Politik

CDU holt auf, FDP fliegt raus SPD braucht grüne Hilfe

König Kurt musste Federn lassen.

König Kurt musste Federn lassen.

(Foto: dapd)

Denkbar knapp verteidigt Ministerpräsident Beck die Vorherrschaft der SPD in Rheinland-Pfalz. So knapp, dass er künftig auf eine Koalition mit den sensationell starken Grünen angewiesen ist. Die CDU rückt unter Spitzenkandidatin Klöckner nahe an die Sozialdemokraten heran. Die FDP hingegen kassiert einen Tiefschlag: Die Partei fliegt in hohem Bogen aus dem Landtag. Landeschef Brüderle kündigt Konsequenzen an.

Paukenschlag in Rheinland-Pfalz: Die SPD muss sich nach der Landtagswahl einen Koalitionspartner suchen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verlieren die Sozialdemokraten ihre absolute Mehrheit deutlich und landen bei 35,7 Prozent (2006: 45,6). Die CDU gewinnt mehr als zwei Prozentpunkte hinzu und rückt mit 35,2 Prozent nahe an die SPD heran (2006: 32,8). Die Grünen gewinnen zweistellig hinzu und kommen auf 15,4 Prozent (2006: 4,6). Sie waren bisher nicht im Landtag vertreten. Die FDP ist mit nur noch 4,2 Prozent nicht mehr im Parlament vertreten (2006: 8). Auch die Linke mit rund 3 Prozent scheitert klar an der 5-Prozent-Hürde (2006: 2,6). Von den 101 Sitzen im Landesparlament gehen damit 42 an die SPD (-11), 41 an die CDU (+3) und 18 an die Grünen (+18).

Auch in Rheinland-Pfalz der große Sieger: die Grünen, hier die Spitzenkandidaten Daniel Köbler und Eveline Lemke.

Auch in Rheinland-Pfalz der große Sieger: die Grünen, hier die Spitzenkandidaten Daniel Köbler und Eveline Lemke.

(Foto: dapd)

Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) kündigte Gespräche mit den Grünen an. "Wir werden uns kommende Woche treffen und entsprechende Gespräche führen", sagte er. Zuvor müssten die parteiinternen Gremien über eine mögliche Koalition beraten. Die kräftigen Verluste der SPD hätten mit seiner Person wenig zu tun, sagte der Ministerpräsident mit Bezug auf seine guten persönlichen Beliebtheitswerte. "Ich glaube nicht, dass die Menschen sagen wollten, der Beck soll es nicht mehr sein." Die Landtagswahl habe unter dem starken Eindruck der Atomkatastrophe in Japan gestanden. Davon hätten vor allem die Grünen stark profitiert. Deutschlands dienstältester Ministerpräsident trat nach mehr als 16 Jahren letztmalig zur Wahl des Regierungschefs an. Der 62-Jährige will nach eigenem Bekunden bis zum Ende der Wahlperiode in fünf Jahren regieren und in dieser Zeit einen Nachfolger aufbauen.

Grünen-Spitzenkandidat Daniel Köbler wies darauf hin, dass die Grünen vor der Wahl erklärt hatten, sie hätten größere inhaltliche Schnittmengen mit der SPD. "Deswegen wird man darüber reden", sagte er zu Becks Angebot. Und weiter: "Ich glaube, dass wir Grüne heute Geschichte geschrieben haben." Dass die Partei ihr Ergebnis mehr als verdreifacht habe, sei auch ein Signal für eine andere Verkehrs- und Infrastrukturpolitik. "Das heißt: keine großen Projekte". Man werde versuchen, die bestehende Infrastruktur zu erhalten und zu sanieren.

"Bittere Niederlage"

Ein junger FDP-Anhänger ist entsetzt über die Ergebnisse.

Ein junger FDP-Anhänger ist entsetzt über die Ergebnisse.

(Foto: dapd)

FDP-Spitzenkandidat Herbert Mertin bezeichnete die Niederlage seiner Partei als "bittere Tatsache". Die FDP habe sich in den Umfragen auf rund sieben Prozent "hochgearbeitet", sagte Mertin. Doch dann sei es unvorhersehbar zu der japanischen Atomkatastrophe gekommen. Der rheinland-pfälzische FDP-Chef Rainer Brüderle bezeichnete das Abschneiden der Liberalen als "bittere Niederlage". Seine Partei werde am Montag auch über Konsequenzen sprechen. Für die Bundesregierung mahnte Brüderle eine "klare Linie" an. Überraschend hatte FDP-Chef Guido Westerwelle bereits kurz vor der Schließung der Wahllokale jedoch verkündet, er trete unabhängig vom Abschneiden seiner Partei "unter keinen Umständen" zurück.

FDP angeschlagen: Landes-Chef Brüderle, Spitzenkandidat Mertin.

FDP angeschlagen: Landes-Chef Brüderle, Spitzenkandidat Mertin.

(Foto: dpa)

In der Berliner Parteispitze wächst unterdessen aufgrund des Wahldesasters der FDP der Druck auf Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, seine Ämter zur Verfügung zu stellen. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Sonntagabend aus FDP-Kreisen. Brüderle wird vorgeworfen, durch kritische Äußerungen zur schwarz-gelben Atomwende die Chancen der Liberalen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg deutlich gemindert zu haben.

CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner wertete das Wahlergebnis als Zeichen der Geschlossenheit ihrer Partei. "Die CDU Rheinland-Pfalz, sie ist wieder da", sagte die Landeschefin. Die bislang alleinregierende SPD sei "massiv eingebrochen", sagte Klöckner. "Und die CDU Rheinland-Pfalz ist gegen den Bundestrend, ist trotz vieler Widrigkeiten der Welt und der Bundespolitik wieder obenauf." Die CDU sei im Land so geschlossen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Klöckner, die ihren Wahlkreis gewann, machte den Grünen ein Gesprächsangebot. Demokraten müssten miteinander reden. "Das Angebot steht", so Klöckner. Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, wertet unterdessen das schlechte Abschneiden seiner Partei als bedauerlich, aber nicht katastrophal. "Wir werten es nicht als Katastrophe, wir werten es als Weitermachen", sagte Ernst.

CDU-Frau Julia Klöckner schiebt ihre Partei nahe an die SPD heran.

CDU-Frau Julia Klöckner schiebt ihre Partei nahe an die SPD heran.

(Foto: dpa)

An den Wahlurnen hatte sich bis zum Mittag bereits eine rege Beteiligung abgezeichnet. Bis 12 Uhr gaben 31,7 Prozent der Wähler ihre Stimme ab. Bei der Wahl 2006 waren es zu diesem Zeitpunkt lediglich 26,2 Prozent. Insgesamt hatte die Wahlbeteiligung vor fünf Jahren lediglich 58,2 Prozent erreicht, nun erreichte sie 64,5 Prozent.

Angefacht wurde das Interesse vor allem durch die Diskussion um das Atom-Moratorium der schwarz-gelben Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima. Die Koalition steht seit Tagen deswegen in einer heftigen Diskussion um ihre Glaubwürdigkeit. Die Wahl vor allem in Baden-Württemberg galt daher als Lackmus-Test für den energiepolitischen Kurs in Berlin.

Quelle: ntv.de, jmü/dpa

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