Infos vom Verfassungsschutz Wirecard-Manager soll FPÖ-Informant sein
09.07.2020, 19:29 UhrDer frühere Wirecard-Manager Marsalek ist auf der Flucht, gesucht wird er wegen Untreue und Bilanzfälschung. Und nun kommen weitere Vorwürfe hinzu: Der Österreicher soll der rechtspopulistischen Partei FPÖ als geheimer Informant vertrauliche Informationen beschafft haben.
Seit gut zwei Wochen ist der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek untergetaucht. Seit Bekanntwerden des Skandals bei dem Finanzdienstleister ist er auf der Flucht. Bei Wirecard fehlen in der Firmenbilanz rund 1,9 Milliarden Dollar, Ende Juni hatte das Unternehmen Insolvenz angemeldet. Marsalek gilt als Strippenzieher des Skandals. Nun werden weitere Vorwürfe gegen den 40-Jährigen bekannt: Er soll über einen Mittelsmann geheime Informationen aus dem österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie dem Innenministerium an die rechtspopulistische FPÖ weitergeleitet haben. Das berichtet die österreichische Zeitung "Die Presse" unter Berufung auf Insider.
Demnach gibt es SMS-Protokolle zwischen dem früheren FPÖ-Politiker Johann Gudenus und dessen Vertrauten Florian S., in denen Marsalek erwähnt wird. S. soll "heikle Informationen" von der Quelle "Jan aus dem BVT" an Gudenus weitergegeben haben. Hinter diesem Pseudonym soll Marsalek stecken.
Das Innenministerium in Wien bekräftigte, den Vorwürfen nachgehen zu wollen, gibt sich aber sicher, dass Marsalek nicht unter seinem echten Namen als Informant arbeitete. Der Manager muss jedoch Quellen im BVT und im Innenministerium gehabt haben. Marsalek soll so gut über die Vorgänge im BVT informiert gewesen sein, weil Wirecard in seiner Anfangszeit Hilfe von BVT-Mitarbeitern bekam. Sie sollen - offenbar nebenberuflich - Pornoanbieter auf ihre Zahlungsfähigkeit überprüft haben. Zudem sollen Verfassungsschützer dem Unternehmen bei einem "Problem in Dubai" geholfen haben, heißt es in österreichischen Medienberichten. In diesem Fall habe ein Notar Wirecard rund 150 Millionen Dollar geschuldet, Marsalek sei für die Lösung des Problems zuständig gewesen.
"Die Presse" berichtet, dass Marsaleks Informationen das Misstrauen der FPÖ gegen den damaligen Koalitionspartner ÖVP schürten. Dieses Misstrauen führte zu einer engen Kooperation von Ex-FPÖ-Innenminister Herbert Kickl mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die schließlich in einer Hausdurchsuchung im BVT mündete. Dabei soll der Skandal um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung aufgedeckt worden sein, bei dem Beamte unter Verdacht stehen, südkoreanischen Geheimagenten nordkoreanische Passrohlinge beschafft zu haben.
"Ibiza-Affäre" offenbart SMS-Protokolle
Die SMS-Protokolle in denen "Jan" - also mutmaßlich Marsalek - vorkommen soll, sind durch Ermittlungen in der "Ibiza-Affäre" aufgedeckt worden. Das Handy von Gudenus war im Zuge der Affäre im Sommer 2019 beschlagnahmt worden. Der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" hatten öffentlich gemacht, dass Gudenus und der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache Bereitschaft zur Korruption signalisiert hatten. Es ging bei einem Treffen der beiden mit einer angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen in einer Villa auf der spanischen Insel Ibiza auch um die Umgehung der Gesetze zur Parteienfinanzierung sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien.
Gudenus hatte sich in seiner Zeit als Vizeparteichef regelmäßig mit dem Verfassungsschutz beschäftigt. Das berichtete die Zeitung "Standard" unter Verweis auf Chatprotokolle. Dabei tauchte auch "Jan aus dem BVT" auf - die Zeitung erklärte in ihren Recherchen, dass ein Verfassungsschützer mit diesem Vornamen nicht existiere. Nun scheint das Rätsel gelöst.
FPÖ dementiert Vorwürfe
Die FPÖ dementierte gegenüber dem ORF die Vorwürfe. Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im "Ibiza"-Untersuchungsausschuss sagte: "Wenn Herr Marsalek diese Informationen, sofern sie überhaupt stimmen, im Wege des Amtsmissbrauchs erhalten hat, dann ist dem nachzugehen. Jedenfalls war er aber kein FPÖ-Informant, und insbesondere ist der behauptete Bezug zur Causa BVT nicht einmal ansatzweise erkennbar." Bei dem gesamten Bericht handle es sich um eine "durch und durch spekulative Interpretation" von U-Ausschuss-Akten, gegen die sich die FPÖ verwahre.
Marsalek kann zu den Vorwürfen aus Österreich derzeit nicht befragt werden, der Wirecard-Finanzchef ist untergetaucht. Er wird per internationalem Haftbefehl gesucht, unter anderem wegen Bilanzfälschung und Untreue. Ermittler vermuten, dass er in die eigene Tasche gewirtschaftet hat und deswegen über einen dreistelligen Millionenbetrag verfügt.
Offenbar prahlte der Flüchtige aber nicht zum ersten Mal mit seinem Zugriff auf Geheimdokumente. Laut der "Financial Times" hatte er auch in Großbritannien damit angegeben. Er soll Zugriff auf die Formel für das Nervengas Nowitschok gehabt haben, mit dem der russische Ex-Doppelagent Sergej Skripal und dessen Tochter 2018 in Salisbury angegriffen worden waren. Der "Financial Times" zufolge habe er sich damit vor Vertretern der Londoner Finanzbranche wichtig machen wollen.
Quelle: ntv.de, ara