Zwischenruf Belarus und der deutsche Polizeistiefel
27.08.2012, 15:20 Uhr
Die weißrussische Polizei geht hart gegen Demonstranten vor.
(Foto: dapd)
Die Diskussion über die Zusammenarbeit der deutschen Polizei mit der von Belarus ist heuchlerisch. Deutschland kooperiert andernorts mit Diktaturen ganz anderen Kalibers. Außerdem war die Kooperation Teil einer Strategie der Annäherung, um Minsk aus der Moskauer Umklammerung zu lösen.
Nun ist Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wahrlich niemand, der sich in seinem Amte bislang mit Ruhm bekleckert hätte. Die Kampagne der "Bild"-Zeitung gegen den CSU-Mann aber läuft völlig ins Leere. Friedrich unter Druck, weil die deutsche mit der von 2008 bis 2010 zusammengearbeitet hat? Friedrich hat sein Amt doch erst im März 2011 übernommen. Wer unter Druck stehen müsste, wären Wolfgang Schäuble respektive Thomas de Maizière, die dem Ressort in der fraglichen Zeit vorstanden.
Nun ist das Regime des Aleksander Lukaschenko wahrlich alles andere als ein Beispiel lupenreiner Demokratie. Aber liefert die Bundesrepublik nicht und Ausrüstungen ganz anderer Art in Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indonesien, um nur die jüngsten Beispiele zu nennen? Die Ausbildung und Ausrüstung einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei ist ein Klacks im Vergleich zu den Milliardenbeträgen bei den Rüstungsgeschäften mit Ländern, in denen Dieben die Hand genommen wird. Das Regime der wahhabitischen Glaubenseiferer in Riad wird nicht demokratischer, wenn Langfingern heutzutage die Hand nicht mehr abgehackt, sondern von einem Arzt (!) amputiert wird. Wo bleibt der Aufschrei einer sich christlich verstehenden Regierung, wenn beim wichtigsten Verbündeten des Westens auf den Übertritt vom Islam zum Christentum die Todesstrafe steht?
Die intensive Kooperation des Westens, namentlich der Mitgliedsländer der Europäischen Union, war darauf gerichtet, Belarus aus der Umklammerung Moskaus zu lösen. Lukaschenko, der damals wie heuer autoritär regierte, spürte den Würgegriff der staatlichen russischen Gasgiganten, von deren Lieferung das Überleben von Bevölkerung und Wirtschaft abhängt. 2009 wurde die einstige Sowjetrepublik in die Östliche Partnerschaft der EU aufgenommen. Erklärtes und kaum verschleiertes Ziel war, Minsk stärker an Brüssel zu binden. Fast zum gleichen Zeitpunkt unterzeichneten die Ukraine und die EU ein Assoziierungsabkommen.
Vor allem dem Druck aus Polen ist es geschuldet, dass die Beziehungen der EU mit Belarus wieder auf einem Tiefpunkt angelangt sind. Minsk, mit Moskau formal ohnehin in der Russisch-Belarussischen Union verbunden, ist nunmehr Teil der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin initiierten Eurasischen Union. Die Brüsseler Strategie der Loslösung Belarus‘ und der Ukraine ist gescheitert. Mit einem Quäntchen diplomatischen Verstandes hätte man durch Annäherung Wandlungen herbeiführen können. Schade!
Manfred Bleskin
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de