Atommeiler länger am Netz "Das nennt man Zynismus"
28.10.2010, 20:08 UhrEs ist beschlossene Sache: Die Atommeiler sollen nun länger, und zwar bis 2035 laufen. Was mit dem Atommüll passiert, war jedoch nicht Bestandteil der Abstimmung im Bundestag. Die Opposition geht angesichts dieser Entscheidung auf die Barrikaden, denn beschloss Rot-Grün einst den Ausstieg aus der Atomkraft. Die Presse erinnert jedoch daran, dass Trittin und Co. während ihrer Regierungszeit weder der Endlagerfrage auf den Grund gegangen sind noch in Sachen Sicherheitstechnik geforscht haben.
Der Bundestag beschließt die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Nun soll erst 2035 der letzte Meiler in Deutschland abgeschaltet werden. "Vielleicht", schreibt die Wetzlarer Neue Zeitung. Denn könne eine neue Bundesregierung das beschlossene Energiekonzept wieder rückgängig machen, erinnert das Blatt. Aber auch schon Schwarz-Gelb setze "das Land unter Wechselstrom, der Schlingerkurs in der Energiepolitik reißt alte Konflikte auf und schwächt den Standort Deutschland. Die Anti-Atomkraft-Bewegung schöpft neue Kraft, während Investoren in erneuerbare Energien Gegenwind verspüren." Der Bundestag habe den Atomkraftbefürwortern mit der Verlängerung der Laufzeiten zwar "einen großen Gefallen getan. Doch eine wegweisende Entscheidung hat er nicht getroffen."
Für die Ludwigsburger Kreiszeitung sei "die ungelöste Endlagerfrage (…) der große Geburtsfehler der Atomkraft". So hätte es schon zu Beginn klar sein müssen, "dass man damit gar nicht erst beginnt. Und diese Unmoral wird ausgerechnet von einer christdemokratisch geführten Regierung nun um zwölf Jahre verlängert, mit Erfolg wahrscheinlich, weil ja 'nur' die Gorlebener direkt betroffen sind." Das Blatt nennt das "Zynismus".
Rhein-Neckar-Zeitung sieht in der Verlängerung der Restlaufzeiten "kein Ausstieg aus dem Ausstieg" und bewertet "die Barrikadenstürme der Opposition (als) ziemlich überzogen." Die Regierung habe die Verlängerung angekündigt, die Bürger Bescheid gewusst. "(…) die ganze Aufregung kann sich noch als Schaukampf entpuppen, wenn das Bundesverfassungsgericht die Ausgrenzung des Bundesrates kassiert."
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung nimmt die Äußerungen der Opposition kritisch in den Blick und erinnert: "Der 'gesellschaftliche Frieden', den Rot-Grün vor zehn Jahren mit dem Ausstiegskonzept herbeiführte, beruhte allerdings darauf, dass die Endlagersuche und die Atomtransporte eingestellt und den Kraftwerksbetreibern neue Sicherheitsauflagen erlassen wurden, was gerade nicht für Risikobewusstsein spricht. Die Ruhe an der Anti-Atom-Front hat SPD und Grünen parteipolitisch genützt, dem Land aber zehn Jahre Stillstand in der Endlagerforschung und der Fortentwicklung der Sicherheitstechnik beschert. Die Versorgungssicherheit wurde auf dem Altar grüner Ideologie, die Bezahlbarkeit der Energie der mit zweistelligen Renditen bedachten Wind- und Solarlobby geopfert." Vor diesem Hintergrund meint das Blatt, daran zu denken, "wenn Jürgen Trittin von Putsch faselt und Sigmar Gabriel von einer 'gekauften Bundesregierung'."
Als "bedeutungsloses Vorgeplänkel " und weitaus nüchterner betrachtet die Märkische Oderzeitung die Abstimmung im Bundestag und damit die Verlängerung der Laufzeiten: "Blindgänger, Putsch, Verfassungsbruch: schwere rhetorische Geschütze fuhren Regierung und Opposition gestern in der Bundestagsdebatte auf. Auch wenn die Abstimmung anschließend die erwartete Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke brachte, verfuhren die Parlamentarier zuvor anscheinend nach der Devise: Hauptsache, mal richtig Dampf ablassen. Nur steht der verbale Aufwand in merkwürdigem Missverhältnis zum politischen Ertrag der Sitzung. Das letzte Wort hat nämlich wie so oft in den vergangenen Jahren das Bundesverfassungsgericht, das darüber befinden wird, ob das Übergehen des Bundesrats in dieser Sache rechtens ist. Alles blickt dann wieder nach Karlsruhe."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger