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Zu Besuch beim Freund Merkel muss den Mund aufmachen

Am kommenden Donnerstag fliegt Merkel in die USA. Am Freitag trifft sie sich mit Obama.

Am kommenden Donnerstag fliegt Merkel in die USA. Am Freitag trifft sie sich mit Obama.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bei ihrer Reise in die USA muss Kanzlerin Merkel ein paar heikle Themen ansprechen, wenn sie die deutsch-amerikanische Freundschaft ernst nimmt. Dazu gehört der NSA-Skandal. Aber auch die Frage, ob es sinnvoll ist, Russland zum "Paria-Staat" zu machen.

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel in ein paar Tagen US-Präsident Barack Obama besucht, dann soll kein Schatten auf die Inszenierung fallen. Schon im Vorfeld der Reise hat das zu peinlichen Verrenkungen geführt: Um nur ja keinen Streit aufkommen zu lassen, verhinderte die Große Koalition, dass der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags den früheren Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden schon jetzt auf seine Zeugenliste setzt.

Dabei gibt es durchaus Anlass für Streit, vor allem wegen des NSA-Skandals: Noch immer weigern sich die USA, Merkels NSA-Akte rauszurücken. Noch immer lehnen sie es ab, Deutschland den Verzicht auf die bisher betriebene totale Bespitzelung zuzusichern. Und noch immer ignorieren sie den Fragenkatalog, den die Bundesregierung im vergangenen Sommer nach Washington geschickt hat. Das allein sind gute Gründe für Merkel, in Washington ein paar deutliche Anmerkungen zu machen.

Regierungssprecher Steffen Seibert hat allerdings bereits mitgeteilt, dass "nicht mit konkreten Ergebnissen auf diesem Gebiet zu rechnen ist". Soll heißen: Öffentlich wird die Kanzlerin das Thema so tief wie möglich hängen. Stattdessen werden Merkel und Obama über das Freihandelsabkommen TTIP sprechen, über Sanktionen gegen Russland und über die Situation in der Ukraine. In all diesen Punkten gibt es grundlegende Übereinstimmung, Differenzen nur im Detail.

Partnerschaft oder Gefolgschaft?

Die wichtigste dieser Differenzen ist die unterschiedliche Haltung zu Russland. Obama setzt im Ukraine-Konflikt bekanntermaßen auf eine harte Linie: Er will Russland isolieren und zu einem "Paria-Staat" machen. Das ist nicht im Interesse Deutschlands und auch nicht Ziel der Bundesregierung. Vielmehr betonen Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier immer wieder, dass sie den Gesprächsfaden nach Moskau nicht abreißen lassen wollen. Wenn Merkel diese Position ernst nimmt, muss sie das in Washington offen aussprechen.

Auch zu TTIP sind deutliche Worte angebracht. Bislang wird das Abkommen in Sonntagsreden gefeiert und hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Bleibt es dabei, wird TTIP scheitern.

Es wäre fatal, wenn die Kanzlerin die gemeinsame Gegnerschaft zu Wladimir Putin als Ausrede nutzt, um die Probleme zu verschweigen, die zwischen den USA und Deutschland bestehen. Merkel riskiert ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie sich in Washington öffentliche Kritik an den amerikanischen Geheimdiensten oder am von Deutschland aus geführten Drohnenkrieg der USA verkneift. Mag sein, dass man dort kritische Töne von deutschen Regierungen nicht gewöhnt ist. Doch Pluralität ist eine Kernkompetenz demokratisch verfasster Gesellschaften, sie ist geradezu die Basis für den Erfolg des westlichen Modells. Die deutsch-amerikanische Partnerschaft ist nicht auf hohle Phrasen und leere Appelle angewiesen: Wenn es Konflikte gibt, dann müssen sie offen und öffentlich ausgesprochen werden. Alles andere ist nicht Freundschaft oder Partnerschaft. Sondern Gefolgschaft.

Quelle: ntv.de

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