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Wirecard-Betrug Vorsicht vor den Finanz-Blendern!

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Tanzte den Behörden auf der Nase herum: Der frühere Wirecard-Chef Markus Braun.

(Foto: picture alliance/dpa)

Immer wieder lassen sich Politiker von den Jongleuren des vielen Geldes blenden. Das fing nicht erst bei der Deutschen Bank an und droht bei Wirecard kein Ende zu nehmen. Wir brauchen dringend mehr Finanzkompetenz in der Politik.

Der Fall Wirecard ist mehr als ein Kriminalfall aus der Finanzwelt. Er ist auch das Ergebnis politischen Versagens. Der Bundesregierung fehlt es bei der Aufsicht über digitale Banken offensichtlich an Kompetenzen - sowohl was Kenntnisse als auch Befugnisse angeht. Wirecard ist da nur exemplarisch: Der ehemalige Wirecard-Manager Jan Marsalek, sowie der ehemalige CEO Markus Braun tanzten den deutschen Behörden und Buchprüfern jahrelang auf der Nase herum.

Dabei gab es diverse Warnungen, die die Politik allerdings ignorierte. Zu verblendet waren die Verantwortlichen, zu groß war ihre Hoffnung, dass Wirecard als Dax-Konzern zu einem weltweiten Player im digitalen Bezahlungsgeschäft avancieren könnte. Das Problem ist allerdings nicht neu, es rührt aus der Zeit vor der Finanzkrise 2008. Gleich mehrere Bundesregierungen haben sich seither von großen Finanzinstitutionen blenden lassen.

Politik ließ lange Leine

Die Bankenwelt vor der Finanzkrise kannte keine Limits. Es wurden Finanzprodukte verkauft, die selbst die Erschaffer nicht mehr verstanden. Als Taktgeber vorne mit dabei: die Deutsche Bank. Die Politik schaffte wiederum die Rahmenbedingungen für den grenzenlosen Handel. Schon unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder wurde in einem Antrag der rot-grünen Koalition gefordert, dass die Belange des Finanzplatzes Deutschland "stets im Fokus des wirtschaftspolitischen Geschehens" bleiben müssten. "Unnötige Belastungen" der deutschen Finanzdienstleistungsindustrie sollten "vermieden werden". Unterzeichner damals: Franz Müntefering für die SPD und Katrin Göring-Eckardt für die Grünen.

Die CDU machte es 2005 nicht besser: "Wir entschlacken die Vorschriften zum Kreditwesengesetz und führen die bestehende Überregulierung bei der Bankenaufsicht auf das notwendige Maß zurück. Wer wagt, der gewinnt." So stand es damals im Wahlprogramm. Der Wahnsinn endete abrupt, mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008. Offensichtliche Warnungen und Vorzeichen der Krise hatte die Politik nicht sehen wollen - wie auch zwölf Jahre später bei Wirecard.

Die Gier wird bleiben

Das damalige CDU-Urgestein Heiner Geißler wurde 2009 in einem Interview gefragt, was er vo n diesem Satz im Wahlprogramm der CDU halte. Er sagte damals: "Das ist noch das Programm von 2005, vom Leipziger Parteitag. Das können Sie zu den Akten legen, das spielt insofern keine Rolle mehr." Geißler irrte. Denn der Satz verrät viel über die Haltung von Politikern gegenüber den vermeintlichen Finanzprofis. Das zeigte sich etwa im April 2008, als die Kanzlerin zu Ehren des 60. Geburtstages von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann ins Kanzleramt einlud. Es gab Delikatessen und Champagner für einen Mann, der kurz darauf maßgeblich für den größten Finanzcrash der Nachkriegsgeschichte verantwortlich sein würde.

Auch der Fall Wirecard offenbart eine erschreckende Nähe zwischen den Akteuren. Karl-Theodor zu Guttenberg, vor langer Zeit mal CSU-Hoffnungsträger, warb im September 2019 bei der Kanzlerin für das Unternehmen. Auch SPD-Mann und Vizekanzler Olaf Scholz wusste wohl schon seit Februar 2019 von einem Verdacht der Finanzaufsicht Bafin über Marktmanipulationen bei Wirecard. Doch Markus Braun und sein Team konnten weiter viel versprechen, obwohl da die Fassade längst zu bröckeln angefangen hatte.

Die Geldgier auf der Welt wird kein Ende nehmen, aber deutsche Politiker müssen dringend daran arbeiten, die Finanzwelt besser zu durchschauen. Denn sie wird im digitalen Zeitalter eher noch komplexer - und gewiss nicht von sich aus transparenter.

Quelle: ntv.de

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