Behördenversagen im NSU-Prozess Verfassungsschutz war Trio auf der Spur
22.04.2015, 21:01 Uhr
Die Bundesanwaltschaft wirft Beate Zschäpe als letzter Überlebender des Trios vor, zehn Menschen ermordet und zwei Sprengstoffanschläge verübt zu haben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein V-Mann berichtet über das NSU-Trio - und die Informationen bleiben ungenutzt. Der Chef des sächsischen Verfassungsschutzes beschreibt die chaotischen Zustände der Behörde und fördert die Debatte, ob Behördenversagen strafmindernd wirken könnte.
Der Verfassungsschutz war wenige Monate nach dem Abtauchen des späteren NSU-Trios im Januar 1998 dicht auf der Spur von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Der heutige Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, sagte als Zeuge im Münchner NSU-Prozess, er habe zwischen August und September 1998 insgesamt fünf Berichte eines V-Mannes bekommen, in denen es um das Trio gegangen sei.
Er habe wenige Monate nach dem Abtauchen des NSU-Trios im Januar 1998 mehrere Berichte eines V-Mannes erhalten, in denen es um das Trio gegangen sei. Sie hätten Anhaltspunkte enthalten, wo sich die drei aufhielten, allerdings keine konkreten Informationen. Zschäpe ist für die dem NSU zugeschriebene Serie von zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen angeklagt.
Meyer-Plath sagte, er habe es für "plausibel" gehalten, dass das Trio sich nach der Flucht aus Jena in Chemnitz versteckt hielt. Zuvor hatten ihm vor allem Nebenklägeranwälte mehrere Zitate aus V-Mann-Berichten aus der Prozessakte vorgehalten. In einem hieß es, eine Quelle habe ausdrücklich mitgeteilt, die drei hielten sich "im Raum Chemnitz" auf. Seine Behörde habe diese Information routinemäßig an andere Behörden weitergegeben. Meyer-Plath nannte ausdrücklich auch das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz.
Vieles deutete auf Chemnitz hin
Hinweise darauf, dass sich Zschäpe und ihre beiden Gesinnungsgenossen zunächst in Chemnitz versteckten, gab es nach Aussage eines weiteren Zeugen auch im Thüringer Verfassungsschutz. Der Zeuge war dort als V-Mann-Führer tätig. Er habe von einem V-Mann erfahren, dass Zschäpe vorübergehend mit einem Chemnitzer Neonazi liiert gewesen sein soll. Wie sich nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 herausstellte, hielten sich Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach ihrem Abtauchen tatsächlich zuerst in Chemnitz und dann in Zwickau auf. Von dort sollen zumindest Mundlos und Böhnhardt zu ihren Tatorten in ganz Deutschland gereist sein.
Die Verteidiger zweier Angeklagter gerieten während der Vernehmung Meyer-Plaths mehrmals aneinander. Dabei ging es um die Frage, ob die Behörden die Verbrechensserie ab dem Jahr 2000 hätten verhindern können. Die Verteidigung Zschäpes versuchte immer wieder, Nachfragen an Meyer-Plath dazu mit juristischen Argumenten zu verhindern. Die Anwälte des als "steuernde Zentralfigur" hinter dem NSU angeklagten Ralf Wohlleben konterten, die Fragen seien für das Verfahren relevant. "Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Straffrage", sagte Rechtsanwalt Olaf Klemke. "Behördenversagen" gelte als strafmindernd.
Quelle: ntv.de, jgue/dpa