Politik

Netanjahu im US-Kongress Wie Republikaner die Rede sehen

Volles Haus: Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses lauschen der Rede von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.

Volles Haus: Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses lauschen der Rede von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.

(Foto: REUTERS)

Der Auftritt von Israels Regierungschef in Washington offenbart mehr also nur die tiefe parteipolitische Spaltung der Vereinigten Staaten. US-Medien feiern Netanjahu als aufrechten Verteidiger der freien Welt. Obama dagegen steht als gefährlicher Weichling dar.

Die Zuschauer des US-Senders "Fox News" dürften sich am Abend verwundert die Augen reiben. "Netanjahu unternimmt letzten Versuch, Obama von einem Nuklear-Deal mit dem Iran abzuhalten", lautet die Schlagzeile, mit der Rupert Murdochs stramm rechter Nachrichtenkanal über die Rede des israelischen Regierungschefs vor dem US-Kongress berichtete.

Das klingt nicht nur so, als ob es eines ausländischen Staatsmannes bedürfe, einen außer Kontrolle geratenen US-Präsidenten Barack Obama zur Vernunft zu bringen. Das ist auch so gemeint. "Die derzeit zur Verhandlung stehende Vereinbarung mit dem Iran erinnert an das Münchner Abkommen von 1938", zitierte "Fox News" zum Beispiel den republikanischen Senator Ted Cruz aus Texas. Die Botschaft lautet: Der Versuch einer gütlichen Einigung mit dem Iran sei ebenso zum Scheitern verurteilt wie die Appeasement-Politik gegen Adolf Hitler.

Ein Staatsmann aus dem Ausland warnt Abgeordnete und Senatoren vor dem derzeit wichtigsten außenpolitischen Projekt ihres Präsidenten: Die leeren Plätze einiger Demokraten waren während Netanjahus Auftritt schnell gefüllt.

Ein Staatsmann aus dem Ausland warnt Abgeordnete und Senatoren vor dem derzeit wichtigsten außenpolitischen Projekt ihres Präsidenten: Die leeren Plätze einiger Demokraten waren während Netanjahus Auftritt schnell gefüllt.

(Foto: REUTERS)

Obama und die "anti-israelischen Linken"

Andere, gemäßigtere Kommentatoren schlagen in dieselbe Kerbe. Die Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin "Bibi" Netanjahu vor beiden Kammern des US-Kongresses habe Demokraten und Republikaner nicht etwa entzweit, sondern vielmehr gemeinsam daran erinnert, was bei den Verhandlungen mit dem Iran auf dem Spiel stehe und warum es niemals zu einer Vereinbarung mit dem Iran kommen dürfe, schrieb etwa die US-Journalistin Jennifer Rubin in einem Beitrag für die "Washington Post". Die Aufregung um Netanjahus Auftritt bezeichnete sie als übertrieben. Sie sei hauptsächlich durch Obamas zweifelhafte Weigerung entfacht worden, sich dem Besuch Netanjahus zu stellen.

Tatsächlich habe sich gezeigt, so Rubin weiter, dass sich abgesehen von "ein paar Linksaußen-Vertretern" alle Abgeordneten gegen einen Boykott der Netanjahu-Rede entschieden hätten. Die ablehnende Haltung gegenüber Netanjahu, erklärte Rubin, sei ein Problem der amerikanischen Linken, die wie die Linke in Europa und anderswo "virulent anti-israelisch" geworden sei.

Ex-General erkennt die "Hand Gottes"

Dem US-Präsidenten warf sie vor, gegenüber vernünftigen Argumenten "immun" zu sein. Den an den Verhandlungen mit dem Iran beteiligten Staaten - darunter auch Deutschland - unterstellte sie pauschal, an einer "Variante des Stockholm-Syndroms zu leiden", also etwa unter großem psychischen Druck Sympathien für die Ziele eines Geiselnehmer zu entwickeln. Die Rolle des "Geiselnehmers" weist Rubin ohne Zweifel dem Regime in Teheran zu.

Inszeniert wie eine Rede zur Lage der Nation: "Teheran könnte schon bald über die Mittel verfügen, ein nukleares Waffenarsenal bis in die USA zu tragen."

Inszeniert wie eine Rede zur Lage der Nation: "Teheran könnte schon bald über die Mittel verfügen, ein nukleares Waffenarsenal bis in die USA zu tragen."

(Foto: REUTERS)

Netanjahu bescheinigt die konservative Kommentatorin dagegen eine "logische" Argumentation, die zu einer "nahezu unausweichlichen Schlussfolgerung" führe: Jede Konzession gegenüber Teheran halte den Iran nicht von der Bombe ab, sondern ebene den Weg zu einer nuklear bewaffneten islamistischen Diktatur. Der republikanische Mehrheitsführer John Boehner, auf dessen Initiative hin Netanjahu Obamas derzeit wichtigstes außenpolitisches Projekt im US-Kongress öffentlich demontieren durfte, bedankte sich nach dem Auftritt via Twitter.

"Danke Benjamin Netanjahu, dass du ein prinzipientreuer Anführer mit starken Überzeugungen bist", teilte Boehner dort mit. Jerry Boykin, ein pensionierter Ex-General, der es unter Präsident George W. Bush bis zum Unterstaatssekretär gebracht hatte, bekannte in dem Kurznachrichtendienst sogar, über Netanjahu "die Hand Gottes" erkannt zu haben.

Atomraketen, die bis in die USA reichen

Was für Europäer nach allzu starkem Tobak riecht, kennzeichnet ein in der US-Öffentlichkeit weit verbreitetes Misstrauen gegenüber kompliziert ausgehandelten diplomatischen Lösungen. In einem für Bedrohungsszenarien sehr empfänglichen Klima konnte Netanjahu fest damit rechnen, dass seine Worte in Washington Widerhall finden. "Wenn das iranische Rüstungsprogramm zum Bau von Interkontinentalraketen nicht Teil der Verhandlungen ist - und bislang weigert sich der Iran, es überhaupt mit auf den Verhandlungstisch zu legen - dann könnte Teheran schon bald über die Mittel verfügen, ein nukleares Waffenarsenal in die entferntesten Weltregionen zu tragen", warnte Netanjahu die Abgeordneten und Senatoren in Washington, "einschließlich alle Teile der Vereinigten Staaten."

Das Zerwürfnis mit Barack Obama, das der israelische Ministerpräsident mit seiner Rede riskierte, scheint aus diesem Blickwinkel angesichts des engen Zeitplans in den Atomverhandlungen das kleinere Übel zu sein. Insbesondere gilt das für einen militärisch geschulten Taktiker wie Netanjahu, der 2016 fest mit einem Wechsel im Weißen Haus rechnen kann und der auf seine eigene Wiederwahl in knapp zwei Wochen hofft. Mit seiner von Jubelrufen und frenetischem Applaus unterbrochenen Ansprache vor dem US-Kongress konnte er sich im eigenen Land als besorgten, aber wirkungsmächtigen Staatsmann darstellen - und sich zugleich durch die gezielte Provokation das Wohlwollen der wieder erstarkten Republikaner sichern.

Steinmeier vom Iran eingelullt?

Der US-Präsident Obama selbst reagierte auf den kalkulierten Affront betont gelassen. "Es ist sehr wichtig, dass wir die Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Staaten nicht politisieren", sagte er mit Blick auf die Einladung des republikanischen Parlamentspräsidenten Boehner. Netanjahus Rede habe er wegen einer Videokonferenz mit europäischen Partnern zur Ukraine-Krise nicht verfolgen können. Er habe aber eine Abschrift der Rede gelesen.

Im Atomstreit mit dem Iran könnte es in den kommenden Wochen tatsächlich zu wichtige Weichenstellungen kommen: Nach dem bisherigen Zeitplan wollen die Verhandlungspartner noch in diesem Monat einen Rahmenvertrag mit dem Iran erreichen. Bis Juli soll dann eine umfassende Einigung erzielt sein. Die USA fordern, dass der Iran seine Nuklearkapazitäten mindestens zehn Jahre nicht weiterentwickelt. Der Iran will eine Aufhebung der Sanktionen erreichen.

Israel ist an den Gesprächsrunden mit Teheran nicht beteiligt. Am Verhandlungstisch mit dem Iran sitzen die fünf Vetomächte aus dem UN-Sicherheitsrat (also neben den USA noch Russland, China, Großbritannien und Frankreich) sowie Deutschland. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bescheinigte der Regierung in Teheran, inzwischen ernsthaft mit dem Westen zu verhandeln. "Es wird keinen guten oder schlechten Deal geben, sondern es wird nur eine Vereinbarung geben, mit der wir sicher sein können, dass der Iran keinen Zugriff auf Atomwaffen bekommt."

"Fürchtet euch nicht"

Obama sprach in seiner Reaktion auf Netanjahus Auftritt davon, dass die Rede keine konkreten Ansatzpunkte enthalten habe. Dabei stellte der israelische Regierungschef sehr wohl deutliche Forderungen. Als Alternative zu der derzeit in Genf verhandelten Vereinbarung empfahl Netanjahu drei Punkte, die erfüllt sein müssten, bevor die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden dürften: Erstens müsse Teheran auf alle Aggressionen gegen seine Nachbarn im Mittleren Osten verzichten. Zweitens müsse der Iran umgehend jegliche Förderung des Terrorismus aufgeben. Und drittens müsse das iranische Regime die Drohung, Israel auszulöschen, zurückziehen.

Bei der Mehrheit der US-Spitzenpolitiker im Kongress scheint Netanjahu damit jedenfalls den richtigen Ton getroffen zu haben. Unter den teils enthusiastischen Beifallsrufen seiner Zuhörer beendete Netanjahu seine Rede mit gewichtigen biblischen Anklängen: "Bevor die Israeliten das Heilige Land betraten, gab Moses uns eine Botschaft mit auf den Weg, die unser Entschlossenheit gestählt hat für tausende Jahre", sagte Netanjahu. "Seid stark und entschlossen, fürchtet euch nicht."

Quelle: ntv.de

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