Politik

Fachkräfte-Talk bei Klamroth "Wir wollen keine Zuwanderung in Sozialsysteme"

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"Wir wollen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt", sagt Hubertus Heil.

"Wir wollen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt", sagt Hubertus Heil.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

In Deutschland fehlen Fachkräfte. Das will die Bundesregierung mit einem Gesetz ändern. In der Sendung "Hart aber fair" in der ARD entbrennt darüber eine heftige Diskussion. Dabei geht es vor allem um deutsche Sprachkenntnisse bei Menschen, die mit dem Arbeitsmarkt nichts zu tun haben.

Deutschland hat ein Problem: Auf dem Arbeitsmarkt fehlen Fachkräfte. Darüber diskutieren am Montagabend die Gäste bei "Hart aber fair" in der ARD. Gleich zu Beginn der Sendung geht es um das aktuelle Fachkräfteproblem bei der Bundesregierung. Gesucht wird ein Verteidigungsminister. Einer der möglichen Kandidaten für diesen Posten ist Gast in der Sendung: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Moderator Louis Klamroth nutzt diese Chance, um den Minister nach seinen Ambitionen zu fragen.

Heil lässt sich jedoch auf keine Diskussion ein: "Ich habe als Arbeitsminister noch eine ganze Menge vor", sagt er. "Der Kanzler wird morgen bekannt geben, wer Nachfolger von Ministerin Lambrecht wird." Mit "morgen" meint er diesen Dienstag. Scholz werde eine gute Entscheidung treffen, aber nicht in Talkshows. Er selber fühle sich als Arbeitsminister nicht unausgelastet. Aber jeder könne sich darauf verlassen, dass die Ampelkoalition auch in diesem Politikfeld handlungsfähig sei. "Denn darauf kommt es am Ende an."

Nachdem das geklärt ist, wird über das eigentliche Thema diskutiert. Lange geht es dabei recht ruhig zu, außer bei Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Der CSU-Politiker ist schon im Wahlkampfmodus, was am Ende zu einer vergleichsweise unnötig heftigen Diskussion führen wird. Da geht es um die Deutschkenntnisse von Migranten. Und da gerät das Gemüt des Bayern in Wallung. Los geht es beim Thema der doppelten Staatsangehörigkeit, aber erst recht bei einem Teilbereich eines Gesetzes, das Innen- und Arbeitsministerium erarbeitet haben. Der sieht vor, dass bei Einbürgerungen von Menschen ab 67 Jahren die deutschen Sprachtests erleichtert werden sollen.

Die werden zwar den Fachkräftemangel in Deutschland nicht beseitigen, aber um so mehr regt sich Herrmann über die Regelung auf, bei der die Bundesregierung vor allem an Menschen denkt, die in den 1960ern als "Gastarbeiter" nach Deutschland gekommen sind und 50 Jahre lang Steuern und Abgaben gezahlt haben. Damals gab es keine deutschen Sprachkurse. Diese Leute hätten aber inzwischen 50 Jahre Zeit gehabt, die Sprache zu lernen, wütet Herrmann. Am Ende flacht die Diskussion derartig ab, dass man wünschen könnte, zukünftige Fachkräfte hätten sie nicht gesehen.

Kabinett will Einwanderungsgesetz beschließen

Doch zunächst ist der Talk sachlich. Arbeitsminister Heil erklärt das bekannte Problem: In Deutschland herrsche zwar Vollbeschäftigung, aber in den nächsten Jahren würden die Babyboomer das Rentenalter erreichen, also jene Menschen, die in den 1960er Jahren geboren worden seien. Dann werde es an vielen Stellen zu wenig Arbeitskräfte geben. Heil will deswegen Menschen ohne Schulabschluss in Ausbildungsmaßnahmen bringen. Weiterhin plant er eine Neuregelung des Bildungsurlaubs für Arbeitnehmer. Langzeitarbeitslose sollen wieder in den Berufsalltag eingegliedert, Frauen von der Möglichkeit einer Vollzeitarbeit überzeugt werden. "Aber all das wird nicht reichen. Wir brauchen auch qualifizierte Zuwanderer", sagt Heil. Die Bundesagentur für Arbeit gehe von bis zu sieben Millionen aus. Heil: "Da gibt es viel zu tun. Wir brauchen viele Menschen, helfende Hände und kluge Köpfe."

Schon jetzt habe die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union sehr geholfen. Aber viele Menschen kämen aus Drittstaaten nach Deutschland, die eine Arbeit suchten. Die will Heil unterstützen.

Aber, grätscht hier der bayerische Innenminister in die Diskussion, "Es sind auch eine Menge Menschen da, die sind illegal hier, und die wollen offensichtlich nicht arbeiten. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die, die illegal da sind und nicht arbeiten, unser Land auch wieder verlassen." Applaus im Publikum, das genauso zweigeteilt ist wie die Meinungen, die an diesem Abend geäußert werden.

Da ist Lamya Kaddor, Deutsch-Syrerin, Islamwissenschaftlerin, Gründungsvorsitzende des Liberal-islamischen Bundes und Grüne Bundestagsabgeordnete. Sie interessiert sich vor allem für Menschen, die arbeiten wollen, und kritisiert die Unattraktivität Deutschlands. Das kann Heil nachfühlen. Deswegen will die Ampelkoalition ein neues Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen. Zunächst müsse das aktuelle Fachkräfte-Einwanderungsrecht "entschlackt" werden. Dazu müsse man die Hürde bei der Einwanderung senken. "Wir brauchen nicht nur Fachkräfte im Sinne von Akademikern, sondern auch qualifizierte Handwerker."

Ferner fordert Heil die Abkehr von der "Arroganz des deutschen Bildungssystems". Für ihn bedeutet das: Berufliche Qualifikationen aus anderen Ländern müssten auch in Deutschland anerkannt werden. Schließlich will Heil ein Punktesystem einführen, mit dem Menschen, die in Deutschland arbeiten wollen, eine "Chancenkarte" bekommen können. Sie gilt für ein Jahr. Wer danach keine Arbeit gefunden hat, müsse wieder gehen, sagt Heil. "Wir wollen keine Zuwanderung in Sozialsysteme, wir wollen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt."

"Wir wollen uns ein Haus kaufen"

Wie Einwanderung und Integration funktionieren kann, zeigt ein iranisches Ehepaar. Die beiden sind zu Gast in der Sendung. Im Iran haben sie den Bachelor erworben, waren Krankenpfleger. Durch ein Programm der Asklepios-Kliniken sind sie nach Deutschland gekommen, arbeiten in Hamburg als Pflegekräfte. Etwas Deutsch haben sie im Iran gelernt. In Hamburg kam die Umgangssprache hinzu. Seit zwei Jahren lebt das Paar in Deutschland. Nun will es eine Wohnung oder ein Häuschen kaufen.

Einen Kredit bekommen die Eheleute nicht. Dazu brauchen sie einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Den bekommen sie nach vier Jahren. Das dauert ihnen zu lange. Sie sagen, sie seien integriert, ihre Kollegen haben sie aufgenommen. Dass sie noch Jahre auf ihren Kredit warten müssen, finden sie nicht gut. Doch sie wollen die Geduld aufbringen. Für sie ist Deutschland ihre zweite Heimat geworden.

Quelle: ntv.de

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