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Wie wird Teheran reagieren? Was über den US-Angriff auf Iran bekannt ist - und was nicht

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Mit diesem Schaubild erklärte das  US-Verteidigungsministerium den Angriff. Zu sehen ist die Flugroute der B-2-Trankappenbomber über den Atlantik nach Iran und wieder zurück.

Mit diesem Schaubild erklärte das US-Verteidigungsministerium den Angriff. Zu sehen ist die Flugroute der B-2-Trankappenbomber über den Atlantik nach Iran und wieder zurück.

(Foto: US-Verteidigungsministerium)

Auch Donald Trump ist nun ein Präsident, unter dessen Führung die USA Krieg gegen ein anderes Land führen. In der Nacht zum Sonntag greift die US-Luftwaffe in einer groß orchestrierten Militäraktion drei Atomanlagen im Iran an. Während die Folgen dieses Angriffs noch weitgehend offen scheinen, wird zumindest immer deutlicher, wie genau das US-Militär vorgegangen ist.

Wie haben die USA angegriffen?
Um 02:00 Uhr nachts deutscher Zeit - in Washington ist es da gerade 20:00 Uhr - gibt US-Präsident Donald Trump über seine eigene Social-Media-Plattform Truth Social bekannt, das US-Militär habe drei iranische Atomanlagen angegriffen. Nach Angaben von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth setzten die USA dabei erstmals bunkerbrechende Bomben des Typs GBU-57 ein, um die unterirdischen Uran-Anreicherungsanlagen des Iran zu vernichten. Insgesamt 14 dieser Bomben seien gegen den Iran eingesetzt worden - transportiert von B-2-Tarnkappen-Bombern. Die Hightech-Flugzeuge mit einem Stückpreis von mehr als zwei Milliarden Dollar sind als einzige in der Lage, die 13,6 Tonnen schweren GBU-57 ins Ziel zu tragen. Die USA bezeichnen die Angriffe als "Operation Mitternachtshammer".

Allein sechs GBU-57 warf das US-Militär nach übereinstimmenden Medienberichten auf die tief in ein Gebirgsmassiv gegrabene Atomanlage Fordo. Zwei weitere dieser Bomben trafen demnach die Anlage Natans. Zudem sei Natans von U-Booten aus mit Marschflugkörpern angegriffen worden. Das dritte US-Angriffsziel in der Stadt Isfahan wurde demnach nur mit Marschflugkörpern angegriffen. Insgesamt waren nach Angaben des US-Militärs insgesamt 125 Flugzeuge, ein U-Boot sowie Hunderte Soldaten beteiligt. Zunächst griff ein U-Boot der Marine Ziele in der Stadt Isfahan mit mehr als zwei Dutzend Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk an, kurz bevor die B-2-Bomber ihre Ziele anflogen.

"Die Hauptangriffsflotte, bestehend aus sieben B-2-Bombern, jeweils mit zwei Besatzungsmitgliedern, flog heimlich nach Osten, mit nur minimaler Funkkommunikation während des 18 Stunden langen Flugs ins Zielgebiet", schilderte US-Generalstabschef Dan Caine. Dabei wurden die Tarnkappenbomber wegen der großen zurückzulegenden Distanz mehrfach in der Luft betankt. Weitere B-2-Bomber seien als "Täuschungsmanöver" in den Pazifikraum geflogen. Über dem Iran wurden die B-2-Bomber zur Absicherung von weiteren US-Kampfflugzeugen begleitet. Zunächst griff ein U-Boot der Marine Ziele in der Stadt Isfahan mit mehr als zwei Dutzend Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk an, kurz bevor die B-2-Bomber ihre Ziele anflogen. Um 0.40 Uhr deutscher Zeit begannen die B2-Bomber ihren Angriff.

Was haben die US-Bomben bewirkt?
Wie groß das Ausmaß der Schäden an den angegriffenen Anlagen im Iran tatsächlich ist, ist aktuell noch unklar. Die iranische Führung bestätigte einen Angriff auf die Atomanlagen des Landes. Die staatliche Nachrichtenagentur des Landes Irna berichtete, dass ein Teil des Bereichs um die Atomanlage Fordo beschädigt worden sei. Fordo sei das Hauptziel gewesen, ließ Washington wissen. Trump selbst bezeichnete die Angriffe als "sehr erfolgreich". Es seien "entscheidende Anlagen zur Uran-Anreicherung" zerstört worden. Auch Hegseth sagte, der Angriff sei ein "unglaublicher und überwältigender Erfolg".

Sechs Einschlaglöcher im Berg über Fordo

Sechs Einschlaglöcher im Berg über Fordo

(Foto: picture alliance/dpa/Maxar Technologies via AP)

Neue Satellitenbilder zeigen sechs Einschlagslöcher im Berg über Fordo, die den Eintrittspunkt der sechs abgeworfenen GBU-57 markieren könnte. Der Politologe Stefan Fröhlich hält eine vollständige Zerstörung der iranischen Atomanlagen, so wie sie von der US-Regierung dargestellt wird, dennoch für unwahrscheinlich. "Es braucht ganze Salven von diesen bunkerbrechenden Bomben, um bis nach unten durchzudringen", sagte der Professor der Universität Erlangen-Nürnberg am Sonntag dem Sender Phoenix. Die Bomben der USA reichten bis in 60 Meter Tiefe. "Die Anlagen liegen aber zum Teil bis in 90 Meter Tiefe." Auch die "New York Times" berichtet unter Berufung auf einen US-Beamten, die Atomanlage in Fordo sei zwar schwer beschädigt, aber nicht zerstört.

Kam es zum Austritt radioaktiver Strahlung?
Ein Austritt radioaktiver Strahlung ist bislang nicht gemessen worden, auch nicht von den Golfstaaten in Nachbarschaft des Iran. Die Internationale Atomenergiebehörde erklärt, dass die angegriffenen iranischen Anlagen in Isfahan entweder kein oder nur geringe Mengen an nuklearem Material enthielten. Eine mögliche Verseuchung sei auf die beschädigten oder zerstörten Gebäude beschränkt, teilt die IAEA mit. Bei dem Material habe es sich um natürliches oder niedrig angereichertes Uran gehandelt.

Wurden Menschen durch die US-Angriffe verletzt oder getötet?
Tote gab es offenbar nicht. Es seien elf Menschen verletzt worden, wovon vier in ein Krankenhaus eingeliefert worden seien, zitierte die iranische Nachrichtenagentur Mehr den Chef des iranischen Roten Halbmondes, Pir-Hussein Kuliwand. Die Zahl der Opfer könnte auch weitaus größer sein, allerdings hatte sich die iranische Führung zumindest auf einen Angriff auf die Atomanlagen eingestellt und diese womöglich evakuiert. Die USA sollen vor dem Angriff die Führung in Teheran informiert haben, dass nur die Atomanlagen angegriffen würden, die USA aber keine weitere Ausweitung des Konflikts anstrebten. Entsprechende Berichte sind offiziell nicht bestätigt.

Wie reagiert der Iran?
Die iranische Führung drohte nach dem Angriff mit Konsequenzen. Die Antwort werde "im Rahmen der UN-Charta" ausfallen. Diese sieht allerdings vor, dass sich ein Land gegen Angriffe zur Wehr setzen darf. US-Verteidigungsminister Hegseth bekräftigte US-Präsident Trumps Warnung, dass das US-Militär "schnell und entschlossen" reagieren werde, falls es nun Angriffe auf US-Ziele in der Region geben sollte. Kurz nach den US-Angriffen feuerte Iran 30 Raketen auf Israel. In der Folge wurden laut dem israelischen Gesundheitsministerium 86 Personen verletzt, die meisten von ihnen leicht.

Aber wird sich Teheran auch direkt gegen die USA wenden? Der Iran könnte etwa direkt mit ballistischen Raketen oder Drohnen gegen US-Streitkräfte vorgehen, die im Nahen Osten stationiert sind - derzeit rund 40.000 Soldatinnen und Soldaten. Das zweite Szenario wäre, dass der Iran nicht selbst US-Truppen angreift, sondern dies verbündeten Milizen etwa im Irak oder im Jemen überlässt. In diesem Fall wäre es vielleicht denkbar, dass Trump ohne Gesichtsverlust auf einen Gegenschlag verzichten könnte.

Ein drittes Szenario wäre, dass der Iran die Straße von Hormus vermint, durch die nach Schätzungen bis zu einem Viertel der weltweiten Ölproduktion verschifft wird. Das bedeutete den Beginn einer weltweiten Ökrise und könnte einer weiteren militärischen Eskalation den Boden bereiten. Irans Außenminister Araghtschi will sich heute mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin treffen, um sich mit dem Partnerland abzustimmen.

Wie begründet die US-Regierung ihr Eingreifen?
Schon am Samstag war bekannt geworden, dass die USA ihre B-2-Tarnkappenbomber in den Pazifik verlegt haben. Weil aber Trump selbst am Freitag noch gesagt hatte, er werde in den kommenden zwei Wochen über einen US-Angriff entscheiden, schien ein Angriff nicht zwingend bevorzustehen. Dass Trump überhaupt einen Angriff in Erwägung zog nach der vorangegangenen Woche, war überraschend. Der Republikaner hatte die USA eigentlich aus militärischen Abenteuern heraushalten wollen. Nun beteuert Washington, es gehe den USA allein um das iranische Atomprogramm. Ziel sei nicht ein Sturz der Regierung im Iran. Man wolle keinen Regimewechsel, sagt US-Vize-Präsident JD Vance dem Sender NBC. "Wir wollen mit den Iranern über ein langfristiges Abkommen sprechen", sagt er. Der Konflikt solle nicht weiter verlängert werden.

Der Zeitpunkt des Angriffs ist insofern überraschend, als dass die Informationslage über den Fortschritt des iranischen Atomwaffenprogramms keinesfalls eindeutig ist. Die israelische Regierung geht fest davon aus, dass die Iraner einen kritischen Punkt der Uran-Anreicherung erreicht haben, von dem aus es vergleichsweise einfach sei, atomwaffenfähiges Uran herzustellen. Noch im März hatten US-Geheimdienste eine solche Einschätzung nicht geteilt. Klar ist hingegen: Nach den militärisch erfolgreichen Angriffen Israels auf die iranische Luftverteidigung in den Tagen zuvor war der Iran plötzlich praktisch schutzlos. "Es scheint so, als hätten Irans Boden-Luft-Raketensystem uns während des ganzen Einsatzes nicht gesehen", schilderte US-Generalstabschef Caine.

Durften die USA den Iran angreifen?
Aus Sicht des Völkerrechtsexperten Jochen von Bernstorff war der US-Angriff "eindeutig rechtswidrig", wie er der Nachrichtenagentur dpa sagte. Er sehe "wenig Spielraum für eine völkerrechtliche Rechtfertigung", sagte der Professor für Staatsrecht, Völkerrecht, Verfassungslehre und Menschenrechte an der Universität Tübingen. Die Amerikaner seien derzeit nicht selbst angegriffen worden, insofern liege kein Fall von individueller Selbstverteidigung vor. Da auch im Fall von Israel das Argument Selbstverteidigung nach einhelliger Meinung nicht greife, könnten sich die USA nach Einschätzung von Bernstorffs nicht auf kollektive Selbstverteidigung berufen. "Das gibt den Amerikanern kein Recht zur militärischen Unterstützung der israelischen Angriffe."

China verurteilt den US-Angriff auf Iran scharf. Er verletze die UN-Charta und verschärfe die Spannungen im Nahen Osten, teilt das Außenministerium mit. Die Konfliktparteien, besonders Israel, müssten so schnell wie möglich die Angriffe stoppen und Verhandlungen und einen Dialog beginnen. Auch die russische Regierung sprach von einem eklatanten Verstoß gegen internationales Recht, die Charta der Vereinten Nationen (UN) und Resolutionen des UN-Sicherheitsrats.

Wie fallen die Reaktionen in den USA auf Trumps Entscheidung aus?
Linksgerichtete Demokraten wie Senator Bernie Sanders und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez kritisierten einen Verfassungsbruch durch Trump. Dieser hätte zuerst den Kongress konsultieren müssen. Zur Frage, ob der Angriff selbst richtig und notwendig war, halten sich führende Demokraten bislang eher zurück.

Wichtiger für Trump dürfte aber das eigene Lager sein, dass sich unmittelbar nach dem Angriff gespalten zeigte. Mehrere bekannte Vertreter des sogenannten MAGA-Lagers (Make America Great Again) kritisierten die Angriffe scharf, darunter Trumps früherer Chefstratege Steve Bannon, die Trump-nahe Republikanerin Marjorie Taylor Greene und der in der MAGA-Szene beliebte Medienmacher Tucker Carlson. Mehrere republikanische Kongressmitglieder hingegen stellten die Angriffe als unvermeidlich dar, um den Staat Israel vor iranischen Atombomben zu schützen. Trump hatte seinen Anhängern eigentlich versprochen, die USA künftig aus allen Kriegen herauszuhalten. Viele MAGA-Aktivisten verstehen sich als Isolationisten, die nichts zu tun haben wollen mit Konflikten, die die USA nicht direkt betreffen.

Was sagt die deutsche Politik?
Die Bundesregierung hüllt sich weitgehend in Schweigen. Am Abend spricht Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mit Caren Miosga in Berlin. Noch am Freitag hatte Außenminister Johann Wadephul zusammen mit seinen Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien den iranischen Außenminister Abbas Araghtschi verhandelt, um Gespräche über die Einhegung des iranischen Atomprogramms voranzubringen. Araghtschi hatte auf Vermittlung des Oman zudem mit den USA verhandelt. Kanzleramtschef Thorsten Frei sagte am Nachmittag in der ARD: "Wir versuchen jede Möglichkeit der Diplomatie zu nutzen, um hier zu einer Lösung des Konflikts zu kommen."

Zuvor hatte bereits Bundeskanzler Friedrich Merz den Iran zu sofortigen Verhandlungen mit den USA und Israel sowie einer "diplomatischen Lösung des Konflikts" mit den USA und Israel gedrängt. "Eine Zerstörung des iranischen Atomprogramms bietet die Chance, der Region und den Menschen dauerhaft Stabilität und Frieden zu bringen", schrieb der CDU-Politiker auf X.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic beklagt dagegen eine "weitere Eskalation" des Kriegs durch den US-Angriff. Der Region drohe ein "Flächenbrand", so Ahmetovic. "Es bleibt ein Spiel mit dem Feuer. Trump sei "ein immenses Risiko eingegangen", erklärte Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger. "Die Lage ist extrem volatil und gefährlich." Auch die USA seien verpflichtet, eine völkerrechtliche Begründung des Angriffs vorzulegen. "Militäreinsätze bezogen auf nukleare Anlagen sind besonders gefährlich und vom Völkerrecht nicht gedeckt." Linken-Chef Jan van Aken forderte eine Rückkehr zur Diplomatie: "Wenn der Westen selbst das Völkerrecht verletzt, wird es umso schwerer, globale Unterstützung für die Ukraine und den Kampf gegen den Völkerrechtsverletzter Putin zu gewinnen."

Wie geht es nun weiter?
Die USA sind nach eigenen Angaben offen für Gespräche. Verteidigungsminister Hegseth sagte auf die Nachfrage eines Journalisten nach diplomatischen Möglichkeiten: Er könne nur bestätigen, dass öffentliche und private Nachrichten an die Iraner über mehrere Kanäle geschickt worden seien - um ihnen die Möglichkeit zu geben, an den Verhandlungstisch zurückzukommen. Doch die iranische Führung hatte wiederholt deutlich gemacht, sich nicht an den Verhandlungstisch bomben zu lassen und eine Einstellung der Angriffe zur Voraussetzung für Gespräche erhoben.

"Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem die Situation für die USA nahezu unkontrollierbar geworden ist, weil die weitere Entwicklung davon abhängt, wie der Iran jetzt reagiert", analysiert der Nahost-Experte Jan Busse von der Universität der Bundeswehr München im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff drückt es so aus: "Im Moment stellt es Trump so dar, dass er sagt: 'Wunderbar, das iranische Atomprogramm ist zerstört, damit ist der Job erledigt, wir gehen nach Hause.' Das wird es ganz sicher nicht sein."

Zahlreiche Beobachter und Experten warnen davor, dass der Iran selbst ins Chaos stürzen könnte. Ein plötzlicher Kollaps des Ayatollah-Regimes könnte den Weg zu einem geordneten und friedlichen Übergang zur Demokratie, wie ihn die meisten Oppositionsgruppen anstreben, versperren.

Quelle: ntv.de, mit dpa, AFP, Reuters

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