Politik

Manipulationen waren möglich Warum Österreich noch mal wählen muss

Hinweise auf Manipulationen gibt es nicht, aber die österreichische Bundespräsidenten-Stichwahl hätte manipuliert werden können. Das reicht, um eine Wiederholung anzusetzen. Bis dahin ist ausgerechnet Norbert Hofer amtierendes Staatsoberhaupt – zumindest teilweise.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat der Anfechtung der Bundespräsidentenwahl vom 22. Mai stattgegeben. Die Stichwahl, die mit dem Sieg des früheren Grünen-Chefs Alexander Van der Bellen endete, muss wiederholt werden. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Warum wird die Stichwahl wiederholt?

Dem Urteil zufolge wurden in 14 der 113 Wahlbezirke Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen festgestellt. Kurz gefasst: Der Umgang mit den Briefwahlstimmen wurde dort ziemlich locker gehandhabt – jedenfalls lockerer als vom Gesetz vorgesehen. Damit seien Rechtsvorschriften verletzt worden, "die unmittelbar auf die Vermeidung von Wahlmanipulationen gerichtet sind", sagte Gerichtspräsident Gerhart Holzinger bei der Urteilsverkündung.

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Artikel 1 der österreichischen Verfassung ...

(Foto: imago/Eibner Europa)

Doch der Verfassungsgerichtshof hatte noch einen zweiten Grund. Bereits vor Schließung der letzten Wahllokale hatte das Innenministerium Informationen über Auszählungsergebnisses an Medien weitergegeben. Dies verletze "den Grundsatz der Freiheit der Wahl", heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts (pdf). "Dass dies eine jahrzehntelange Praxis war, ändert daran nichts."

Offenbar hat der Verfassungsgerichtshof nur darauf gewartet, diesen Missstand zu beseitigen. Da das Gericht angerufen werden muss, um tätig werden zu können, kam ihm der aktuelle Fall vermutlich gerade recht.

Ist also die Präsidentschaftswahl manipuliert worden?

Der Verfassungsgerichtshof geht nicht davon aus. In der Urteilsbegründung heißt es, um Verstöße festzustellen, reiche die Möglichkeit einer Manipulation der Wahl aus; dafür müsse nicht nachgewiesen werden, dass die Wahl tatsächlich manipuliert wurde. Holzinger betonte, "dass kein Zeuge Manipulationen wahrgenommen hat".

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... an der Wand im Verfassungsgerichtshof.

(Foto: imago/Eibner Europa)

"Wenn Verfehlungen ein Ausmaß erreichen, dass sie auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnten, ist dabei unerheblich, ob Manipulationen tatsächlich stattgefunden haben", so das Gericht. Da die Verstöße 77.926 Stimmen betrafen, sei dies der Fall, denn der Stimmenunterschied zwischen den beiden Kandidaten betrug nur 30.863 Stimmen.

Eine manipulative Wirkung hätte auch die vorzeitige Verbreitung von Auszählungsergebnissen haben können. Das Gericht erklärte, die österreichische Nachrichtenagentur APA habe Stunden vor Wahlschluss eine Meldung verbreitet, in der ein Wahlsieg von Norbert Hofer als wahrscheinlich dargestellt worden sei. "Angesichts des knappen Wahlausganges konnten Meldungen über den angeblichen Wahlausgang … von Einfluss auf das Wahlergebnis sein."

Warum wird nicht nur dort neu gewählt, wo es zu Unregelmäßigkeiten kam?

Richter Holzinger betonte: "Die Stichwahl muss in ganz Österreich zur Gänze wiederholt werden." Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste: Theoretisch wäre es möglich, dass eine Stimme zwei Mal gezählt wird, wenn die Wahl nur teilweise wiederholt wird, denn Wähler können im eigenen Wahllokal wählen, per Post oder in einem anderen Wahllokal, das sich auch in einem anderen Wahlbezirk befinden kann. Es könnte also sein, dass ein Linzer am 22. Mai in Salzburg gewählt hat. Wenn nun in Linz die Wahl wiederholt wird, in Salzburg aber nicht, hätte er zwei Mal seine Stimme abgegeben. Der zweite Grund betrifft die Vorab-Veröffentlichung von Auszählungsergebnissen. Künftig ist das untersagt.

Wie ist die Stichwahl beim letzten Mal ausgegangen?

Die erste Wahlrunde am 24. April hatte der FPÖ-Politiker Norbert Hofer mit 35 Prozent gewonnen, der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen war damals mit 21 Prozent auf Platz zwei gekommen. Vier weitere Kandidaten, darunter von den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, schafften es nicht in die Stichwahl. Am 22. Mai siegte dann Van der Bellen knapp mit 50,35 Prozent.

Gibt es schon Prognosen, wie die Wahlwiederholung ausgehen wird?

Die jüngste Umfrage vom 11. Juni sieht Van der Bellen mit 50,6 Prozent knapp vorn. Mit anderen Worten: Das Ergebnis ist völlig offen.

Wann wird die Wahl wiederholt?

Die Entscheidung darüber treffen die Bundesregierung und der Hauptausschuss des Nationalrats. Als wahrscheinlich gilt ein Termin Ende September, nach den Sommerferien. Innenminister Wolfgang Sobotka will am Dienstag einen Wahltermin vorschlagen.

Ist das Urteil nicht furchtbar peinlich für Österreich?

Mit dem Hinweis "Österreich, ey!" postete Jan Böhmermann bei Twitter ein Facepalm-Gif – ein Symbol für fortgesetztes Fremdschämen. Peinlich ist aber nicht das Urteil, sondern die Unfähigkeit der Österreicher, gültige Wahlen zu organisieren. Wobei man als Deutscher da besser still sein sollte: Auch hierzulande gibt es die Praxis, dass Medien vor Schließung der Wahllokale Zwischenstände von Nachwahlbefragungen mitgeteilt bekommen. Bislang wurden die nur nicht weiterverbreitet.

Und wer ist jetzt Bundespräsident?

Trotz des Urteils scheidet Amtsinhaber Heinz Fischer am 8. Juli aus dem Amt aus. Danach übernehmen die Präsidenten des Nationalrats seine Aufgaben. Das sind die Sozialdemokratin Doris Bures, der ÖVP-Politiker Karlheinz Kopf und Norbert Hofer von der FPÖ – genau der Hofer also, der Bundespräsident werden wollte und noch immer werden will. Zumindest zu einem Drittel hat er sein Ziel jetzt erreicht.

Quelle: ntv.de, hvo

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