Fakten spielen keine Rolle. Die Republikaner lügen so sehr sie das eben für nötig halten, um ins Weiße Haus zu kommen. Ihre Basis erreichen sie damit, unabhängige Wähler dürften sie allerdings kaum auf ihre Seite holen.

Quelle: ntv.de

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