Banken, Unternehmen, Netzwerke Neue US-Sanktionen treffen Russland und China
12.06.2024, 22:01 Uhr Artikel anhören
Die von den USA verhängten Sanktionen sollen nun Russland und seine chinesischen Unterstützer treffen.
(Foto: picture alliance/dpa/POOL)
Kurz vor dem G7-Gipfel in Italien verabschieden die USA ein neues Sanktionspaket. Alles mittlerweile Folklore? Nein, erklären US-Politiker. Moskaus militärische Möglichkeiten sollen geschwächt, und Ressourcen- und Geldflüsse erschwert werden. Diesmal trifft es auch chinesische Unternehmen.
Die USA haben pünktlich zum G7-Gipfel neue Sanktionen gegen Unterstützer des russischen Krieges gegen die Ukraine verhängt. Die Ankündigung machte den Auftakt für einen weiteren Kraftakt, den die sieben demokratischen Industrienationen zur Unterstützung des angegriffenen Landes bei ihrem dreitägigen Gipfeltreffen in Süditalien unternehmen wollen. Die Staats- und Regierungschefs der Länder kommen an diesem Donnerstag im Luxushotel "Borgo Egnazia" in Apulien zusammen. Neben der Ukraine stehen auch der Gaza-Krieg, die schwierigen Handelsbeziehungen zu China und die Migration auf der Tagesordnung. Gäste der Gipfelrunde sind unter anderem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und erstmals auch der Papst.
Zur Gruppe der Sieben gehören die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien, das dieses Jahr Gastgeber ist und den Vorsitz hat. Für Deutschland reist Bundeskanzler Olaf Scholz an. US-Präsident Joe Biden wurde am Abend in Süditalien erwartet. Für die EU sind Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dabei.
Wegen des Angriffs auf die Ukraine vor mehr als zwei Jahren hat der Westen bereits beispiellose Sanktionen gegen Russland und seine Unterstützer verhängt. Mit der Verkündung neuer Sanktionen hatte die US-Regierung auch im vergangenen Jahr den G7-Gipfel in Japan eingeläutet, um Moskau den Zugang zu Gütern zu erschweren, die auf dem Schlachtfeld wichtig sind.
Auch chinesische Unternehmen betroffen
Das neue Paket richtet sich gegen mehr als 300 Personen und Einrichtungen, die Russland unterstützten, Sanktionen zu umgehen und Materialien für das Schlachtfeld herzustellen, hieß es vom US-Außenministerium. Dazu gehörten Banken, Netzwerke, Unternehmen und weitere Ziele in Russland sowie Ländern wie China, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Strafmaßnahmen sollten Russlands verbleibende Beschaffungswege treffen, das betreffe auch wichtige Lieferungen aus Drittländern, sagte US-Finanzministerin Janet Yellen. Das Handelsministerium gab zudem bekannt, es habe acht Adressen in Hongkong auf die Sanktionsliste gesetzt, um Briefkastenfirmen zu bestrafen. Von den neuen Sanktionen seien außerdem Personen betroffen, die für die Verschleppung und Umerziehung ukrainischer Kinder verantwortlich seien.
Nach Angaben des US-Finanz- und Außenministeriums sind unter den Betroffenen auch Institutionen, die an drei Projekten zu Flüssigerdgas (LNG) involviert sind, sowie die Moskauer Börse und mehrere Tochtergesellschaften. Dadurch sollen Transaktionen in Milliardenhöhe verkompliziert werden.
"Wir erhöhen das Risiko für finanzielle Institutionen, die in Russlands Kriegswirtschaft involviert sind, eliminieren Schlupflöcher und mindern Russlands Fähigkeit, vom Zugang zu ausländischer Technologie, Ausstattung, Software und IT-Dienstleistungen zu profitieren", sagte Yellen. US-Außenminister Antony Blinken sagte, die Vereinigten Staaten seien besorgt über "das Ausmaß und die Vielfalt" der chinesischen Exporte nach Russland, die Russlands Militärindustrie unterstützten.
Bisher wurden ausländische Banken nur bestraft, wenn sie die russische Verteidigungsindustrie unterstützen. Mit den neuen Beschlüssen sollen auch Finanzinstitute getroffen werden, die Transaktionen vornehmen, an denen sanktionierte Personen oder russische Banken wie VTB oder Sberbank beteiligt sind. Die Liste der potenziell Betroffenen steigt damit laut Finanzministerium von 1000 auf 4500.
Russland kündigte eine Reaktion auf die neue US-Sanktionswelle an. "Wie immer in diesen Fällen wird Russland solch eine aggressive Handlung nicht unbeantwortet lassen", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Die Börse in Moskau kündigte an, den Handel in Dollar und Euro einzustellen.
Ukraine kann auf riesiges Hilfspaket vom G7-Gipfel hoffen
Selenskyj nimmt am Donnerstag an einer der Arbeitssitzungen der G7-Staaten teil. Während des Gipfels kann er mit Zusagen rechnen. Erwartet wird, dass sich die Gruppe grundsätzlich darauf verständigt, der Ukraine möglichst schnell neue Hilfen in Höhe von rund 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Milliarden Euro) zu gewähren. Dies soll mithilfe eines Kreditpakets geschehen, das über die Zinserträge aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen finanziert wird. Mit dem Geld könnte die Ukraine ihre Verteidigung stärken und den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur bezahlen. Zudem sollen Engpässe im ukrainischen Staatshaushalt ausgeglichen werden können, erklärte ein EU-Beamter am Dienstagabend.
Die EU-Staaten hatten bereits entschieden, die Zinserträge direkt für die Finanzierung von Militärhilfen für die Ukraine bereitzustellen. Allein dieses Jahr sollen so bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen. Über den sogenannten Kredithebel könnte die Wirkung nun aber noch einmal deutlich erhöht werden.
Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen zu haben. Es ist in der EU das mit Abstand wichtigste Institut, das Vermögenswerte der russischen Zentralbank verwahrt.
Bericht: USA wollen Ukraine weiteres Patriot-Flugabwehrsystem liefern
US-Präsident Biden will der Ukraine einem Medienbericht zufolge ein weiteres Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung stellen. Biden habe sich vergangene Woche nach einer Reihe von Treffen mit ranghohen Beratern dazu entschieden, schrieb die "New York Times" unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen in der Regierung. Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby, bestätigte den Bericht auf Nachfrage nicht. Denkbar ist, dass die US-Regierung die Ankündigung im Rahmen des Gipfels macht.
Das neue Patriot-System der USA sei derzeit in Polen, schrieb die "New York Times" weiter. Es könne in den kommenden Tagen an der ukrainischen Front eingesetzt werden. Es wäre das zweite Patriot-Flugabwehrsystem, das die USA der Ukraine zur Verfügung stellen.
Es zählt zu den modernsten der Welt. Mit ihm werden feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft. Auf eine Entfernung von etwa 100 Kilometern und bis in Höhen von 30 Kilometern können die Abwehrraketen in einer gedachten Glocke um die Stellung Ziele treffen - abhängig vom eingesetzten Lenkflugkörper.
Der Papst ist der Ehrengast
Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni begrüßt ihre Gäste in dem Luxus-Resort "Borgo Egnazia", das 28 Villen sowie 63 Suiten oder Zimmer in traditionell apulischem Stil unterhält. Dazu gibt es Restaurants, Pools, ein Golfplatz und ein Beachclub. Auch der Papst wird dort mit den Staats- und Regierungschefs zusammentreffen. Zum ersten Mal überhaupt nimmt ein Papst an einem G7-Gipfel teil. Das Oberhaupt der katholischen Kirche soll über das Thema Künstliche Intelligenz sprechen. Bei der Arbeitssitzung soll es aber auch um Afrika und das Mittelmeer gehen - und Franziskus pocht immer wieder auf Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten, die den gefährlichen Seeweg nach Europa wagen.
Das G7-Treffen schließt nahtlos an die zweitägige Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin an. Am Samstag geht es für Scholz und auch Selenskyj weiter zur Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, zu der sich nach Angaben der Regierung in Bern bislang rund 40 Staats- und Regierungschefs angemeldet haben. Eingeladen waren rund 160. Weitere gut 40 Staaten sollen mit anderen hohen Regierungsvertretern dabei sein.
Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP