Politik

Steinmeiers Bilanz Über Trump und Putin sagt er lieber nichts

Acht Jahre Außenminister, im Februar 2017 wird Steinmeier Bundespräsident.

Acht Jahre Außenminister, im Februar 2017 wird Steinmeier Bundespräsident.

(Foto: picture alliance / Maurizio Gamb)

Als Außenminister erlebt Frank-Walter Steinmeier stürmische Zeiten. In einem neuen Buch schildert er spannende Episoden und erklärt, warum er ein Russland-Versteher ist. Klare Worte über die Mächtigen der Welt scheut Steinmeier.

Das wahrscheinlich exotischste Geschenk, das Frank-Walter Steinmeier als Außenminister bekam? Es hieß "Goldene Hufe" und hatte vier Beine. Der Präsident der Mongolei schenkte dem überraschten Sozialdemokraten im Juli 2014 ein Pferd. Da Steinmeier das Tier schlecht im Flugzeug mitnehmen konnte, blieb "Goldene Hufe" in der Mongolei. Steinmeiers Amtskollege versprach, sich gut um das Pferd zu kümmern.

Buchvorstellung mit Steinmeier

Buchvorstellung mit Steinmeier

(Foto: picture alliance / Maurizio Gamb)

Das und viele andere Anekdoten erzählt der Politiker in einem Buch, das er am Donnerstagmorgen im Berliner Maxim-Gorki-Theater vorgestellt hat. Steinmeier selbst mag es nicht so nennen, aber "Flugschreiber: Notizen aus der Außenpolitik in Krisenzeiten" ist eine Art Bilanz und Vermächtnis. Im Februar endet die Ära Steinmeier, dann wird der 60-Jährige Bundespräsident.

Zwei Amtszeiten leitete der ehemalige Kanzleramtschef des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder das Auswärtige Amt. 2009 übergab er die Leitung an den inzwischen verstorbenen FDP-Politiker Guido Westerwelle, vier Jahre später kehrte Steinmeier zurück. Vor allem Reisen und Reden, räumt er in seinem Buch ein, prägten seine Zeit als Minister. 400.000 Kilometer im Jahr: Auf mehr als 200 Seiten hat der SPD-Politiker viele Episoden nachgezeichnet, Begegnungen mit Veteranen in Wolgograd, Reisen nach Südkorea und Kolumbien, in die USA und nach Litauen.

"Ein Moment, den ich nicht vergesse"

Besonders spannend sind die Kapitel, in denen Steinmeier Szenen nacherzählt. Wie zum Beispiel die aus dem Februar 2014, als er nahe des umkämpften Maidan in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch und der Opposition zusammensaß. Steinmeier skizziert die kompromisslosen Verhandlungen, die schlaflose Nacht, an deren Ende ein Fünf-Punkte-Plan stand, der kurz später schon hinfällig war, weil Janukowitsch flüchtete. An anderer Stelle schildert Steinmeier seinen Besuch des Pariser Fußballstadions Stade de France an jenem Abend im November 2015, als der islamistische Terror Frankreich erschütterte. Nach den erfolgreichen Atom-Verhandlungen mit dem Iran im Juli 2015 beschreibt Steinmeier die Tränen in den Augen von US-Außenminister John Kerry. "Das war ein Moment, den ich nicht vergesse", schreibt er.

Geht es um die Beschreibung von Politikern, hält sich Steinmeier ansonsten vornehm zurück. Er schreibt von offenen Gesprächen ohne Krawatte bei einem Glas Scotch mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Diesen beschreibt er als einen der "schwierigsten, weil auch professionellsten Verhandlungspartner" – eine nette Umschreibung. Den Frust darüber, wie oft er sich an dem skrupellosen Lawrow die Zähne ausgebissen hat, kann Steinmeier gut verstecken. Hat er sich auch hinter verschlossenen Türen so höflich zurückgehalten oder war es ganz anders, und er will damit nur nicht prahlen? Ob und wenn ja wie deutlich er dem Russen oder anderen die Meinung gesagt hat, bleibt sein Geheimnis. Im Buch steht es nicht.

Wer sich klare Ansagen wünscht, wird enttäuscht. Steinmeier verliert weder über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan noch über Russlands Präsident Wladimir Putin ein schlechtes Wort. Damit bestätigt er seinen Ruf. Lange bevor Steinmeiers Wechsel ins Schloss Bellevue perfekt war, galt er schon als präsidial-bedächtiger Politiker. Scharfe oder zackige Rhetorik ist nicht seins. Einmal machte Steinmeier eine Ausnahme, vor einigen Wochen nannte er Donald Trump einen "Hassprediger". Ein Ausrutscher? Im Buch äußert er sich deutlich zurückhaltender über den designierten US-Präsidenten. Da kommt der klassische Steinmeier durch, der vor einfachen Antworten und vor Abschottung warnt, der Angst als schlechten Ratgeber bezeichnet. Als Steinmeier bei der Buchvorstellung von Moderator Ulrich Deppendorf auf Trump und Putin angesprochen wird, weicht er aus.

Russland-Versteher?

Russland widmet Steinmeier im Buch viel Platz. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, ein Russland-Versteher zu sein. "Verstehen bedeutet nicht Verständnis und erst recht nicht Einverständnis", heißt es. Ohne den Versuch, "Motive und Gründe für die Haltung des Gegenübers zu verstehen", gebe es keinen Weg zur Verständigung. Es sind typische Steinmeier-Sätze. Im Buch zitiert er mit Vorliebe sein Vorbild, den früheren Bundeskanzler Willy Brandt. Am Ende steht jedoch eine eigene Weisheit: "Wir müssen geduldige Knotenlöser sein und möglichst viele zum Mitdröseln ermuntern."

Was bleibt von Steinmeier als Außenminister? Die Konflikte in der Ukraine und Syrien hat er eng begleitet, aber sie halten an. Seine Verdienste bei ihrer Lösung treten vielleicht erst in einigen Jahren deutlicher heraus. Vielleicht wird Steinmeiers Beharrlichkeit mit etwas Abstand belohnt. Honoriert wird sie schon jetzt. Die Deutschen stellen ihm ein gutes Zeugnis aus. Steinmeier ist einer der beliebtesten Politiker der Republik. Der Abschied aus dem Auswärtigen Amt dürfte ihn schmerzen, aber doch erträglich sein. In gewisser Hinsicht wird er ja befördert, wenn er im Februar als Nachfolger von Joachim Gauck ins Schloss Bellevue wechselt.

Wer Steinmeier am Werderschen Markt, dem Sitz des Auswärtigen Amtes, beerbt, ist noch offen. Es wird aller Voraussicht nach wieder ein Sozialdemokrat sein, aber möglicherweise jemand mit einer unverblümteren Ansprache. Der neue Außenminister könnte dieselbe Person sein wie der nächste SPD-Kanzlerkandidat: Dann würde es wohl auf Parteichef Sigmar Gabriel oder EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hinauslaufen. Wer es wird? "Ich weiß es nicht", antwortet Steinmeier schmallippig, als er bei der Buchvorstellung von Deppendorf darauf angesprochen wird. Im Buch spielen Gabriel und Schulz keine Rolle. Wer ihm lieber ist, lässt Frank-Walter Steinmeier sich an diesem Abend nicht anmerken. Das wäre bei ihm aber auch fast schon ein kleines Wunder.

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Quelle: ntv.de

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