Aufruhr in der islamischen Welt USA beschwören Standhaftigkeit
15.09.2012, 10:49 Uhr
Gewaltsame Proteste vor der US-Botschaft in Tunis.
(Foto: dpa)
Große Wut und Entrüstung über den islamfeindlichen Film entlädt sich in vielen muslimischen Staaten. Die internationale Gemeinschaft ist in Sorge und verurteilt die Gewalt gegen westliche Botschaften. "Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass diese Demonstrationen außer Kontrolle geraten", warnt US-Verteidigungsminister Panetta.
Die USA haben angesichts der wütenden Proteste in arabischen Ländern ein Signal der Stärke verkündet. "Wir werden standhalten angesichts der Gewalt gegen unsere diplomatischen Missionen", sagte US-Präsident Barack Obama bei einer Trauerfeier für die beim Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi getöteten Diplomaten. Im Zuge der Proteste war am Freitag auch die deutsche Botschaft im Sudan angegriffen worden.
Bei einer Demonstration gegen einen islamfeindlichen Film aus den USA hatten Angreifer am Dienstag das US-Konsulat im libyschen Bengasi attackiert. Sie töteten den US-Botschafter, drei weitere Diplomaten sowie libysche Sicherheitskräfte. Bei der Trauerfeier auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews sagte Obama: "Ihr Opfer wird niemals vergessen werden, wir werden diejenigen, die sie uns genommen haben, zur Rechenschaft ziehen."
Die Regierung werde weiterhin "alles in ihrer Macht" tun, um US-Bürger im Ausland zu schützen, versicherte der Präsident. US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte dem Magazin "Foreign Policy": "Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass diese Demonstrationen außer Kontrolle geraten." Schon jetzt jagen das US-Militär und Geheimdienste in Libyen die Hintermänner des Angriffs in Bengasi. Auch in den Jemen, wo Demonstranten am Donnerstag die US-Botschaft gestürmt hatte, sandten die USA Marineinfanteristen. Laut "Foreign Policy" erwägen die USA zudem, 50 Marines zum Schutz der Botschaft im Sudan zu entsenden.
Protest erreicht Australien
In den arabischen Ländern kehrte zunächst wieder Ruhe ein. Ägyptische Sicherheitskräfte räumten den zentralen Kairoer Tahrir-Platz und die Straßen zur nahe liegenden US-Botschaft, wo seit Tagen protestiert wurde. In Ägypten hatten die inzwischen weltweiten Proteste am Dienstag mit einem Sturm auf die US-Vertretung begonnen.
Andernorts flammten neue Proteste auf. In Sydney setzte die Polizei am Samstag Tränengas gegen Hunderte demonstrierende Muslime ein, die zum US-Konsulat ziehen wollten. Es habe Verletzte gegeben, berichtete der Fernsehsender ABC. Teilnehmer trugen schwarze Dschihad-Fahnen sowie Transparente mit der Aufschrift: "Enthauptet all jene, die den Propheten beleidigen." Auch Parolen gegen Kopten waren zu hören. Malaysia und andere Staaten verschärften derweil die Sicherheitsvorkehrungen besonders vor US-Institutionen.
Internationale Besorgnis
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte die Gewalt gegen diplomatische Einrichtungen in der arabischen Welt scharf. Die Angriffe seien "nicht zu rechtfertigen", kritisierten die 15 Mitglieder des höchsten UN-Gremiums in einer beschlossenen Erklärung. Sie zeigten sich "zutiefst beunruhigt" über die Lage. Das Gremium erinnerte die Gastgeber-Länder der diplomatischen Vertretungen an ihre Pflicht, die ausländischen Einrichtungen zu schützen. Die EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton verurteilte "jene, die Religion nutzen, um Extremismus anzustacheln".
Die wütenden Proteste in der islamischen Welt richten sich auch gegen Deutschland. Tausende Demonstranten steckten am Freitag die deutsche Botschaft in Sudans Hauptstadt Khartum in Brand. Botschaftsmitarbeiter kamen aber nicht zu Schaden. Das Auswärtige Amt riet deutschen Staatsbürgern, das Gebiet um die Botschaft in Khartum bis auf weiteres zu meiden. Das Ministerium mahnte auch grundsätzlich zur Vorsicht bei Reisen in muslimische Länder.
Merkel verurteilt Angriffe
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte angesichts der Übergriffe "große Sorge" "Ich verurteile die Angriffe auf die deutsche Botschaft in Khartum sowie auf mehrere amerikanische Botschaften in aller Schärfe", erklärte Merkel am Freitagabend. Gewalt könne nie Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, sagte sie. Auch dürfe religiöser Fanatismus nicht die Oberhand gewinnen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte das Video erneut in aller Schärfe. Das "Schmähvideo" sei eine "Beleidigung von vielen Millionen Menschen, aber auch dieses törichte und schreckliche Video rechtfertigt keine Gewalt", sagte er am Freitag in der ARD.
Bei den gewaltsamen Protesten in vielen muslimischen Ländern kamen am Freitag insgesamt mindestens sechs Menschen ums Leben. In Khartum gab es zwei Tote, auch in Tunis wurden zwei Menschen getötet. Im Libanon wurde ein Demonstrant erschossen, ebenso in Kairo, wo die Proteste am Dienstag begonnen hatten.
Quelle: ntv.de, dsi/dpa/AFP