Politik

Debatte um Kopf und Kragen Warum die SPD die K-Frage nicht will

Kanzlerkandidat? Bringt doch nichts: Torsten Albis traf mit seiner Aussage ungewollt den Nerv seiner Partei.

Kanzlerkandidat? Bringt doch nichts: Torsten Albis traf mit seiner Aussage ungewollt den Nerv seiner Partei.

(Foto: dpa)

Torsten Albigs Vorstoß, keinen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen, folgte zunächst eine Welle der Empörung, dann eine Flut an Solidaritätsbekundungen an SPD-Chef Gabriel. Jetzt will man die ungeliebte K-Frage schnell wieder verschwinden lassen.

Das politische Sommerloch hat sich gerade erst aufgetan, da ist bei den Sozialdemokraten die "goldene dreifache S-Regel" bereits verletzt worden. Denn die lautet nach Angaben von SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel: "Sommer, Sonne, Schweigen". Aber seit vergangener Woche und gut zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl wabert in der Partei eine aufgeregte Debatte um die Kanzlerkandidatur 2017 - und das hat Gründe jenseits des Sommerlochs.

Zwar hatte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident und SPD-Politiker Torsten Albig vergangene Woche das Thema wohl ohne größere Absicht aufgebracht. Im NDR hatte er die relativ banale Feststellung getroffen, es sei schwer, gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Wahl zu gewinnen. Aber er traf einen Nerv, als er hinzufügte, dass allein die weitere Regierungsbeteiligung für die SPD auch ein legitimes Wahlziel sei. Dann folgte der Satz: "Ob die Bezeichnung Kanzlerkandidat noch richtig ist oder nicht, werden wir sehen."

Nervosität treibt Debatte an

Die Folge war zunächst eine Welle der Empörung, dann eine Flut an Solidaritätsadressen an den derzeit einzig denkbaren Kanzlerkandidaten, SPD-Chef Sigmar Gabriel. Vize-Fraktionschef Axel Schäfer, der SPD-Spitzenkandidat von 2013, Peer Steinbrück, und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil bezeichneten Gabriel als den richtigen Mann für 2017. Die Aufregung über die Erwägung, dass die stolze Volkspartei überhaupt auf die Idee kommen könnte, keinen Kandidaten aufzustellen, liegt nach Ansicht Schäfers in der tatsächlich existierenden enormen Verunsicherung.

"Das Verharren auf der 25-Prozent-Marke bei Umfragen hat sich in den Köpfen festgefressen", sagte er. "Alle erkennen, dass der Wiederaufstieg der SPD zu 30 Prozent viel schwerer ist als der Abstieg - aber gleichzeitig kann niemand die Gründe dafür so recht erklären." Denn die SPD könne doch stolz auf das Erreichte sein, mahnt auch Schäfer-Gümbel. Es sei ein riesiger Erfolg, dass Merkel "jeden zweiten Tag sozialdemokratische Politik betreiben" müsse.

Aber je näher die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz 2016 rücken, desto mehr Augen richten sich auf die Umfragen. Einerseits gibt es eine auffallende Kluft zwischen dem Abschneiden auf Landes- und Kommunalebene und dem Bund - das lenkt den Blick auf den SPD-Chef in Berlin. Andererseits wird in der Parteispitze auch registriert, dass die SPD in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg trotz Regierungsbeteiligung weit hinter der Union rangiert. Das macht nervös.

Der Gabriel-Faktor

Hinzu kommt die Diskussion um Gabriel selbst. Dass einige SPD-Politiker so sehr betonen müssen, er sei der Richtige, hängt mit den Debatten der vergangenen Monate zusammen. Der SPD-Chef hatte den linken Flügel seiner Partei bei Themen wie der Vorratsdatenspeicherung, dem transatlantischen Handelsabkommen TTIP und in der Griechenland-Debatte verärgert. "Aber das ändert nichts am Gesamtbild, dass Gabriel nach sechs Jahren Parteiführung einfach die stärkste und beste Figur ist", kritisiert Schäfer die parteiinternen Mäkler.

Allerdings hatte der Europapolitiker selbst die K-Frage vor einigen Wochen auf die Tagesordnung gebracht, als er dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidaten-Qualität attestierte. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi rügte damals mit scharfen Worten, solche Debatten brauche niemand.

Das Problem mit der Machtoption

Dass die K-Debatte trotz der Appelle von SPD-Vize Schäfer-Gümbel eines der Sommerloch-Themen werden könnte, liegt aber auch an den Koalitionsoptionen der Partei: In den vergangenen Wochen ist es nach dem Niedergang der AfD und dem Wiedererstarken der FDP wahrscheinlicher geworden, dass die Union 2017 möglicherweise erneut die Liberalen als Partner haben könnte. Seit Monaten wächst in der SPD zudem die Sorge, dass sich die Grünen nach der Bundestagswahl doch zu einem Bündnis mit der Union entscheiden könnten. Und Gabriel hatte jüngst die Rot-Rot-Grün-Option wieder einmal ausgeschlossen. Wo also ist die Machtoption jenseits der Juniorrolle der Union, fragen einige.

Schäfer-Gümbel bietet seinen Genossen als Trost an, dass auch die Union ihr K-Problem habe. Merkel sei zwar ein Pfund für CDU und CSU - aber gleichzeitig deren größte Schwäche. Denn die Union setze viel zu sehr auf deren Popularität statt auf Inhalte. Und niemand wisse, was in den nächsten Monaten noch passiere. Das klingt wie die Hoffnung, dass Merkel doch nicht antritt.

Quelle: ntv.de, Andreas Rinke, rts

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