Politik

Merkel, der CDU-Parteitag und die K-Frage "Von der Leyen hätte größere Chancen"

"Der Freiherr aus Bayern": Guttenberg wird immer wieder als Nachfolge Merkels ins Spiel gebracht. Möglicherweise viel zu früh, wie Langguth meint.

"Der Freiherr aus Bayern": Guttenberg wird immer wieder als Nachfolge Merkels ins Spiel gebracht. Möglicherweise viel zu früh, wie Langguth meint.

(Foto: dapd)

Wie sicher sitzt Kanzlerin Merkel im Sattel? Eine vorläufige Antwort darauf wird der CDU-Parteitag in Karlsruhe geben, auf dem Merkel zur CDU-Chefin wiedergewählt werden soll. Die Kanzlerin muss mit einer Profildebatte rechnen, es könnte bei der Wahl auch einen Denkzettel für Merkel geben, meint CDU-Experte Langguth. Der Politikwissenschaftler traut derzeit Arbeitsministerin von der Leyen am ehesten zu, Merkel als Kanzlerin zu beerben. "Aber es gibt ja noch den Freiherrn aus Bayern", sagt Langguth im Interview mit n-tv.de.

n-tv.de: Der Aufschwung erfasst die deutsche Wirtschaft, das Wachstum kehrt zurück, die Arbeitslosenquote sinkt. Muss sich Bundeskanzlerin Angela Merkel damit keine Sorgen mehr um ihre Zukunft als CDU-Vorsitzende machen?

Gerd Langguth: Nein, weil bislang niemand den Aufschwung mit ihr und ihrer Regierung in Verbindung bringt. Das muss Frau Merkel nachdenklich stimmen. Natürlich sind die Zahlen günstig für die schwarz-gelbe Regierung. Sie sind aber noch keine Garantie dafür, dass Union und FDP den Landtags- und Kommunalwahlen im nächsten Jahr mit Optimismus entgegenblicken können.

Wie bewerten Sie die Chance, dass mit dem Wirtschaftsaufschwung die Umfragewerte der Union wieder steigen werden?

Wie sicher ist ihre Position? Das wird Merkel in Karlsruhe zu spüren bekommen.

Wie sicher ist ihre Position? Das wird Merkel in Karlsruhe zu spüren bekommen.

(Foto: dapd)

Dazu wird es sicherlich wieder kommen, weil die derzeitigen Zahlen Tiefstwerte für die Union sind. Aber bedenken Sie, dass die Regierung derzeit dabei ist, viele unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Das kann den Stimmungsaufschwung in den Umfragen deutlich bremsen.

Was wird denn für das Abschneiden der CDU bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr entscheidend sein?

Das Grundproblem ist, dass sich in Deutschland eine Tradition herausgebildet hat, nach der die Regierungsparteien auf Bundesebene bei Landtagswahlen abgestraft werden. Das bedeutet zwar nicht, dass sie bei Bundestagswahlen ebenfalls abgestraft wird, da gelten andere Gesetzmäßigkeiten. Aber wir müssen nur in die USA schauen, wo es Obama bei den Kongresswahlen ganz ähnlich ergangen ist. Nur wenn die schwarz-gelbe Regierung zu einer echten Einigkeit findet, hat sie die Chance, wieder bessere Ergebnisse zu erzielen.

Potenzial: Von der Leyen traut Langguth das Potenzial zur Kanzlerschaft zu.

Potenzial: Von der Leyen traut Langguth das Potenzial zur Kanzlerschaft zu.

(Foto: dpa)

Das eine ist die Zustimmung in der Bevölkerung insgesamt, das andere ist der Rückhalt in der Partei: Merkel soll in Karlsruhe als CDU-Chefin wiedergewählt werden. Muss sie mit einem Denkzettel ihrer Partei rechnen?

Die Bundesversammlung mit der Wahl zum Bundespräsidenten war ja bereits ein erster Denkzettel für Frau Merkel. Das kann natürlich auch auf diesem Bundesparteitag der Fall sein. Andererseits rechne ich aber mit einem guten Ergebnis, das aber sicher nicht so gut wie zuletzt sein wird.

Bei der vergangen Wahl erhielt Merkel 95 Prozent. Ab welchem Ergebnis lässt sich überhaupt von einem Denkzettel sprechen?

Wenn das Ergebnis deutlich unter 90 Prozent liegt.

Neben Bildungsministerin Annette Schavan sollen auch Umweltminister Norbert Röttgen, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sowie der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier stellvertretende Parteichefs werden. Ist die CDU damit thematisch und personell gut aufgestellt?

Erstmal die Hausmacht sichern: Röttgen ist neuer CDU-Chef in NRW.

Erstmal die Hausmacht sichern: Röttgen ist neuer CDU-Chef in NRW.

(Foto: dapd)

Ja und nein, im Grunde sind es nur personelle Erneuerungen. Bouffier wird wie sein Vorgänger Roland Koch den konservativen Flügel vertreten, Frau von der Leyen ist eher auf dem liberalen niedersächsischen Kurs eines Christian Wulff. Insofern sehe ich keine großen Neuerungen, auch was Röttgen angeht. Die innere Machtbalance der Partei bleibt erhalten, mit dem Unterschied, dass mit Röttgen jemand Stellvertreter wird, der sich selbst höhere Aufgaben zutraut und gerne Kanzler werden will. Auch Frau von der Leyen traut sich dieses Amt zu und hätte im Moment auch größere Chancen als Röttgen. Der muss erst einmal seinen Landesverband hinter sich bekommen, bevor er seine Aufstiegspläne verfolgen kann. Aber es gibt ja noch den Freiherrn aus Bayern, der bei seinem Auftritt beim Parteitag viel Beifall bekommen wird. Das dürfte ihm allerdings nur bedingt recht sein, denn er weiß: Wer zu früh für Aufgaben genannt wird, den bestraft das politische Leben.

Noch im Sommer führte die Union eine heftige Debatte über ihr fehlendes konservatives Profil. Wird dieser Streit auf dem Parteitag erneut aufflammen?

Ja, zumal sich einige Redner in diesem Punkt bestimmt profilieren wollen. Aber viel interessanter ist die Frage, mit welchem Ergebnis Merkel gewählt wird und wie viel Prozent der Stimmen jeweils ihre Stellvertreter bekommen. Damit werden nämlich zumeist schon erste Vorentscheidungen getroffen. Das ist letztlich bedeutsamer, als irgendwelche Attacken von vermeintlich Konservativen.

Wird Merkel denn durch Karlsruhe Ruhe in ihre Partei bringen können oder werden die Profildebatten weitergehen?

Vorläufig ja, wenn aber die Wahlen in Baden-Württemberg verloren gehen, ist die Unruhe schnell wieder da. Aber in Karlsruhe wird sie trotzdem erst einmal wieder für zwei Jahre gewählt. Und beim nächsten Wahlparteitag ist es nur noch ein Jahr bis zur Bundestagswahl, weshalb es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass Merkel dann noch innerparteiliche Probleme bekommt. Gefährlicher für Merkel könnte im nächsten Jahr ein potentieller Aufstand in der Fraktion sein, wenn bei negativem Ausgang der Landtagswahlen frustrierte Bundestagabgeordnete dies auf ihre Wahlkreise umrechnen. Deshalb nimmt Merkel praktisch an allen Fraktionssitzungen teil, um die eigene Fraktion damit genau zu beobachten und um potentiellem Unmut frühzeitig entgegen treten zu können.

Stuttgart 21 und die Verlängerung der Atomlaufzeiten haben einen tiefen Keil zwischen Schwarz und Grün getrieben. Ist die CDU bewusst dieses Risiko eingegangen?

Eine Regierung muss gelegentlich Entscheidungen treffen, die sie nicht nur wahltaktisch und koalitionstaktisch beantworten kann. Zumal sich die CDU in der Koalition bewusst auf längere Laufzeiten für Atomkraftwerke festgelegt hat. Zu Stuttgart 21 kam die CDU wie die Jungfrau zum Kind - noch vor wenigen Monaten hatte niemand damit gerechnet, dass ein solches Thema bundesweite Aufmerksamkeit erregen würde. Und Merkel stellt sich bei Stuttgart so deutlich hinter die baden-württembergische CDU, weil sie nicht zulassen will, dass ihr im Fall eines Wahlverlustes mangelnde Unterstützung vorgeworfen werden kann.

Wird es mit Abstand zu den derzeitigen Protesten im nächsten Jahr wieder Annäherungssignale an die Grünen geben?

Gerd Langguth lehrt Politische Wissenschaft an der Universität Bonn und gilt als ausgewiesener CDU-Experte. Für die CDU saß er selbst einige Jahre im Bundestag. Langguth hat auch eine Biografie über Kanzlerin Merkel verfasst.

Gerd Langguth lehrt Politische Wissenschaft an der Universität Bonn und gilt als ausgewiesener CDU-Experte. Für die CDU saß er selbst einige Jahre im Bundestag. Langguth hat auch eine Biografie über Kanzlerin Merkel verfasst.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zwischen Union und Grünen kann es auf Bundesebene nur dann zu einer Koalition kommen, wenn sie wegen der zahlenmäßigen Stimmergebnisse geradezu zwingend ist. Große Teile der Grünen-Basis wollen lieber mit der SPD zusammenarbeiten, während die Führungsspitze der Grünen durchaus Sympathien für eine Koalition mit der CDU hat. Deshalb wird es eher wieder zu einer rot-grünen Koalition auf Bundesebene kommen, weil die Führung der Grünen nicht den Mut hat, sich mit der Basis anzulegen.

Ist es für die CDU richtig, sich allzu stark an die FDP als einzigen Koalitionspartner zu binden?

Zunächst einmal muss die CDU koalitionstreu sein, damit überhaupt eine gewisse Geschlossenheit der Koalition sichtbar werden kann. Andererseits gibt es genügend Politiker bei der Union, die für eine Koalition mit den Grünen offen sind. Am Ende wird es aber eine arithmetische Frage sein, ob eine schwarz-grüne Koalition zustande kommt oder es bei den traditionellen Bündnissen bleibt.

Quelle: ntv.de, Mit Gerd Langguth sprach Till Schwarze

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen