Steuerstreit mit der Schweiz Union will Abkommen durchboxen
02.04.2012, 16:19 Uhr
Wolfgang Schäubles Abkommen: Gut oder schlecht für Deutschland?
(Foto: dpa)
Die Haftbefehle der Schweiz sind gegen Beamte aus NRW ausgestellt, ein von der SPD regiertes Bundesland. Die sperrt sich bislang gegen das von der Bundesregierung geplante Steuerabkommen mit Bern. Ein Kuhhandel mit der Union läge nahe, doch die Opposition sieht sich bestätigt. Bis zu 180 Milliarden Euro sollen illegal geflossen sein.
Nach den Haftbefehlen gegen drei deutsche Steuerfahnder dringt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf eine rasche Beilegung des Steuerstreits mit der Schweiz. Hierfür sollte das Steuerabkommen wie geplant Anfang kommenden Jahres in Kraft treten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Doch SPD und Grüne machen Front gegen das Abkommen, für das die Koalition im Bundesrat auf Unterstützung auch rot-grün regierter Länder angewiesen ist.
"Die Strafverfolgung deutscher Beamter würde aufhören - ebenso die mögliche Strafverfolgung von Schweizer Beamten hier in Deutschland", sagte Seibert. Rechtssicherheit würde geschaffen. Die Opposition machte hingegen deutlich, dass gerade die Haftbefehle in ihren Augen das Abkommen in weite Ferne rücken.
Opposition sieht Druckmittel
Die Opposition sieht im Vorgehen der Schweiz auch ein Druckmittel in der Debatte über das geplante Steuerabkommen zwischen Berlin und Bern. Mit dem Abkommen soll deutsches Schwarzgeld in der Schweiz besteuert werden, Steuersündern würde es aber weiter Anonymität zusichern. . Auch die Deutsche Steuergewerkschaft Gewerkschaftschef hält wenig davon.
Nach den bisherigen Plänen sollen Erträge deutscher Anleger in der Schweiz ab 2013 mindestens genauso hoch besteuert werden wie in Deutschland. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 und 180 Milliarden Euro illegal in das Alpenland geschleust haben.
"Einziges Interesse der Schweiz ist es, das Geschäftsmodell ihrer Banken zu sichern, die sich am Schwarzgeld der Welt eine goldene Nase verdienen", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. "Ein Abkommen, das derartiges Handeln sichert, darf keinesfalls geschlossen werden." SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte der "Saarbrücker Zeitung": "Die Gefahr des Scheiterns ist jedenfalls gewachsen."
Am Wochenende war bekanntgeworden, dass die Schweizer Justiz Haftbefehl gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen erlassen hat. Das deutsch-schweizerische Verhältnis ist laut Merkel aber nicht getrübt. "Sie sieht das Verhältnis nicht belastet", sagte Seibert.
Um Ermittlungen gebeten
Die Beamten sollen im Februar 2010 am Ankauf einer CD mit Daten deutscher Steuerhinterzieher beteiligt gewesen sein. Die Schweizer Bundesanwaltschaft habe bereits am 20. März ein Rechtshilfe-Ersuchen gestellt, teilte das Bundesjustizministeriums mit. Darin bat die Schweizer Justiz nach Angaben der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft um Ermittlungen gegen die Beamten sowie um ihre Vernehmung.
Die Sprecherin des Bundesjustizressorts sagte, das Ersuchen sei über verschiedene Landes- und Bundesstellen erst Ende der vergangenen Woche bei der Bundesregierung angekommen. Der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte erkennen lassen, sein Ressort wisse darüber nicht Bescheid.
Das von der Opposition kritisierte Steuerabkommen wird unterdessen noch nachgebessert. Mit der Schweiz werde noch ein Änderungsprotokoll abgeschlossen, sagte Schäubles Sprecher. Dies werde kurzfristig öffentlich vorgestellt.
Mit dem Abkommen würden alle anhängigen Verfahren eingestellt, warb Sprecher Martin Kotthaus. Die vorgesehene Straffreiheit würde rückwirkend gelten. Steuer-CDs würden nicht mehr gebraucht. Zudem seien beträchtliche Steuerzahlungen von Deutschen zu erwarten, die ihr Geld am Fiskus vorbei in die Schweiz gebracht haben. Zinsen würden auf Kapitaleinkünfte gezahlt - und zwar auf das vorhandene Kapital, nicht nur auf die Gewinne. Kotthaus verteidigte Schäuble, der Verständnis für die Haftbefehle geäußert hatte. "Es kann einem nie egal sein, wenn ein Beamter in seiner Funktion solchen Sachen ausgesetzt wird", sagte Kotthaus.
SPD lobt Steuerfahnder
Poß kritisierte: "Offenbar hat der Finanzminister die Dimension des Konflikts noch nicht erfasst. Anstatt Verständnis für die Schweizer Position zu äußern, erwarte ich eine glasklare Stellungnahme, wie Schäuble die Dinge aus der Sicht des deutschen Rechtsstaatsverständnisses sieht."
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte der "Bild"-Zeitung: "Die Regierung sollte die Steuerfahnder für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen." Sie haben sich mit dem Kampf gegen Geldwäsche verdient gemacht. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) will auch künftig Steuer-CDs aus dem Ausland kaufen, wenn sie Daten über deutsche Steuerhinterzieher enthalten, wie er der "Berliner Zeitung" sagte.
Zuvor hatte die Union einen Zusammenhang zwischen den Haftbefehlen gegen deutsche Finanzbeamte und dem geplanten Steuerabkommen mit der Schweiz bestritten. "Mit dem Abkommen hat das nichts zu tun", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble. Dies erscheint nun zumindest fragwürdig.
Deutschland und die Schweiz liegen seit Jahren im Streit, weil Bern es zulässt, dass Deutsche unversteuertes Geld auf Schweizer Konten deponieren. Die verhafteten deutschen Beamten waren vor gut zwei Jahren am Ankauf einer CD mit Informationen über Steuersünder beteiligt. Nordrhein-Westfalen zahlte damals 2,5 Millionen Euro für die Daten deutscher Kunden bei der Schweizer Bank Credit Suisse. Die Schweizer Justiz wirft den Beamten nun Wirtschaftsspionage vor.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP