Politik

Mehrheit erwartet Rücktritt des FDP-Chefs Westerwelle bekommt Mitleid

Krisengespräch: FDP-Generalsekretär Lindner, Westerwelle und Fraktionschefin Homburger im Deutschen Bundestag.

Krisengespräch: FDP-Generalsekretär Lindner, Westerwelle und Fraktionschefin Homburger im Deutschen Bundestag.

(Foto: dpa)

Ausgerechnet von Kritiker Kubicki bekommt FDP-Chef Westerwelle öffentliche Mitleidsbekundungen. Auch führende Liberale stärken dem angeschlagenen Parteichef den Rücken. Eine Mehrheit der Deutschen glaubt allerdings nicht, dass Westerwelle in einem Jahr noch FDP-Chef ist.

Angesichts der anhaltenden Spekulationen über die politische Zukunft von FDP-Chef Guido Westerwelle hat der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki "Mitleid" geäußert. "Ich habe Mitleid mit dem Menschen Westerwelle, angesichts der Art und Weise, wie mit ihm umgegangen wird", sagte Kubicki der "Süddeutschen Zeitung". Es sei "falsch, ihn allein für die Lage der FDP verantwortlich zu machen". Rücktrittsforderungen seien jetzt "kontraproduktiv".

Wäscht seine Hände in Unschuld: Kubicki hat zwar die jüngste Debatte losgetreten, nimmt aber trotzdem Westerwelle in Schutz.

Wäscht seine Hände in Unschuld: Kubicki hat zwar die jüngste Debatte losgetreten, nimmt aber trotzdem Westerwelle in Schutz.

(Foto: dapd)

Kubicki hatte mit Kritik am Zustand der Bundespartei am vergangenen Wochenende allerdings die jüngste Debatte selbst ausgelöst. Er verteidigte er sich jedoch gegen Vorwürfe, der eigenen Partei damit geschadet zu haben. "Ich habe die FDP nicht in Aufregung versetzt. Sie war es längst." Kubicki weiter: "Fakt ist, dass wir seit Monaten in Umfragen irgendwo zwischen vier und sechs Prozent dümpeln. Fakt ist: Wir haben binnen eines Jahres zwei Drittel unserer Wähler verloren. Fakt ist auch, dass wir trotzdem Tag für Tag aus der Parteizentrale Meldungen erhalten über eine erfolgreiche FDP-Politik. Dieser Widerspruch hat mich dazu bewogen, klare Worte zu sprechen."

Zur Diskussion um den Parteivorsitzenden sagte Kubicki: "Unser Problem trägt nicht den Namen Guido Westerwelle." An der Lage der Partei trügen "eine Menge anderer Personen im Führungskreis" eine Verantwortung. "Nicht nur der Vorsitzende ist gefragt. Alle, die Führungsverantwortung tragen, sind gefordert, die FDP wieder aufzurichten."

Solidaritätsbekundungen

Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle stellte sich hinter Westerwelle. "Absurde Spekulationen bringen niemanden weiter", sagte Brüderle. "Die FDP hat einen Vorsitzenden, der das Vertrauen des gesamten Präsidiums genießt." Brüderle, der auch stellvertretender FDP-Chef ist, appellierte an seine Partei: "Wir haben durch unsere Geschlossenheit Erfolge erreicht, und wir werden auch nur durch Geschlossenheit wieder in die Erfolgsspur kommen. Wahlen gewinnt man mit heißem Herz und kühlem Kopf. Das sollten sich jetzt alle bewusstmachen."

Zuvor hatte Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel erklärt, er sehe keinen Anlass für eine Ablösung von FDP-Chef Westerwelle. "Wir sind in einer schwierigen Situation", räumte er im ZDF ein. "Aber alle, die jetzt sich zu Wort gemeldet haben, sagen, es gibt keine richtige Alternative. Das sehe ich ganz genauso." Da es keine Alternative zu Westerwelle gebe, gelte: "Entweder man stürzt einen Vorsitzenden oder man stützt ihn - und jetzt müssen wir alle ihn stützen, damit es mit der FDP vorangeht."

Nach Ansicht von Gesundheitsminister Philipp Rösler wird Westerwelle die Krise überstehen. "Er hat klar seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass er die Partei erfolgreich durch die nächsten Landtagswahlkämpfe führen will", so Rösler. Und es gebe keinen Zweifel, "dass das gelingt".  Rösler verurteilte zudem die von einigen Parteimitgliedern geäußerte harsche Kritik am FDP-Chef. "Die Kritik zum jetzigen Zeitpunkt finde ich wenig nützlich, gerade wenn sie von Leuten kommt, die sich über Jahre zurückgehalten haben oder sich nicht gemeldet haben." Dies habe etwas von "Zwergenmut".

"Diskussion ist destruktiv"

Angesichts der lauter werdenden Debatte um Westerwelle sind die Liberalen bemüht, die Diskussion wieder abzuwürgen. "Ich halte diese Personaldiskussion für destruktiv", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel im Interview mit n-tv.de. Es gebe zwar eine Unzufriedenheit in der Partei. "Aber eine Debatte über den Parteivorsitzenden wird die Umfragewerte sicher nicht verbessern", sagte Vogel.

Gelobt Treue: Brüderle gilt als möglicher Nachfolger Westerwelles.

Gelobt Treue: Brüderle gilt als möglicher Nachfolger Westerwelles.

(Foto: dapd)

"Westerwelle wird nicht hinschmeißen", sagte auch der nordrhein-westfälische FDP- Landesvorsitzende Daniel Bahr der "Financial Times Deutschland". Es gebe keine Mehrheit gegen Westerwelle in der Partei. Die Liberalen müssten vielmehr aufpassen, ihr Führungspersonal nicht zu demontieren und Erfolge in der Regierung nicht zu zerreden. Auch Bayerns FDP-Chefin, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sieht die Ära Westerwelles als Parteivorsitzender noch nicht am Ende. "Die Tage des Jahres sind gezählt, sonst nichts", sagte sie der "Passauer Neuen Presse".

Baum fordert Verjüngung

Aus Baden-Württemberg, dem Kernland der Liberalen, waren drei Monate vor der Landtagswahl Rücktrittsforderungen an Westerwelle laut geworden. In Rheinland-Pfalz, wo ebenfalls im März gewählt wird, erklärte der FDP-Spitzenkandidat Herbert Mertin, der Landesverband habe bisher nicht um einen Auftritt Westerwelles gebeten. Westerwelle sei "ein Klotz am Bein", hatte Mertin in Interviews gesagt. Der rheinland-pfälzische Landesverband der Liberalen wird seit 27 Jahren von Brüderle geführt.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum forderte angesichts der Debatte um Westerwelle rasche Konsequenzen jetzt und nicht erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr. "Herr Westerwelle muss sich vergewissern, ob er noch das Vertrauen der Basis hat", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wir brauchen auf jeden Fall einen Neuanfang, einen Weg, der uns aus der Krise führt." Dabei gehe es um die politischen Inhalte, aber auch um die personelle Aufstellung. "Die jüngere Generation ist gefragt", sagte Baum. "Die FDP hat wie kaum eine andere Partei ein Potenzial an jungen Frauen und Männern in Bund und Ländern, die in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen."

Mehrheit glaubt an Westerwelles Ende

Auch in der Bevölkerung sinkt Westerwelles ansehen weiter. Im ZDF-"Politbarometer" gaben ihm 63 Prozent der Wahlberechtigten eine sehr große oder große Schuld für das Stimmungstief der FDP. Nur 39 Prozent erwarten, dass Westerwelle Ende nächsten Jahres noch Parteivorsitzender sein wird. 51 Prozent glauben das nicht. Das Umfragetief der Liberalen wird nach Ansicht von 70 Prozent auch noch länger anhalten. Nur 24 Prozent rechnen mit einer Erholung in der nächsten Zeit. Die FDP verharrt in der Umfrage auf dem Tief von fünf Prozent. In der politischen Stimmung sind es sogar nur drei Prozent. Bei der Forsa-Umfrage dieser Woche kam die FDP auf 4 Prozent.

Quelle: ntv.de, tis/jmü/dpa/rts/AFP

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