Politik

"Pistorius darf Meinung haben" Union geht im Streit um Wehrpflicht Verteidigungsminister an

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Zum Jahreswechsel soll der neue Wehrdienst kommen, doch das Gesetz hierzu hängt in der Schwebe. Aus Sicht von CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen steht der Bundesverteidigungsminister einer Einigung im Wehrdienst-Streit im Weg.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen macht Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mitverantwortlich dafür, dass im Streit um ein neues Wehrdienstmodell noch keine Einigung gefunden worden ist. "Klar ist, dass Gesetze im Parlament gemacht werden. Da tut sich manch einer ein bisschen schwer, das zu respektieren", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion in der ntv-Sendung Frühstart. "Pistorius darf eine Meinung haben. Wir haben ja auch eine Meinung." Zuvor hatte Stefen Bilger in das gleiche Horn gestoßen: Der Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte Pistorius auf, sich konstruktiv in die Gespräche einzubringen: "Auch für Minister Pistorius gilt: Regieren ist eine Mannschaftsleistung."

Der von Pistorius zum Wehrdienst vorgelegte Gesetzentwurf werde den "ganz neuen sicherheitspolitischen Anforderungen" nicht gerecht. "Das haben wir als CDU/CSU-Parlamentarier unseren Kollegen von der SPD auch so gesagt", sagte Röttgen. Darüber habe man eine Einigkeit erzielt, die mit dem Bundesverteidigungsminister noch nicht erreicht werden konnte. "Aber wir sind jetzt in einem Diskussionsprozess und werden auch zu einem guten Ende kommen", bewertete der CDU-Politiker.

Das neue Wehrdienstgesetz soll zum 1. Januar in Kraft treten, der Bundestag hat sich bereits in erster Lesung damit befasst. Der Wehrdienst soll zunächst auf Freiwilligkeit beruhen. Fachpolitiker von Union und SPD hatten vorgeschlagen, junge Männer per Losverfahren zur Musterung und, wenn nötig, später auch per Zufallsauswahl für einen Pflichtdienst heranzuziehen, wenn die Freiwilligenzahlen zu gering bleiben. Pistorius setzt zunächst gänzlich auf eine Freiwilligenlösung, während die Union auf die Möglichkeit zur Scharfstellung einer Wehrdienstpflicht pocht, sollten sich nicht genügend Freiwillige finden.

Röttgen hält an Losverfahren fest

Röttgen hielt an seinem Konzept fest, den Bedarf der Bundeswehr über ein Losverfahren zu decken: "Das ist jetzt unser Vorschlag. Und auf den wir uns, glaube ich, verständigen werden." Pistorius hält vom Losen dagegen nichts. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Röttgens Parteikollege Thomas Röwekamp, ist inzwischen ebenfalls vom Losverfahren abgerückt. Stattdessen solle jeweils ein vollständiger Jahrgang junger Männer gemustert werden, sagte Röwekamp der "Augsburger Allgemeinen". Ausdrücklich schloss er sich damit einer Empfehlung von Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer an.

Röttgen zufolge gebe es zumindest Einigkeit zwischen Regierungsfraktionen und Bundesverteidigungsministerium darüber, dass nur ein Teil der etwa 300.000 Männer eines Jahrgangs für den Wehrdienst benötigt werde. Nun gehe es darum, wie man einen Teil aus der großen Gesamtheit ermittle. "Da gibt es eigentlich nur einen Vorschlag", sagte Röttgen mit Blick auf das Losverfahren. Die Bundeswehr brauche eine Breite von Fähigkeiten und Talenten. Nur die Fähigsten und Fittesten heranzuziehen, sei ungerecht. "Bei dem Verfahren, das wir vorschlagen, hat jeder die gleiche Chance, das gleiche Risiko, herangezogen zu werden. Das ist die Gleichheit, die wir wahren."

Röttgen bedauert Leak

Bessere Vorschläge seien willkommen. "Der ist jetzt als der rechtssichere anerkannt worden", sagte Röttgen. Nur: Einen besseren Vorschlag sehe er aktuell nicht. Tatsächlich ist die Rechtssicherheit eines Losverfahrens umstritten. Befürworter pochen auf ein entsprechendes Gutachten des Verfassungsrechtlers Udo di Fabio, doch es gibt auch gegenläufige Einschätzungen.

Röttgen gestand kommunikative Fehler in der Wehrdienstdebatte ein, etwa mit Blick auf Bekanntwerden der Losverfahren-Idee. "Wir Parlamentarier haben es nicht geleakt, sondern es ist von anderer Seite dann an die Öffentlichkeit gebracht worden und negativ kommentiert worden." Das habe man nicht immer im Griff. Er kritisierte: "Wir haben wirklich sehr solide und vertrauenswürdig und effektiv gearbeitet. Das ist von anderer Seite dann rausgestochen worden und dann auch verzerrt dargestellt worden."

Derzeit dienen etwa 182.000 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Um die Verpflichtungen gegenüber der Nato zu erfüllen, wird eine Aufstockung auf rund 260.000 aktive Kräfte angestrebt. Hinzukommen sollen 200.000 Reservistinnen und Reservisten.

Quelle: ntv.de, tko/shu/dpa

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