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Kommentar Silberstreif oder Nebelkerze

Atomenergie ist keine Zukunftsenergie. Die Gefahr eines Super-GAU, das nicht gelöste Atommüllproblem und das Risiko eines Terrorangriffs lassen den im Jahr 2000 vereinbarten Atomausstieg alternativlos erscheinen. Dennoch versucht es Schwarz-Gelb gemeinsam mit der Atomlobby - und dazu liegt ein verblüffender Vorschlag der CSU auf dem Tisch.

Das Atomkraftwerk Krümmel im schleswig-holsteinischen Geesthacht.

Das Atomkraftwerk Krümmel im schleswig-holsteinischen Geesthacht.

(Foto: dpa)

Die Bundesregierung will jetzt ein heißes Eisen anpacken: Sie will sich um die Laufzeitverlängerung der 17 deutschen Atomkraftwerke bemühen und damit den im Jahr 2000 mühsam ausgehandelten Atomkonsens kippen, den die damalige Bundesregierung gemeinsam mit den Stromversorgern festgelegt hatte. Danach sollten die letzten Atommeiler ungefähr im Jahr 2022 vom Netz gehen.

Zehn Jahre nach dem Beschluss zum Atomausstieg hat sich an der Bewertung der Atomenergie nichts geändert. Sie bleibt die riskanteste Form der Energieerzeugung und wird auch für den Klimaschutz nicht gebraucht. Zudem ist sie weder billig noch führt sie zu wirklich sinkenden Strompreisen. Der Versuch der schwarz-gelben (oder, wie es neuerdings heißen soll, der "christlich-liberalen") Bundesregierung und der Atomindustrie, die Kraftwerke als "Klimaretter" darzustellen, ist verwerflich: Nur etwa sechs Prozent des Primärenergiebedarfs werden weltweit überhaupt mit Atomenergie gedeckt - und Uran ist eine endliche Ressource, in 60 Jahren ist bei dem derzeitigen Verbrauch Feierabend. Vom Müllproblem ganz zu schweigen.

Nun wissen die Politiker hierzulande sehr gut, dass die Akzeptanz der Bevölkerung für Atomkraft beständig sinkt. Für die CSU prescht daher ihr Umweltexperte Josef Göppel vor und lehnt bei den anstehenden Verhandlungen im Kanzleramt eine pauschale Laufzeitverlängerung strikt ab. Bei der Entscheidung darüber müsse jedes der 17 deutschen AKW im Einzelnen geprüft werden - und zwar auf Herz und Nieren, meint Göppel. Es könne durchaus sein, dass einige Meiler den Test nicht bestehen und abgeschaltet werden müssen, etwa weil sie gegen Abstürze größerer Flugzeuge nicht nachrüstbar seien.

Maximal zehn Jahre drauf

Die Atomkraftgegner dürften einen Silberstreif am Horizont wahrnehmen und ein wenig von ihrem Zorn ablassen, der spätestens am 27. September 2009 über sie kam, als die Wahlsieger versprachen, den Ausstieg zu kippen. Zu befürchten ist aber, dass der Applaus der ewigen Nörgler verhalten bleiben wird, auch wenn Göppel eine maximale Laufzeitverlängerung von zehn Jahren ins Spiel bringt. Der Zuschlag an Jahren müsse nämlich danach bemessen werden, wie viel Zeit wir noch brauchen, um die Kernkraft durch erneuerbare Energien zu ersetzen. "Dafür brauchen wir keine zehn Jahre Laufzeit zusätzlich", so die CSU-Politiker. Es geht bei den Verhandlungen aber auch - und vor allem - um eine Menge Geld für die Unternehmen und den Bund. Denn im Gegenzug für eine Laufzeitverlängerung will die Regierung eine Beteiligung an den Extragewinnen der Versorger. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) plant, mindestens die Hälfte des Geldes abzuschöpfen. Josef Göppel fordert gar 75 Prozent. Obwohl er an den Gesprächen gar nicht beteiligt ist.

Göppels Bedingungen für die Gespräche im Kanzleramt sind deutlich besser als die bisher bekannten Statements von Schwarz-Gelb. Allerdings ist schon jetzt klar: Ob Materialversagen, technische Defekte oder menschliches Versagen - schon vermeintlich kleine Fehler können in Atomkraftwerken Katastrophen verursachen. Allein in Deutschland gibt es jedes Jahr weit über 100 meldepflichtige Ereignisse. Zudem ist kein einziges AKW wirksam gegen den Absturz einer Verkehrsmaschine geschützt. Und Laufzeitverlängerungen sind auch für den Klimaschutz verzichtbar. Je früher wir die Potenziale der Endenergieeffizienz, der erneuerbaren Energien oder der Kraft-Wärme-Kopplung nutzen, um so kostengünstiger wird es sein, langfristige Klimaschutzziele zu erreichen. Wenn die Gesprächsrunde im Kanzleramt sich an Göppels Vorgaben orientieren würde, dürfte es gar keine Laufzeitverlängerung geben.

Quelle: ntv.de

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