Auflösung wegen Wagenknecht Linksfraktion im Bundestag "politisch am Ende"
07.11.2023, 17:31 Uhr Artikel anhören
Linken-Fraktionschef Bartsch macht sich keine Illusionen: Die Partei steht vor einem Umbruch.
(Foto: picture alliance/dpa)
Ohne die Abtrünnigen um Sahra Wagenknecht verfügt die Linkspartei über zu wenige Bundestagsabgeordnete, um weiter eine Fraktion bilden zu können. Fraktions- und Parteispitze bereiten deshalb deren Abwicklung vor. Diese soll zugleich einen Neuanfang darstellen.
Die Linksfraktion im Bundestag will nächste Woche ihre Auflösung beschließen und dann auch ein Datum dafür festlegen. Dies teilte Fraktionschef Dietmar Bartsch nach einer Fraktionssitzung in Berlin mit. Hintergrund ist der Bruch mit Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten. "Wir haben entschieden, dass wir in der nächsten Woche die Liquidation einleiten werden", sagte Bartsch. Dann werde auch festgelegt, "zu welchem Datum diese Liquidation beginnt". Diesen Zeitpunkt könne er jetzt noch nicht nennen: "Am nächsten Dienstag kann ich Ihnen sagen, zu welchem Datum das passiert."
Wagenknecht und neun weitere Abgeordnete hatten vor etwa zwei Wochen ihren Austritt aus der Partei Die Linke erklärt und angekündigt, ein Konkurrenzprojekt zu gründen. Trotzdem hatten die zehn Abgeordneten beantragt, zunächst Mitglieder der Linksfraktion zu bleiben. Das will die Fraktion nur für eine kurze Übergangsfrist tolerieren. Ohne die zehn Abgeordneten können die übrigen 28 Linken-Vertreter im Bundestag nur noch als Gruppe weitermachen, denn für eine Fraktion fehlt die Mindestgröße von 37 Mandaten.
Bartsch hatte bereits zuvor gesagt, "dass die Linksfraktion politisch am Ende ist" und geschlussfolgert, "dass wir in absehbarer Zeit keine Fraktion mehr im Deutschen Bundestag sein werden". Gleichwohl werde die Linke auch ohne Fraktionsstatus weiter im Bundestag aktiv sein und linke Politik vertreten, hatte Bartsch zuvor betont: "Die Zeit der lähmenden Selbstbeschäftigung muss vorbei sein."
Linken-Chefin Wissler: "Kein haltbarer Zustand"
Als Gruppe hätte die Linke weniger parlamentarische Rechte und bekäme weniger staatliche Unterstützung. Mehr als 100 Mitarbeitern muss gekündigt werden. Die Linksfraktion erhielt 2022 rund 11,5 Millionen Euro staatlicher Zuwendungen, wie aus einer Unterrichtung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas vom September hervorgeht. Die Personalausgaben für Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter werden mit rund 9,3 Millionen Euro angegeben.
Vier von zehn Abgeordneten um die ehemalige Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die aus der Partei Die Linke ausgetreten sind, warben bei der Sitzung für ihren Antrag, vorerst in der Fraktion zu bleiben. Sie hatten vor etwa zwei Wochen angekündigt, ein Konkurrenzprojekt zu gründen. Trotzdem hatten sie beantragt, zunächst Mitglieder der Linksfraktion zu bleiben. Das solle der geordneten Abwicklung dienen, auch mit Rücksicht auf die Fraktionsmitarbeiter, sagte der Abgeordnete Christian Leye. "Wir haben von Anfang an gesagt: Wir trennen uns, aber wir trennen uns wie Erwachsene - kein Rosenkrieg."
Die Parteispitze möchte das Thema gerne abräumen, bevor der Europaparteitag am 17. November in Augsburg beginnt. "Für mich ist vollkommen klar, dass dies natürlich kein haltbarer Zustand ist", hatte Parteichefin Janine Wissler bereits am Montag gesagt. "Wir müssen den Übergang jetzt so schnell wie möglich hinkriegen." Wagenknecht und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer könnten nach der Trennung eine eigene Gruppe bilden.
Die frühere Fraktionschefin hatte vor rund zwei Wochen die Gründung des "Bündnis Sahra Wagenknecht" bestätigt, das Anfang 2024 eine eigene Partei werden soll. Diese hätte laut Umfragen großes Wählerpotenzial. Ob sie es ausschöpft, ist schwer abzuschätzen, zumal Programm und Personal der künftigen Partei offen sind. Die Linke lag derweil im jüngsten RTL/ntv-Trendbarometer bei 4 Prozent. Sie macht sich Hoffnung auf ein Comeback nach dem Ende des Dauerstreits mit Wagenknecht.
Quelle: ntv.de, tsi/dpa/AFP