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Merkel regiert mit "Sonstige" Berliner schaffen FDP ab

Wer kann der FDP jetzt helfen? Die Liberalen sind in Berlin noch weiter abgestürzt, als sie befürchtet hatten.

Wer kann der FDP jetzt helfen? Die Liberalen sind in Berlin noch weiter abgestürzt, als sie befürchtet hatten.

(Foto: dpa)

Der Anti-Euro-Kurs rettet die FDP nicht mehr: In Berlin kommt die Partei in der Bedeutungslosigkeit an. Die Liberalen werden zum Unsicherheitsfaktor für die Bundesregierung. Bleiben sie bei ihrer Euro-Kritik, muss Kanzlerin Merkel über Neuwahlen nachdenken.

Der Anti-Euro-Rettungsschirm für die FDP ist nicht aufgegangen, die Liberalen sind an der 5-Prozent-Hürde in Berlin gescheitert. Deutlich. Spät hat die Partei mit ihrer Kritik an den Griechenland-Hilfen versucht, den Absturz in die außerparlamentarische Bedeutungslosigkeit zu verhindern. Das ist missglückt – weil der Schirm zu spät geöffnet wurde oder weil die Wähler in Berlin den Anti-Euro-Populismus nicht unterstützen wollten. Das Ergebnis ist für die FDP verheerend, für den Berliner Landesverband sowieso, aber auch für FDP-Chef Philipp Rösler und die schwarz-gelbe Bundesregierung insgesamt.

Tiefer geht's kaum noch: Generalsekretär Lindner muss das Ergebnis von etwa 2 Prozent erklären.

Tiefer geht's kaum noch: Generalsekretär Lindner muss das Ergebnis von etwa 2 Prozent erklären.

(Foto: dpa)

Die FDP muss sich nun entscheiden, wie sie mit diesem Desaster umgehen will. Setzt sie weiter auf den Anti-Euro-Kurs oder kühlt sich der Populismus nach der Wahl in Berlin wieder ab? Für eine Fortsetzung spricht aus Sicht der Liberalen die Zustimmung in der Bevölkerung für einen solchen Kurs, die der FDP zumindest in bundesweiten Umfragen auch schon ersten Auftrieb gegeben hat. Die Partei hat endlich ein Thema gefunden, mit dem sie sich jenseits von Steuersenkungen profilieren kann. Dagegen spricht der Konflikt in der Bundesregierung, den die Liberalen damit zwangsläufig provozieren würden.

Neuwahlen im Bund?

Berlin war die letzte Wahl 2011, was eigentlich für ein Abkühlen des Streits sprechen würde. Doch die Wahl stürzte die FDP in den Abgrund, sie kämpft um ihre politische Existenz. Das macht sie derzeit so unberechenbar. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird sich deshalb weiter auf ungemütliche Zeiten einstellen müssen, in denen sie nicht so genau wissen wird, was von ihrem Koalitionspartner zu erwarten ist. Bleibt die FDP bei ihrer Ablehnung des dauerhaften Rettungsschirms, setzen sich die Euro-Kritiker mit ihrem Mitgliederentscheid durch, steht die Koalition im Bund auf der Kippe. Dann sind Neuwahlen für Merkel fast unausweichlich, weil die FDP ihre Politik nicht mehr mitträgt.

Die Bundes-CDU wird das Wahlergebnis mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis nehmen. In Berlin hat es die Partei traditionell sehr schwer. Angesichts der schwierigen Lage in der Hauptstadt kann sich die CDU über einen Achtungserfolg freuen. Landeschef Frank Henkel hat es seit seinem Amtsantritt geschafft, die zerstrittene Partei zu einen und sie nach den unglücklichen Kandidaturen von Frank Steffel und Friedberg Pflüger wieder als seriöse, wählbare Alternative zu etablieren. Belohnt wird er mit leichten Zugewinnen. Viel spricht dafür, dass die CDU in Berlin weiter Boden gutmachen kann, wenn Henkel diesen Kurs fortsetzt. Schließlich ist sie ohne die FDP nun die einzige Partei rechts von der Mitte, die im Abgeordnetenhaus vertreten ist.

Grüne verlieren an Piraten

Gewonnen, aber irgendwie verloren: Künast in Berlin.

Gewonnen, aber irgendwie verloren: Künast in Berlin.

(Foto: dpa)

Dagegen ist für die Grünen das Ergebnis trotz ihrer deutlichen Zugewinne eine gefühlte Niederlage. Das gilt insbesondere für Spitzenkandidatin Renate Künast. Sie konnte die Berliner nicht überzeugen, sie ranzulassen. Das liegt zum einen am abflauenden Hoch der Grünen insgesamt, zum anderen an den schlechten Sympathiewerten für Künast selbst und ihren grün-schwarzen Gedankenspielen. Die Grünen haben gegenüber ihrem Unmfragehoch deutlich verloren. Am stärksten profitiert davon haben die Piraten.

Sie sind der Wahlsieger in Berlin. Mit dem heutigen Tag hat Deutschland eine neue parlamentarische Kraft bekommen. Der triumphale Einzug der Piraten ins Abgeordnetenhaus ist zwar zum Teil auf Kosten der Grünen gelungen und muss auch Berlin-spezifisch eingeordnet werden - als Protestpartei. Zudem ist das Interesse an den Internet- und Freiheitsthemen der jungen Partei in der Hauptstadt besonders groß. Doch zeigt ihr Erfolg auch: Die anderen Parteien müssen Netzthemen endlich ernst nehmen und nicht nur unter Sicherheitsaspekten betrachten. Wer "Digital Natives" nur als Nerds oder Spinner abtut, verliert einen beständig wachsenden Teil an Wählern.

Wowereit mit Schrammen

Die SPD hat die Wahl mit Abstand gewonnen, was vor allem an Klaus Wowereit liegt - der Regierende Bürgermeister hat zwar einen inhaltsleeren Wahlkampf geführt, dessen einzige Botschaft Wowereit selbst war. Doch diese Wohlfühlkampagne und sein Versprechen – es bleibt im Wesentlichen, wie es ist, wird aber hoffentlich noch ein bisschen besser – entsprachen offenbar dem Wunsch vieler Berliner. Es gab keine Wechselstimmung, Wowereit soll der Hauptstadt als Maskottchen erhalten bleiben. Die meisten Wähler mögen offenbar ihren Regierungschef: Dieses Gefühl war ihnen wichtiger als der Umstand, dass Berlin auch nach zehn Jahren Wowereit im Roten Rathaus noch immer bei Arbeitslosigkeit, öffentlicher Verschuldung und Sozialtransfers führend ist. So kann Wowereit mit leichten Schrammen eine dritte Amtszeit angehen.

Darf noch einmal: Wowereit bleibt Bürgermeister von Berlin.

Darf noch einmal: Wowereit bleibt Bürgermeister von Berlin.

(Foto: dapd)

Dabei hat er das Glück, durch den vom Wähler erzwungenen Koalitionswechsel sogar ein Gefühl von Neuanfang verbreiten zu können. Ob mit der CDU oder, was wahrscheinlicher ist, mit den Grünen – Berlin bekommt eine neue Regierungskoalition. Und der politisch etwas eingeschlafene Wowereit einen neuen Partner, der ihn antreiben wird. Davon kann auch die Hauptstadt profitieren.

Bei der Bundes-SPD dürfte Wowereits Sieg die Diskussion um einen Kanzlerkandidaten für 2013 beleben. Die Parteilinke sieht in ihm einen Wunschkandidaten, den sie gegen Ex-Finanzminister Peer Steinbrück ins Feld führen will. Im Wahlkampf hatte Wowereit betont, er wolle im Roten Rathaus bleiben. Das kann sich schnell ändern, sollte er die Spitzenkandidatur im Bund doch noch als eine reizvolle Perspektive empfinden.

Linke zerlegt sich

Eine neue Perspektive suchen muss sich nun die Linke. Sie hat in Berlin den Unmut über die rot-rote Koalition abbekommen. Neben dem schillernden Wowereit ist ihr Spitzenkandidat und Wirtschaftssenator Harald Wolf weitgehend verblasst. Zwar wird der bisherigen Regierung eine weitgehend geräuschlose und gute Zusammenarbeit bescheinigt. Zudem musste die Linke im Senat eine Politik umsetzen, die Teile ihrer Anhänger als Zumutung empfunden haben und die das soziale Profil geschliffen hat. Im Abgeordnetenhaus wird sie nun wieder das soziale Gewissen spielen und die Oppositionsrolle mit Leidenschaft annehmen. Das wird allerdings nicht über die Probleme hinweg täuschen können, die die Bundespartei hat. In ersten Stellungnahmen machen die Berliner Linken bereits die Bundespartei mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden. Die Vorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch müssen sich auf unangenehme Diskussionen gefasst machen.

Quelle: ntv.de

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