
Demonstranten mit Masken der Teilnehmer des G-7-Gipfels: Bundeskanzler Olaf Scholz (2. v. r.) empfängt unter anderem US-Präsident Joe Biden (l.), den französischen Präsidenten Emmanuel Macron (2. v. .l.) und den japanischen Premierminister Fumio Kishida (r.) auf Schloss Elmau.
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Beschützt von 18.000 Polizisten diskutieren sieben Staats- und Regierungschef auf Schloss Elmau bis Dienstag die Weltpolitik. Nur ein teurer Fototermin? Nein, der G7-Gipfel dokumentiert etwas, das Millionen Menschen vorenthalten bleibt: freie, offene und erfolgreiche Nationen.
180 Millionen Euro Kosten, 18.000 Polizisten im Einsatz, ein komplett abgesperrtes Bergtal. Und darin, in einem verschrobenen Luxushotel, sieben Männer unter sich, die mehr als zwei Tage lang schöne Fotos von sich machen lassen. Ja, so kann man den G7-Gipfel in Elmau alles in allem sehen und verstehen. Aber es wäre so falsch wie ganz lange nicht.
Diese Gipfelshow muss nämlich sein. Ob es eine gute Show ist, mögen die Bürger und Betrachter nach Abschluss beurteilen. Die Show der Guten ist es jedenfalls. Und deren Treffen, deren postkartenschöne Bilder von Gemeinsamkeit und Geschlossenheit sind eine höchst politische Sache. Sie dokumentieren damit einen notfalls auch wehrhaften Zusammenhalt, der nicht mehr selbstverständlich schien. Und dass er nicht mehr selbstverständlich schien, ist leider einer der Gründe, warum Wladimir Putin dachte, er könne ungestraft die Ukraine überfallen.
Koalition der Wichtigen

Viele Anwohner sind nicht begeistert von dem hohen Besuch. Sie müssen nämlich ihre Geschäfte schließen.
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Die sieben Staaten von Elmau waren einst die mit Abstand wirtschaftlich wichtigsten der Welt. Heute stehen sie noch für weniger als 45 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft und auch nur noch für rund jeden Zehnten aller Menschen, die auf der Welt leben. Die G7 sind also nicht mehr das Ganze, sie sind eine Art Koalition der Wichtigen oder ein Club der Gleichgesinnten - aber es gibt längst auch andere Clubs, die wichtig sind. Dennoch bleiben die G7 die einzige Gruppe, in deren nationalen Grenzen die Menschen frei sind, die Gesellschaften so offen wie lernfähig und jeder Einzelne seines Glückes Schmied.
Diese Form zu leben, ist seit geraumer Zeit nicht mehr auf dem Vormarsch rund um den Globus. Neuerdings wird sie an seinen europäisch-östlichen Grenzen sogar mit Krieg aus Russland überzogen. Beides ist Grund genug, sich selbst mit prächtigen Bildern zu feiern. So wie die Ukrainer und wer weiß, wie viele Hundert Millionen Menschen rund um den Globus es feiern würden, wenn bei ihnen solche politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse herrschten, wie sie in den Staaten der G7 ganz überwiegend herrschen.
Keiner ist seines Lebens sicher
Natürlich hat es einen schalen Beigeschmack, dass ein solches Treffen wie unter einer polizeilichen Hochsicherheitsglocke stattfindet. Deswegen den Regierenden Verachtung oder übergroße Ferne für ihre Bürger zu unterstellen, ist gleichwohl bösartig. Jeder einzelne der Sieben ist demokratisch gewählt, aber keiner ist seines Lebens sicher. Das galt schon immer, aber es gilt heute noch mehr.
Natürlich sollte es auch möglichst handfeste Ergebnisse der Gespräche geben, die Erderwärmung macht ja nicht Halt und die Ukraine braucht mehr Hilfe denn je. Auch muss es gelingen, die "Gäste" aus den neuen großen Staaten wie Indien, Indonesien oder Südafrika davon zu überzeugen, dass die alten Großen der G7 ihnen fortan anders begegnen wollen - mit Respekt nämlich und nicht immerfort mit dem Zeigefinger.
Aber auch wenn Wunder oder große Würfe nicht zu erwarten sind: Die G7 waren lange nicht so wertvoll wie heute. Weil alles, wofür sie stehen und was sie ausmacht, plötzlich so wertvoll scheint wie lange nicht. Sich dessen nach allen Regeln der Kunst (und Show) vor aller Augen zu vergewissern - das ist es wert.
Quelle: ntv.de