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Viktor Orban spielt die EU aus Der pazifistische Erpresser

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Will EU-Gelder für sein Land herausschlagen: Viktor Orban.

Will EU-Gelder für sein Land herausschlagen: Viktor Orban.

(Foto: IMAGO/Belga)

Die Aufnahme der Ukraine in die EU hat einen großen Gegner: Viktor Orban. Der ungarische Regierungschef lässt sich seine Enthaltung bei der Abstimmung zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen teuer bezahlen - und spielt dazu noch den Pazifisten.

Europas Donald Trump, Wladimir Putins Schoßhund oder schlicht: Diktator. Über Viktor Orban gibt es viele Meinungen, die wenigsten sind schmeichelhaft. Eins jedoch ist klar: Ungarns Regierungschef weiß, wie man Aufmerksamkeit erzeugt. Beim EU-Gipfel in Brüssel drehte sich bis Freitag wieder einmal alles um den Rechtspopulisten.

Wegen Orbans Veto steckt ein EU-Hilfspaket für die Ukraine von 50 Milliarden Euro fest. Anfang 2024 müssen die Europäer dank Ungarn einen Sondergipfel abhalten, dann droht eine Neuauflage der Viktor-Orban-Show.

Ein Motiv des Rechtspopulisten: Geld. Das plauderte der 60-Jährige ganz unverhohlen im ungarischen Radio aus. Die Debatte um weitere Hilfsmilliarden für die Ukraine sei "eine großartige Gelegenheit für Ungarn, um klarzustellen, dass es bekommen sollte, was es verdient hat", sagte Orban in Richtung Brüssel. "Nicht die Hälfte, nicht ein Viertel, sondern alles."

Im Klartext: Die EU soll die gesamten Hilfsmilliarden freigeben, die im Streit um Rechtsstaats-Verstöße in Ungarn eingefroren sind. Am Vorabend des Gipfels hatte die EU-Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen bereits gut zehn Milliarden für Ungarn freigegeben, nachdem Budapest zumindest auf dem Papier eine Justizreform in Kraft gesetzt hatte.

"Orban ist nicht dumm"

Die zehn Milliarden sind noch nicht einmal die Hälfte der insgesamt eingefrorenen Summe. Weitere Mittel liegen etwa wegen Verstößen gegen die Rechte sexueller Minderheiten oder das Asylrecht auf Eis. "Erpressung" werfen viele Diplomaten und Europaabgeordnete dem seit 2010 regierenden Orban vor, der von 1998 bis 2002 bereits eine erste Amtszeit hatte. Im Kreis der Staats- und Regierungschefs forderte der langjährige Vorsitzende der Fidesz-Partei die EU-Mittel allerdings nicht offen, wie es von Gipfelteilnehmern hieß. "Orban ist nicht dumm", hieß es in Brüssel. Alle wüssten eh, was er wolle.

Seine Blockade hatte Orban angekündigt - erstmals bei einem Europa-Gipfel im südspanischen Granada im Oktober, an dem auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilnahm. "Brüssel ist auf die Idee gekommen, der Ukraine bedingungslos Kriegsgeld für weitere vier Jahre zu geben", wetterte Orban in einem Video, das er während des Treffens in Online-Netzwerken verbreitete. "Statt Frieden wollen sie dieses Geld, um das fortgesetzte Töten zu unterstützen", sagte er in dem Film, der mit düsteren Tönen und Schlachtszenen unterlegt war.

Ist Orban also im Herzen ein Pazifist? Dagegen spricht sein sehr entspanntes Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit dem er sich zuletzt am Rande einer China-Reise ablichten ließ. Statt Frieden geht es Orban laut Diplomaten um russisches Gas und Öl, das Ungarn entgegen aller EU-Beschlüsse weiter im großen Stil bezieht.

Orban: Gespräche mit Ukraine sinnlos

Auch EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine schmähte Orban immer wieder. Der Durchbruch auf dem Gipfel wurde nur durch einen Verhandlungstrick von Bundeskanzler Olaf Scholz erreicht: Er schlug Orban vor, den Saal zu verlassen, die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen wurde dann mit der erforderlichen Einstimmigkeit vereinbart.

Orban distanzierte sich anschließend für sein heimisches Publikum von der Gipfeleinigung und sprach von einer "völlig sinnlosen, irrationalen und falschen Entscheidung". Es gebe aber noch ungefähr "75 Gelegenheiten für die ungarische Regierung, diesen Prozess zu stoppen", frohlockte er. Denn jeder einzelne Schritt bis zum EU-Beitritt erfordert Einstimmigkeit - zumal Ungarn im kommenden Juli den rotierenden EU-Ratsvorsitz übernimmt, was bereits jetzt für schlechte Stimmung sorgt.

Selenskyj hatte die Europäer zu Gipfelbeginn vor einem Scheitern wegen Ungarn gewarnt. Russlands Präsident Wladimir Putin würde dies mit einem "zufriedenen Lächeln" quittieren, sagte er in einer Videoschalte.

Der Dank an Orban aus dem Kreml ließ nicht auf sich warten. Anders als viele europäische Länder verteidige Ungarn seine Interessen hartnäckig, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow noch während des EU-Gipfels. "Das beeindruckt uns."

Quelle: ntv.de, Stephanie Lob und Peter Eßer, AFP

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